Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 04.06.1980 - 9 C 3/79 = RdL 1980 S. 293
Aktenzeichen | 9 C 3/79 | Entscheidung | Urteil | Datum | 04.06.1980 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Koblenz | Veröffentlichungen | = RdL 1980 S. 293 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Hat die Flurbereinigungsbehörde für die Masselandverteilung allgemeine Bestimmungen getroffen und öffentlich bekanntgegeben, so ist sie bei ihrer Entscheidung über die Masselandvergabe im Einzelfall daran gebunden. |
2. | Als Anlieger eines Massegrundstückes genießt der Nebenerwerbslandwirt den Vorzug gegenüber dem Teilnehmer, der seinen landwirtschaftlichen Grundbesitz verpachtet hat. |
3. | Das Flurbereinigungsgericht darf das ihm eingeräumte Gestaltungsermessen anstelle der Behörde nur dann ausüben, wenn sich eine Regelung des Flurbereinigungsplanes - hier: Zuteilung des Masselandes - als rechtswidrig erweist. |
Aus den Gründen
Die Flurbereinigungsbehörde ist im Rahmen ihrer gesetzlichen Ermächtigung nach § 54 Absatz 2 Satz 1 FlurbG befugt, für die jeweilige Flurbereinigung allgemeine Bestimmungen über das Antrags- und Auswahlverfahren bei der Landvergabe zu treffen, um dadurch das Restmasseland in angemessener Zeit unter Abwägung der für die Landvergabe maßgeblichen Umstände einer zweckmäßigen Verwendung zuführen zu können. Das von der Behörde verfügte Verfahren kann sich in der Aufforderung an interessierte Landbewerber, Angebote abzugeben, und in der Festsetzung einer Angebotsfrist erschöpfen. Es kann aber darüber hinaus - wie im vorliegenden Falle - auch darin bestehen, daß bereits mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe Festsetzungen getroffen werden, die mit der - zukünftigen - konkreten Ermessensentscheidung der Behörde unmittelbar in sachlichem Zusammenhang stehen. So verhält es sich zum Beispiel mit der in der öffentlichen Bekanntmachung der Flurbereinigungsbehörde vom 23. März 1977 getroffenen Bestimmung, daß alle nicht am Flurbereinigungsverfahren beteiligten Personen von der Landzuteilung ausgeschlossen sind. Mit ihr legt sich die Flurbereinigungsbehörde durch eine allgemeine Regelung in der Weise fest, daß sie sie von vornherein für die noch zu treffenden einzelnen Ermessensentscheidungen für maßgeblich erklärt. Unter Beachtung des Gleichheitsgebotes (Artikel 3 GG) ist sie bei der jeweiligen späteren Einzelfallentscheidung an diese ihre - vorweggenommene - allgemeine Regelung gebunden (Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung bei Ermessensentscheidungen; vergleiche hierzu Wolff-Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Auflage, Seite 119 und 201 mit weiteren Nachweisen). Nichts anderes gilt für die hier strittige Bestimmung in der öffentlichen Bekanntmachung der Flurbereinigungsbehörde vom 23. März 1977, wonach schriftliche Angebote in einem verschlossenen Umschlag mit der Aufschrift Verkauf der Teilnehmergrundstücke bis spätestens 20. April 1977 an das Kulturamt einzureichen sind. Diese Festsetzung kann in Verbindung mit dem weiteren Hinweis in der öffentlichen Bekanntmachung, daß der Zuschlag durch die Flurbereinigungsbehörde erfolge und die Landbewerber über das Ergebnis der Angebotseröffnung Nachricht erhalten, bei verständiger Würdigung nur so ausgelegt werden, daß gerade auch die Höhe des Angebots für die bei der Landvergabe zu treffende Ermessensentscheidung maßgeblich sein kann. Der Sinn der Bestimmung, daß das Angebot in einem verschlossenen Briefumschlag mit besonderer äußerer Kennzeichnung einzureichen ist, muß daher darin gesehen werden, mißbräuchliche Handhabungen bei der Durchführung des Angebotsverfahrens bis zu dem Ablauf der behördlich gesetzten Angebotsfrist möglichst auszuschließen. Unstreitig ist diese Bestimmung im Zuteilungsverfahren nicht beachtet worden. Sowohl der Kläger wie auch die Beigeladenen zu 2) haben ihre Briefumschläge nicht besonders gekennzeichnet, so daß ihre Angebote bereits am 18. beziehungsweise 19. April 1977 nach Eingang bei der Flurbereinigungsbehörde und demnach schon vor Ablauf der Angebotsfrist geöffnet worden sind. Es braucht hier nicht die Frage beantwortet zu werden, ob die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift unbeachtlich ist, da sie auf das eigene Verhalten der Landbewerber zurückgeführt werden muß. Nach Auffassung des Senats ist die Nichtbeachtung der genannten Verfahrensbestimmung für die im vorliegenden Falle vorgenommene Masselandzuteilung an die Beigeladenen zu 2) nämlich schon deshalb rechtlich unerheblich, weil die Ermessensentscheidung des Beklagten auf diesem Verfahrensmangel nicht beruhen kann. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen.
Die Höhe des Angebots im Zuteilungsverfahren nach § 54 Absatz 2 FlurbG hat nicht die Bedeutung wie bei einer Versteigerung. Bei der Vergabe von Masseland an interessierte Landbewerber sind in erster Linie die in den § 1 und § 37 Absatz 2 FlurbG genannten Zielsetzungen zu beachten. Das schließt nicht aus, für die Zuteilung eines Massegrundstücks eine Geldleistung zu verlangen, die den Landverlust der Teilnehmer angemessen ausgleicht. In der Regel wird dieser angemessene Geldausgleich bereits bei der Festsetzung des jeweiligen Mindestgebotes berücksichtigt. Ein darüber hinausgehendes Angebot kann daher nur dann für die zu treffende Ermessensentscheidung Bedeutung haben, wenn mit der Vergabe eines Massegrundstückes (zum Beispiel Bauland) agrarstrukturelle Zielsetzungen gar nicht erreicht werden können oder wenn der genannte Zweck zwar erfüllt werden kann, bei zwei oder mehreren Landbewerbern jedoch die gleichen oder im wesentlichen gleich zu bewertenden Voraussetzungen vorliegen. Nur in diesem Sinne können die in der öffentlichen Bekanntmachung der Flurbereinigungsbehörde getroffenen Bestimmungen über die Abgabe von Angeboten verstanden werden, zumal dort in keiner Weise angedeutet wird, daß die Zuteilung nur nach Höchstgebot vorgenommen werden soll. Tatsächlich haben auch die Flurbereinigungsbehörde und die Spruchstelle für Flurbereinigung der Frage des Höchstgebotes keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Die Spruchstelle für Flurbereinigung, die die Vergabeentscheidung gemäß § 68 Absatz 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 138 Absatz 1 FlurbG auch im Hinblick auf ihre Zweckmäßigkeit nachvollzogen hat, hebt in den Gründen ihres Widerspruchsbescheides überhaupt nicht auf die Höhe des Angebotes, sondern ausschließlich darauf ab, daß die Zuteilung des Masseflurstückes Flur 3 Nummer 68 dem Zweck der Flurbereinigung entspreche. Die Nichtbeachtung der Verfahrensbestimmung über die Abgabe und Eröffnung des Gebotes an sich kann somit die Rechtswidrigkeit der Masselandzuteilung im vorliegenden Falle nicht nach sich ziehen.
Das im vorliegenden Falle bestehende Konkurrenzverhältnis der Landbewerber hat der Beklagte ebenfalls in sachgerechter Weise beurteilt. Wenn den Beigeladenen zu 2) bei der Landzuteilung als Anlieger der Vorzug gegenüber dem Kläger gegeben wurde, weil sie einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb innehaben, während der Kläger seinen Grundbesitz verpachtet hat, so deckt sich dies mit den weiteren in § 37 Absatz 1 FlurbG genannten Zielsetzungen. Nach § 37 Absatz 1 Satz 2 FlurbG sind - neben namentlich genannten Verbesserungen - alle sonstigen Maßnahmen zu treffen, durch die die Grundlagen der Wirtschaftsbetriebe verbessert, der Arbeitsaufwand vermindert und die Bewirtschaftung erleichtert werden. Diese gesetzlich umschriebene Zielsetzung rechtfertigt es, einen Nebenerwerbslandwirt gegenüber einem Teilnehmer, der seinen landwirtschaftlichen Grundbesitz verpachtet hat, bei der Masselandvergabe zu bevorzugen.
Erweist sich somit die Zuteilung des Massegrundstückes als rechtmäßig, so können auch die Verpflichtungsanträge - neben der Anfechtungsklage - nicht zum Erfolge führen. Wie bereits ausgeführt, charakterisiert sich die Zuteilung von Masseland nach § 54 Absatz 2 FlurbG als eine behördliche Ermessensentscheidung. Ein Anspruch auf Zuteilung von Masseland besteht daher nur dann, wenn sich der gesetzlich eingeräumte Ermessensspielraum aufgrund besonderer Umstände auf nur eine bestimmte Entscheidungsmöglichkeit beschränkt (sogenannte Ermessensschrumpfung). Das ist hier nicht der Fall. Der Senat sieht sich auch daran gehindert, gemäß § 146 Nummer 2 FlurbG selbst in Ermessenserwägungen einzutreten. Diese Bestimmung ermächtigt das Flurbereinigungsgericht zwar bei der Anfechtung des Flurbereinigungsplanes, auch die Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes, das heißt die Ermessensausübung im Einzelfall in vollem Umfange zu prüfen. Diese Befugnis ist jedoch nur für den Fall eingeräumt, daß die Anfechtungsklage wegen Rechtswidrigkeit des angegriffenen Flurbereinigungsplanes zum Erfolge führt (vergleiche BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1978 - V C 16.76 - als Leitsatz in DÖV 1979, Seite 836). Denn die erweiterte Ermessenskontrolle nach § 146 Nummer 2 FlurbG hat den Zweck, Zurückverweisungen von Rechtssachen an die Obere Flurbereinigungsbehörde (vergleiche § 144 FlurbG) zu vermeiden, die bei der alleinigen Geltung des § 114 VwGO durch das Gericht ausgesprochen werden müßten. Sie stellt sich demnach als ein Hilfsmittel zur Verfahrensbeschleunigung dar. Nicht hingegen hat sie den Zweck, dem Gericht schlechthin eine volle Ermessensausübung zu ermöglichen. Im vorliegenden Falle bedeutet dies, daß dem Gericht die erweiterte Ermessenskontrolle verwehrt ist, da die Rechtmäßigkeit der Masselandzuteilung im Flurbereinigungsplan bejaht werden muß. Anders wäre es nur im Falle der Rechtswidrigkeit dieser Planregelung; dann wäre die Ermessensausübung durch das Gericht selbst gestattet.