Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 13.02.1974 - III F 161/71 = RdL 74 S. 185

Aktenzeichen III F 161/71 Entscheidung Urteil Datum 13.02.1974
Gericht Flurbereinigungsgericht Kassel Veröffentlichungen RdL 74 S. 185  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Zur Frage der Bedeutung eines in einem Flurbereinigungsrechtsstreit bzgl. eines sog. Massegrundstücks vergleichsweise eingeräumten Vorkaufsrechtes.
2. Die Zweckmäßigkeit der Entscheidung der Flurbereinigungsbehörde bei der Verteilung von Masseland ist unter Anwendung des § 146 Nr. 2 FlurbG in vollem Umfang zu überprüfen.

Aus den Gründen

Der Kläger hat nämlich keinen Anspruch auf Zuteilung des Grundstücks Flur 5 Nr. 66 an sich zum Preis von 85.-- DM je Werteinheit. Einen derartigen Anspruch kann der Kläger nicht aus dem auf Vorschlag des Gerichts in dem Rechtsstreit F III 98/66 geschlossenen außergerichtlichen Vergleich herleiten. Zwar enthält Ziffer 1 Satz 2 des Vergleichs die Formulierung, daß die Teilnehmergemeinschaft dem damaligen (und auch jetzigen) Kläger das Vorkaufsrecht an dem Grundstück Flur 5 Nr. 66 einräumt. Bei Abschluß des Vergleichs stand jedoch fest, daß das Grundstück Flur 5 Nr. 66 nach Abgabe durch den Kläger zur Abfindung der Teilnehmer nicht mehr benötigt würde, denn in diesem Zeitpunkt standen alle Abfindungen im Flurbereinigungsverfahren U., außer der des Klägers, rechtskräftig fest. Infolgedessen war das Grundstück gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 FlurbG in einer dem Zwecke der Flurbereinigung entsprechenden Weise oder für Siedlungszwecke zu verwerten und nach § 54 Abs. 2 Satz 2 FlurbG mit dem Flurbereinigungsplan zu übereignen. Eine Veräußerung des Grundstücks gemäß § 433 BGB kam deshalb nicht in Betracht. Mit der im Vergleich vorgenommenen Formulierung, daß "ein Vorkaufsrecht" eingeräumt werde, konnte deshalb schon das in §§ 504 ff., §§ 1094 ff. BGB geregelte dingliche Vorkaufsrecht nicht wirksam für den Kläger begründet werden. Darüber hinaus hätte die Bewilligung eines dinglichen Vorkaufsrechtes, weil es sich um die Bewilligung eines Rechtes an einem Grundstück handelte, nach § 313 BGB der Form der gerichtlichen und notariellen Beurkundung bedurft. Diesem Formerfordernis entspricht die Form des vorliegenden außergerichtlichen Vergleichs aber nicht.

Nach Auffassung des Senats sollte dem Kläger kein Vorkaufsrecht gemäß §§ 504, ff., 1094 ff. BGB eingeräumt werden. Im Vergleich, der den öffentlich-rechtlichen Flurbereinigungsstreit beendete, haben die Beteiligten vielmehr nach ihrem übereinstimmenden Willen eine öffentlich-rechtliche Zusicherung vereinbart. Deren Inhalt geht dahin, daß der Kläger bevorzugt berücksichtigt werden muß, falls das Grundstück Flur 5 Nr. 66 im Verfahren nach § 54 Abs. 2 FlurbG gegen Höchstgebot zugeteilt werden sollte und der Kläger in das Höchstgebot eintritt. Aus dem Vergleich heraus hat dieser keinen Anspruch darauf, daß ihm das Grundstück Flur 5 Nr. 66 zu einem Preis von 85.-- DM / WE zugeteilt wird. Entsprechend dem von der Flurbereinigungsbehörde festgelegten und nicht zu beanstandenden Verfahren für die Verteilung der Massegrundstücke hatten sich der Teilnehmer F. und der Beigeladene M. um den Erwerb des Grundstücks Flur 5 Nr. 66 beworben. Demnach konnte der Kläger die Zuteilung des Grundstücks an sich nur zu den von den Beigeladenen M. gebotenen Bedingungen, nämlich zu einem Preis von 5 200.-- DM beanspruchen. Dem entspricht das Angebot des Klägers, denn er fordert die Zuteilung des Grundstücks Flur 5 Nr. 66 an sich zu einem Preis von 85.-- DM / WE, das sind insgesamt nur 4 080.- - DM.

Der Antrag des Klägers auf Zuweisung des Grundstücks Flur 5 Nr. 66 an ihn zum kapitalisierten Schätzungswert kann auch nicht auf § 54 Abs. 2 FlurbG gestützt werden, denn die Zuteilung des Grundstücks an die Beigeladenen M. stellt keine Verletzung des § 54 Abs. 2 FlurbG dar. Nach dieser Bestimmung ist das infolge von Geldabfindungen und nach § 46 FlurbG zur Abfindung der Teilnehmer nicht benötigte Land in einer dem Zweck der Flurbereinigung entsprechenden Weise oder für Siedlungszwecke zu verwenden. Durch den Flurbereinigungsplan wird (dabei) bestimmt, wem das Land zu Eigentum zugeteilt wird. Diesem gesetzlichen Gebot hat die Flurbereinigungsbehörde entsprochen. Es steht zunächst einmal fest, daß es sich bei dem Grundstück Flur 5 Nr. 66 um Land handelt, das nicht mehr zur Abfindung der Teilnehmer benötigt wird. Das Grundstück ist mit seiner Zuteilung an die beigeladenen Eheleute M. sodann auch in einer dem Zwecke der Flurbereinigung entsprechenden Weise verwandt worden. Der Zweck der Flurbereinigung liegt gemäß § 1 FlurbG in der Förderung der landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Erzeugung und der allgemeinen Landeskultur. Die vom Gesetzgeber zur Erreichung dieses Zieles für erforderlich gehaltenen Maßnahmen sind im wesentlichen in § 37 Abs. 1 FlurbG näher bezeichnet. Dazu gehört u.a. die Pflicht zur Schaffung gemeinschaftlicher Anlagen, zur Auflockerung der Ortslage und zur Anordnung sonstiger Maßnahmen, durch welche die Grundlagen der Wirtschaftsbetriebe verbessert und die Bewirtschaftung erleichtert wird. Eine derartige Maßnahme bedeutet die Zuteilung des Massegrundstücks Flur 5 Nr. 66 an die Beigeladenen M., denn ihr bis dahin nur rd. 3,5 ha großer Wirtschaftsbetrieb ist mit dem 1,9384 ha großen Massegrundstück erheblich aufgestockt und die wirtschaftliche Grundlage des Betriebes wesentlich gestärkt und verbessert worden. Der 4,26 ha große Betrieb des Klägers gehört zwar ebenfalls zu denjenigen Betrieben, die mit einer Aufstockung um nahezu 2 ha in ihrer Grundlage zu verbessern gewesen wären. Die Entscheidung darüber, welcher Bewerber bei der Verteilung des Massegrundstücks Flur 5 Nr. 66 zu berücksichtigen war, stand aber im pflichtmäßigen Ermessen der Flurbereinigungsbehörde, die dabei sowohl betriebswirtschaftliche als auch soziale Gesichtspunkte der sich um das Masseland bewerbenden Teilnehmer sowie die wirtschaftlichen Interessen der Teilnehmergemeinschaft und damit der Gesamtheit der Teilnehmer abzuwägen hatte. Die Flurbereinigungsbehörde hat im Rahmen des ihr eingeräumten pflichtmäßigen Ermessen gehandelt.

Sie hat, indem sie das Massegrundstück Flur 5 Nr. 66 dem Beigeladenen M. und nicht dem Kläger zuteilte, in zweckmäßiger Weise von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht. Die Zweckmäßigkeit der Entscheidung der Flurbereinigungsbehörde bei der Verteilung von Masseland ist unter Anwendung des § 146 Nr. 2 FlurbG in vollem Umfang zu überprüfen. Die vom Senat zuletzt in seinem Urteil vom 15.12.1971 - III F 31/68 - vertretene Ansicht, daß in Fällen wie dem vorliegenden (Verteilung von Masseland) § 146 Nr. 2 FlurbG nicht anzuwenden sei, das Flurbereinigungsgericht die angefochtenen Verwaltungsakte infolgedessen nicht zugleich auf ihre Zweckmäßigkeit nachzuprüfen habe und diese Verwaltungsakte daher auch nicht aus Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit aufheben oder ändern dürfe, wird nicht aufrechterhalten. Die Fälle des § 54 Abs. 2 FlurbG gehören nämlich zu denjenigen des § 59 Abs. 2 FlurbG, auf die § 146 FlurbG anzuwenden ist. Denn in § 59 Abs. 2 FlurbG sind die Beschwerden gegen den Flurbereinigungsplan und nicht nur die Beschwerden gegen die eigene Abfindung, wovon im angezogenen Urteil vom 15.12.1971 ausgegangen ist, angesprochen. Um einen derartigen Fall der Beschwerde gegen den Flurbereinigungsplan handelt es sich aber vorliegend bei der Anfechtung der Verteilung des Masselandes. Diese Masselandverteilung stellt eine Maßnahme des Flurbereinigungsverfahrens dar, die durch Festsetzung im Flurbereinigungsplan gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 FlurbG zu erfolgen hat. Dort heißt es wörtlich, daß "durch den Flurbereinigungsplan bestimmt wird, wem das Land zu Eigentum zugeteilt wird". Dabei kann es auch keinen Unterschied machen, ob es sich bei den das Masseland verteilenden Festsetzungen des Flurbereinigungsplanes um solche handelt, die von Anfang an im Flurbereinigungsplan enthalten waren oder - wie hier - erst später mit einem Nachtrag zum Flurbereinigungsplan Bestandteil des Planes geworden sind. Eine dahingehende Unterscheidung kommt im Gesetz nicht zum Ausdruck. Schließlich kann dem allein das Masseland verteilenden Nachtrag zum Flurbereinigungsplan auch nicht deshalb die Qualifikation als Flurbereinigungsplan abgesprochen werden, weil die in ihn aufgenommenen Festsetzungen keine eine Abfindung regelnde Veränderung des Flurbereinigungsplanes darstellen. Es kann vorliegend zwar dahinstehen, ob die Zuteilung von Masseland an einen Teilnehmer am Flurbereinigungsverfahren nicht für diesen Teilnehmer zugleich auch eine seine Abfindung verändernde Festsetzung beinhaltet, und das Masseland mit der Zuteilung Teil der Abfindung wird. Auf jeden Fall ist aber die Masselandverteilung auch dann, wenn sie keine Abfindung eines Teilnehmers verändernde Maßnahme darstellen sollte - ebenso wie beispielsweise der Wege- und Gewässerplan - ein Ergebnis des Flurbereinigungsverfahrens, das auch ohne Teil einer Abfindung sein zu müssen, gemäß § 58 FlurbG in den Flurbereinigungsplan aufzunehmen ist.

Darüber hinaus muß auch unter Berücksichtigung der bisher bekannten Rechtsprechung anderer Gerichte die Überprüfung der Masselandverteilung auf ihre Zweckmäßigkeit nach § 146 Nr. 2 FlurbG als zulässig erachtet werden. Eine andere Auslegung des § 146 FlurbG kann nicht aus dem Beschluß des BVerwG v. 13.2.1956 - BVerwG I B 57.55 in RdL 1956, 158 und ebenfalls nicht aus dem Urteil des OVG Koblenz vom 13.12.1972 - 3 C 34/72 (nicht veröffentlicht) hergeleitet werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage, ob in einem Falle wie dem vorliegenden nur die Rechtmäßigkeit oder auch die Zweckmäßigkeit der Masselandverteilung vom Flurbereinigungsgericht zu prüfen sei, nicht untersucht und demgemäß zu dieser Frage auch keine Stellung genommen. In dem Beschluß wird lediglich zum Ausdruck gebracht, daß ein Teilnehmer keinen Anspruch auf Zuteilung von Masseland hat. Das OVG Koblenz hat zwar in seinem Urteil vom 13.12.1972 in einem Satz erklärt, es komme bei einer Anfechtung der Masselandverteilung darauf an, zu prüfen, ob die Flurbereinigungsbehörde ermessensfehlerfrei gehandelt habe. Diese Aussage allein ohne weitere Begründung rechtfertigt den dem Urteil vorangestellten Leitsatz Nr. 2, wonach "die Verteilung (von Masseland) von den Flurbereinigungsgerichten nur daraufhin überprüft werden kann, ob Ermessensfehler vorliegen", nicht, wenn dennoch - wie es in dem Urteil geschehen ist - eine eingehende Überprüfung der dort zu beurteilenden Masselandverteilung nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten erfolgt ist.