Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 07.05.2002 - 13 A 00.445

Aktenzeichen 13 A 00.445 Entscheidung Urteil Datum 07.05.2002
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Der Flurbereinigungsbehörde steht bei der Zuteilung von Masseland ein Auswahlermessen zu; kein Teilnehmer hat einen Rechtsanspruch auf Zuweisung von Masseland, sondern nur ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Dabei kommt es auf die Erreichung agrarstruktureller Zielsetzungen, nicht in erster Linie auf die Erzielung eines möglichst hohen Preises an.
2. Das Vergabeverfahren für Masseland kann durch Richtlinien oder durch entsprechende Regelungen der Flurbereinigungsbehörde geregelt werden.
3. Stellt die Behörde entscheidend darauf ab, dass ein privater Bewerber das zu vergebende Flurstück landschaftspflegerisch nutzen will, muss die Zweckbindung rechtlich gesichert sein.

Aus den Gründen

In der Zuteilung von sogenanntem Masseland an einen Beteiligten liegt zugleich die Ablehnung der Zuteilung an den jeweiligen Mitbewerber (Klagebefugnis im Sinn von § 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Die Zuteilung des neuen Flurstücks 1584 durch Änderung des Flurbereinigungsplans mit Beschluss der Beklagten vom 23. März 1998 und der bestätigende Widerspruchsbescheid sind rechtsfehlerhaft und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Es entspricht dem pflichtgemäßen Ermessen, das neue Flurstück an die Kläger zu vergeben (§ 114 VwGO, § 144, § 146 Nr. 2 FlurbG).

Rechtsgrundlage für die Zuteilung von Masseland ist § 54 Abs. 2 FlurbG. Danach ist das infolge von Geldabfindungen und nach § 46 FlurbG zur Abfindung der Teilnehmer nicht benötigte Land in einer dem Zweck der Flurbereinigung entsprechenden Weise oder für Siedlungszwecke zu verwenden. Durch den Flurbereinigungsplan wird bestimmt, wem das Land zu Eigentum zugeteilt wird (bezüglich der Grundsätze der Vergabe vgl. allgemein: Seehusen, Verwendung von Masseland, RdL 1989, 60 und Emig, Das Masseland in der Flurbereinigung, AgrarR 1984, 88). Durch § 54 Abs. 2 FlurbG wird die Flurbereinigungsbehörde befugt, das im vorliegenden Fall übrig gebliebene Land nach pflichtgemäßem Ermessen an interessierte Bewerber so zu verteilen, dass die Zuteilung - von Siedlungszwecken abgesehen, die hier nicht in Betracht kommen - vornehmlich den in § 1 und § 37 Abs. 1 FlurbG umschriebenen Zielsetzungen entspricht. In diesem Sinne kann die Vergabe von Masseland dazu beitragen, insbesondere die Grundlagen der Wirtschaftsbetriebe zu verbessern, aber auch den Arbeitsaufwand zu vermindern und die Bewirtschaftung zu erleichtern (§ 37 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 FlurbG). Da der Flurbereinigungsbehörde bei der Zuteilung ein Auswahlermessen zusteht, hat kein Teilnehmer einen Rechtsanspruch auf Zuweisung von Masseland, sondern nur ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (st. Rspr. BVerwG vom 02.12.1980 Buchholz 424.01 § 54 FlurbG Nr. 3; BayVGH vom 22.03.1973, AgrarR 1973, 402). Bei der Vergabe von Masseland hat die Behörde etwaige Richtlinien über das Antrags- und Auswahlverfahren zu beachten und zu prüfen, ob die eingegangenen Angebote agrarstrukturell gleichwertig sind. Eine Zuteilung nach der Höhe des Geldangebots setzt gleichgelagerte Verhältnisse bei den betreffenden Teilnehmern voraus (VGH BW vom 10.06.1985 RdL 1986, 12/13). Die Höhe des Angebots im Zuteilungsverfahren nach § 54 Abs. 2 FlurbG hat nicht die Bedeutung wie bei einer Versteigerung, da es nicht in erster Linie auf die Erzielung eines möglichst hohen Preises, sondern vielmehr auf die Erreichung agrarstrukturel1er Zielsetzungen ankommt (OVG RhPf vom 04.06.1980, RdL 1980, 293).

Gemessen an diesen Grundsätzen durfte der Beigeladenen, die keinen landwirtschaftlichen Betrieb führt, das neue Flurstück 1584 nicht zugeteilt, jedenfalls nicht der Vorrang gegenüber dem landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb der Kläger eingeräumt werden (BVerwG vom 12.09.1980 a.a.O.; siehe auch OVG RhPf vom 04.06.1980 a.a.O. S. 295, wonach der Inhaber eines landwirtschaftlichen Erwerbsbetriebs gegenüber einem Teilnehmer, der seine Flächen verpachtet hat, bei der Masselandvergabe zu bevorzugen ist). Die Zweckbindung des § 54 Abs. 2 FlurbG lässt sich mit einer Zuteilung des streitgegenständlichen Grundstücks an die Beigeladene nicht erreichen. Beachtliche Gründe, die der gesetzlichen Zielsetzung entsprächen, liegen nicht vor.

Der Umstand, dass die Beigeladene beabsichtigt, das Flurstück 1584 landschaftspflegerisch zu nutzen, genügt hierbei nicht. Zwar zählt zu den Zwecken der Flurbereinigung nicht nur die Verbesserung der Agrarstruktur, vielmehr könnte auch die Vornahme landschaftspflegerischer Maßnahmen zur Erhaltung und Schaffung von Streuobstwiesen oder ökologisch wertvoller Flächen hierunter fallen (Hegele in Seehusen/Schwede, Flurbereinigungsgesetz, 7. Aufl. 1997, RdNr. 18 zu § 37 und Schwantag a.a.O. RdNr. 8 zu § 54). Im vorliegenden Fall fehlt neben einem Pflanz- und Pflegekonzept jedenfalls aber die erforderliche rechtliche Absicherung der entsprechenden Zweckbindung (vgl. hierzu Hegele a.a.O. RdNr. 19 zu § 37 und Zillien, Konkrete Möglichkeiten zur Vernetzung von Biotopsystemen, RdL 1991, 309/310). Die von der Beigeladenen nur vage umschriebene landschaftspflegerische Nutzung ist weder im landschaftspflegerischen Begleitplan nach § 41 FlurbG als Festsetzung ausgewiesen, noch ist der angestrebte Zweck etwa durch eine Grunddienstbarkeit zu Gunsten der Allgemeinheit gesichert. Die in dem Schreiben vom 10. August 1998 enthaltene Erklärung der Beigeladenen, das Flurstück 1584 landschaftspflegerisch nutzen und keine erwerbsmäßige landwirtschaftliche Nutzung betreiben zu wollen, ist nur eine formlose Absichtserklärung, aber keine bindende Verpflichtung. In der mündlichen Verhandlung vom 7. Mai 2002 bestätigte die Beigeladene, dass sie sich der mit einer Aufnahme des Flurstücks in den Flurbereinigungsplan als Schutzfläche einhergehenden rechtlichen Belastung nicht habe aussetzen wollen. Auch die Tatsache, dass das Angebot der Beigeladenen erheblich höher als das der Kläger lag, vermag keine andere Entscheidung zu rechtfertigen. Die Annahme der Beklagten, die Einnahme eines höheren Verkaufserlöses würde die Grundlagen der Wirtschaftsbetriebe der Teilnehmer (mittelbar) verbessern, indem der Gewinn eine Senkung der Beiträge der Teilnehmer nach § 19 Abs. 1 FlurbG bewirken würde, ist weder aus dem Gesetz noch aus Verwaltungsrichtlinien ableitbar. Bei dem strittigen Masseland handelt es sich nach Angaben der Beklagten nicht um nach § 47 FlurbG aufgebrachtes Land, sondern um im Rahmen von Abfindungsvereinbarungen nach § 52 FlurbG erworbene und nicht zur Abfindung benötigte Flächen. Gemäß Nr. 6.6.4 der Finanzierungsrichtlinien Ländliche Entwicklung - FinR-LE des Bayerischen Staatsministeriums für Landwirtschaft und Forsten (Bekanntmachung vom 01.02.1993 Nr. E5-7554-300) - sind die Erlöse, die der Teilnehmergemeinschaft durch Landzwischenerwerb erwachsen, i.d.R. als abzusetzende Einnahmen bei der Teilnehmergemeinschaft zu verbuchen, kommen dieser also nicht zugute. Aus den vorliegenden Finanzierungsunterlagen ergeben sich keine Anhalte, dass im Verfahren F. anders vorgegangen worden wäre.

Angesichts fehlender Voraussetzungen einer Zuteilung des neuen Flurstücks 1584 an die Beigeladene kommt hier allein eine Vergabe des strittigen Flurstücks an die Kläger als ermessensgerechte Entscheidung in Betracht. Die Vergabe des Masselandgrundstücks an die Kläger als einzige Mitbewerber ist agrarstrukturell nicht nur vertretbar, sondern nach Lage der Dinge eindeutig angezeigt. Die Kläger sind Landwirte und führen einen Vollerwerbsbetrieb. Nach dem Eindruck, den der Senat gewinnen konnte, erstreben sie einen in der Zukunft abgesicherten Fortbestand ihres Betriebes. Bei den Klägern treffen die Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 FlurbG zu. Durch die Zuweisung des Masselandes werden die landwirtschaftlichen Nutzflächen des klägerischen Betriebs sowohl sinnvoll aufgestockt als auch arrondiert. Der Senat ist aufgrund der an Ort und Stelle erlangten Erkenntnisse zur Überzeugung gelangt, dass die Zuteilung an die Kläger dem Zweck der Flurbereinigung voll entspricht, zumal das Flurstück 1584 zur Hälfte zwischen den Abfindungsflurstücken der Kläger im E.-bacher Feld liegt und auch überwiegend Teil ihrer Einlage war.

Das Angebot der Kläger ist angemessen. Es liegt über dem von der Teilnehmergemeinschaft angesetzten Mindestpreis von 2 DM pro WVZ und steht damit im Einklang mit Nr. 6.6.3 Absatz 1 der Finanzierungsrichtlinien, wonach mindestens Kostendeckung anzustreben ist.

Der Umstand, dass die Kläger ihr Angebot erst nach der von der Beklagten gesetzten Frist abgegeben hatten, steht der Ermessensausübung zu Gunsten der Kläger nicht entgegen. Aufgrund der besonderen Umstände dieses Einzelfalls führte die Fristüberschreitung hier nicht zum Ausschluss der Kläger bei der Vergabeentscheidung. Diese Frage des Vergabeverfahrens nach § 54 Abs. 2 FlurbG ist weder durch Gesetz noch durch Richtlinien geregelt. Das Flurbereinigungsgesetz enthält in § 109 ff. ("Allgemeine Verfahrensvorschriften") keine besonderen Vorschriften über die Form dieses Verfahrens. Folglich greift Art. 10 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz - BayVwVfG - ein, wonach es einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen ist. Die Richtlinie des Bayerischen Staatsministeriums für Landwirtschaft und Forsten vom 26. Januar 1981 (Nr. N2a-5637/36) betreffend die Zuteilung von Land der Teilnehmergemeinschaften enthält - unabhängig von der Frage ihrer Geltungsdauer - zwar die Vorgabe, dass die interessierten Landwirte aufzufordern seien, in einem verschlossenen Umschlag ein schriftliches Angebot bis zu einem bestimmten Termin an den Vorsitzenden der Teilnehmergemeinschaft bei der Flurbereinigungsdirektion zu senden, aber keine Vollzugshinweise zur Behandlung verspäteter Angebote. Auch die Teilnehmergemeinschaft selbst traf keine entsprechenden Regelungen (zur Selbstbindung der Flurbereinigungsbehörde vgl. OVG RhPf a.a.O.). Der Hinweis im Info-Schreiben der Beklagten, dass nach Eingang der Kaufanträge der Vorstand über die Zuteilung entscheiden, werde, kann entweder dahingehend ausgelegt werden, dass die Teilnehmergemeinschaft zusagen wollte, nicht vor dem Ablauf der Abgabefrist über die Vergabe zu entscheiden, so dass auch Angebote, die nach Ablauf der Frist, aber vor dem Sitzungstermin des Vorstands eingingen, noch zu berücksichtigen gewesen wären, oder dass die Teilnehmergemeinschaft sich selbst binden wollte, Angebote, die erst nach Ablauf der Abgabefrist eingingen, von der Auswahlentscheidung auszuschließen. Diese Frage braucht indes nicht entschieden zu werden, da die Überschreitung der Abgabefrist aufgrund der besonderen Umstände dieses Einzelfalls nicht zum Ausschluss geführt hat. Selbst wenn man hier von einer behördlichen Ausschlussfrist ausginge, durfte sich die Beklagte auf die Fristversäumung nicht berufen, weil die abgelaufene Frist gemäß Art. 31 Abs. 7 BayVwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu verlängern gewesen wäre. Diese Vorschrift, die auch im Flurbereinigungsverfahren gilt (vgl. Schoof in Seehusen/Schwede, FlurbG, 7. Auflage 1997, RdNr. 1 zu § 115), greift hier ein, weil es aus sachlichen Gründen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 2000, RdNr. 42 zu § 31) unvertretbar gewesen wäre, die durch den Fristablauf eingetretene Rechtsfolge bestehen zu lassen. Da das Vergabeverfahren nach § 54 Abs. 2 FlurbG darauf abzielt, ein übrig gebliebenes Flurstück in einer dem Zweck der Flurbereinigung entsprechenden Weise zu verwenden, darf eine Teilnehmergemeinschaft das Masseland einem Bewerber, bei dem die Zweckerreichung nicht gesichert ist, grundsätzlich jedenfalls dann nicht zuteilen, wenn zum Zeitpunkt der Vergabe ein anderer, geeigneter Bewerber vorhanden ist. Folglich wäre das Angebot der Kläger bei der Vergabe zu berücksichtigen und ihnen der Zuschlag zu erteilen gewesen.