Flurbereinigungsgericht Mannheim, Urteil vom 19.10.2022 - 7 S 2478/20 (Lieferung 2023)
Aktenzeichen | 7 S 2478/20 | Entscheidung | Urteil | Datum | 19.10.2022 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Mannheim | Veröffentlichungen | Lieferung | 2023 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Klage auf Abgabe einer Löschungsbewilligung durch die Teilnehmergemeinschaft ist eine allgemeine Leistungsklage (red. LS). |
2. | Richtige Beklagte für die Abgabe einer begehrten Bewilligung zur Löschung eines Verfügungsverbots ist die Teilnehmergemeinschaft. (red. LS). |
3. | Ist zum Zeitpunkt der Verzichtserklärung für das Verzichtsgrundstück ein Zwangsversteigerungsvermerk im Grundbuch eingetragen, handelt der verzichtende Eigentümer als Nichtberechtigter. (red. LS). |
4. | Die Verzichtserklärung wird mit Einwilligung (§ 185 Abs. 1 BGB) oder Genehmigung der Gläubiger wirksam (§ 185 Abs. 2 S. 1 BGB) oder wenn der Verfügende seine Verfügungsbefugnis nach Löschung des Zwangsversteigerungsvermerk wiedererlangt (§ 185 Abs. 2 S. 2 BGB). (red. LS). |
5. | Mit dem Abfindungsverzicht entsteht sogenanntes Masseland, das nach § 54 Abs. 2 FlurbG für Zwecke der Flurbereinigung verwendet werden muss. Darauf, ob dies einmal der Fall sein wird, kommt es für die Wirksamkeit des Verzichts nicht an. (red. LS). |
6. | Zu den Zwecken der Flurbereinigung zählt auch die Förderung der allgemeinen Landeskultur mit den in den §§ 37, 39 und 40 FlurbG näher umschriebenen weitreichenden Gestaltungsmöglichkeiten. (red. LS). |
Aus den Gründen
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der beklagten Teilnehmergemeinschaft die Bewilligung der Löschung eines Verfügungsverbots.
Der Vater des Klägers war unter der Ordnungsnummer 7xx Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens S., das durch unanfechtbaren Beschluss vom xx.xx.1983 angeordnet wurde. Er brachte neun Flurstücke mit insgesamt rund 7 ha in das Flurbereinigungsverfahren ein. Zur Abwehr einer drohenden Zwangsvollstreckung in die Grundstücke verkaufte er das Waldgrundstück Flst. Nr. xxxx an den Staatsforst und erklärte am xx.xx.1990 mit Blick auf das Grundstück Flst. Nr. xxxx seine Zustimmung zur Abfindung in Geld zugunsten der Teilnehmergemeinschaft. Im Grundbuch war zu diesem Zeitpunkt ein Zwangsversteigerungsvermerk zu Lasten des Grundstücks Flst. Nr. xxxx sowie weiterer Grundstücke eingetragen. Der Vermerk wurde am xx.xx.1990 gelöscht. Als Abfindung für das Grundstück Flst. Nr. xxxx wurde ein Betrag von 80.000 DM festgelegt. Am xx.xx.1990 wurde für dieses Grundstück ein Verfügungsverbot nach § 52 Abs. 3 FlurbG zugunsten der Teilnehmergemeinschaft der Flurbereinigung im Grundbuch eingetragen.
Es war vorgesehen, das Grundstück Flst. Nr. xxxx für Naturschutzzwecke zu verwenden. Dadurch konnte der Erwerb mit 70 % bezuschusst werden. Des Weiteren war vorgesehen, das Grundstück im noch aufzustellenden Flurbereinigungsplan der Gemeinde zu übertragen. Wegen dieser beabsichtigten Zuteilung überließ die Teilnehmergemeinschaft der Gemeinde das Grundstück zur Nutzung.
Mit dem am xx.xx.1999 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan „S.", der eine Grünfläche mit besonderer Zweckbestimmung (“…”) festsetzt, überplante die Gemeinde S. das Grundstück. Der Bebauungsplan ist nach seiner ortsüblichen Bekanntmachung am xx.xx.1999 in Kraft getreten.
Am xx.xx.2020 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er könne verlangen, dass das Verfügungsverbot gelöscht werde, weil die Voraussetzungen für dessen Eintragung nicht vorgelegen hätten. Sein Vater sei wegen der angeordneten Zwangsversteigerung nicht berechtigt gewesen, der Geldabfindung anstelle der Landabfindung zuzustimmen. Das Grundstück Flst. Nr. xxxx sei für die Flurbereinigung nicht von maßgeblicher Bedeutung und hätte daher nicht im Flurbereinigungsverfahren auf die Gemeinde S. übertragen werden dürfen. Die Abwicklung des Eigentumsübergangs über das Flurbereinigungsverfahren sei nur deshalb gewählt worden, weil der Gemeinde die finanziellen Mittel zum Kauf gefehlt hätten. Das eingetragene Verfügungsverbot habe nicht dem Zweck der Flurbereinigung gedient, sondern dazu, der Gemeinde das Grundstück zukommen zu lassen. Daher sei die Zustimmung seines Vaters zur Abfindung in Geld nicht wirksam.
Das Grundstück sei der Gemeinde schon übertragen worden, obwohl sie noch nicht wirtschaftlicher Eigentümer sei. Die Gemeinde habe das Grundstück über plant, den ursprünglichen Verwendungszweck (Naturschutzmaßnahme) geändert (“…") und sich somit als Eigentümer „aufgespielt". Es wäre somit nicht angemessen, die Teilnehmergemeinschaft als Berechtigte anzusehen.
Er bestreite, dass die in der Zustimmung seines Vaters zur Abfindung in Geld vorgesehenen 80.000 DM tatsächlich geleistet worden seien, und gehe nicht davon aus, dass Schulden seiner Eltern in beachtlichem Umfang getilgt worden seien. Er habe Belastungen des Grundstücks Flst. Nr. xxxx in erheblichem Umfang ablösen müssen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, gegenüber dem Grundbuchamt A. die Löschung des im Grundbuch Nr. xxxx zu ihren Gunsten und zulasten des Grundstücks Flst. Nr. xxxx der Gemarkung S. eingetragenen Verfügungsverbots zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, es lägen keine Gründe für die Aufhebung der Verzichtserklärung vor. Der Abfindungsverzicht sei wirksam. Das gelte auch dann, wenn die Gemeinde die Fläche erhalten sollte. Der Verzicht habe keine Zweckbestimmung gehabt, sodass es unerheblich sei, dass das Grundstück nicht mehr für Naturschutzmaßnahmen, sondern für eine Erholungsmaßnahme (“…") verwendet werden solle. Als Förderung der allgemeinen Landeskultur und Landentwicklung entspreche auch diese Verwendung dem Zweck der Flurbereinigung.
Dass der Abfindungsbetrag tatsächlich wie beabsichtigt verwendet worden sei, ergebe sich auch aus einem Grundbuchvergleich. Grundschulden, die noch im Grundbuch Nr. xxx vorhanden gewesen seien, seien bei dessen Übertragung auf das neue Grundbuch Nr. xxxx für das Grundstück Flst. Nr. xxxx im August 1990, also unmittelbar nach dem Abfindungsverzicht, nicht mehr eingetragen gewesen.
…
Entscheidungsgründe
…
A. Die Klage ist zulässig.
I. Sie ist als allgemeine Leistungsklage statthaft, denn sie ist auf ein tatsächli ches Handeln der Beklagten - die Abgabe einer Löschungsbewilligung - gerichtet. Dieses Handeln setzt nicht voraus, dass zuvor ein Verwaltungsakt ergeht, mit der.Folge, dass die Verpflichtungsklage statthaft wäre
…
III. Die Teilnehmergemeinschaft ist die richtige Beklagte, da der Verzicht auf Landabfindung zu ihren Gunsten erfolgte und zu ihren Gunsten ein Verfügungsverbot ins Grundbuch eingetragen wurde. Sie ist daher auch zuständig für die Abgabe einer Löschungsbewilligung.
B. Die Klage ist jedoch nicht begründet.
…
1. Nach § 52 Abs. 3 Satz 1 FlurbG entsteht das Verbot, ein Grundstück nicht mehr zu veräußern oder zu belasten (Verfügungsverbot), wenn die Zustimmung eines Teilnehmers zur Geldabfindung anstelle der Landabfindung unwiderruflich geworden ist.
a) Rechtsgrundlage einer solchen Zustimmung ist § 52 Abs. 1 und 2 Satz 1 FlurbG. … Der Vater des Klägers hat in der Verhandlung beim Flurbereinigungsamt O. am xx.xx.1990 zugestimmt, dass zugunsten der Teilnehmergemeinschaft für das Grundstück Flst. Nr. xxxx anstelle der Landabfindung eine Geldabfindung in Höhe von 80.000 DM gewährt wird. Die Zustimmung erfolgte schriftlich, denn sie ist in der vom Vater des Klägers unterschriebenen Verhandlungsniederschrift enthalten.
b) Entgegen der erstmals in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht des Klägers scheitert die Wirksamkeit der Zustimmung zur Geldabfindung für das Grundstück Flst. Nr. xxxx nicht daran, dass der Vater des Klägers zu diesem Zeitpunkt nicht befugt war, über das Grundstück zu verfügen, weil über das Grundstück die Zwangsversteigerung angeordnet und im Grundbuch seit dem xx.xx.1984 ein Zwangsversteigerungsvermerk eingetragen war. Denn die Zustimmung ist jedenfalls nachträglich nach § 185 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB wirksam und unwiderruflich geworden.
aa) Zum Zeitpunkt der Zustimmung zur Geldabfindung am xx.xx.1990 verfügte der Vater des Klägers zwar als Nichtberechtigter im Sinne des § 185 BGB über das Grundstück. Denn durch die Anordnung der Zwangsversteigerung wurde das Grundstück zugunsten der Gläubiger beschlagnahmt (§ 20 ZVG). Die Beschlagnahme hatte nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ZVG die Wirkung eines relativen behördlichen Veräußerungsverbots nach § 136 BGB (vgl. …). Dabei handelt es sich nicht nur um ein Veräußerungsverbot, sondern um ein Verfügungsverbot (…). Das Verfügungsverbot hatte zur Folge, dass der Vater des Klägers zwar Eigentümer des Grundstücks Flst. Nr.xxxx blieb, jedoch nicht befugt war, über das Grundstück zu verfügen. Da ihm somit nach Sinn und Zweck des Verbots auch die Befugnis fehlte, der Geldabfindung anstelle der Landabfindung zuzustimmen, handelte er insoweit als Nichtberechtigter.
bb) Die Verfügung ist jedoch jedenfalls nachträglich wirksam geworden.
Die Wirksamkeit einer Verfügung entgegen einem Verfügungsverbot nach § 136 BGB richtet sich - zumindest in entsprechender Anwendung - nach § 185 BGB (vgl. …).
(1) Es kann dahingestellt bleiben, ob am xx.xx.1990 die Einwilligung der Berechtigten, d.h. der Gläubiger, zur Geldabfindung anstelle der Landabfindung vorlag. Diese Einwilligung hätte nach § 185 Abs. 1 BGB zur Folge gehabt, dass die Zustimmung des Vaters des Klägers zur Geldabfindung von Anfang an wirksam gewesen wäre.
…
Einer Entscheidung darüber, ob eine solche Einwilligung ebenfalls vom Schriftformerfordernis umfasst ist, bedarf es jedoch nicht. Denn die Zustimmung zur Abfindung in Geld ist jedenfalls nach § 185 Abs. 2 Satz 1 BGB wirksam geworden.
Nach § 185 Abs. 2 Satz 1 BGB wird die Verfügung eines Nichtberechtigten wirksam, wenn der Berechtigte sie genehmigt oder wenn der Verfügende den Gegenstand erwirbt. Mangels eines entsprechenden Belegs mag zwar auch eine aufgrund obiger Umstände in Betracht kommende Genehmigung der Berechtigten, d.h. der Gläubiger, zweifelhaft sein. Der Vater des Klägers hat jedoch durch die Aufhebung der Zwangsvollstreckung seine Verfügungsbefugnis über das Grundstück Flst. Nr. xxxx wiedererlangt. Der Zwangsversteigerungsvermerk im Grundbuch Nr. xxx wurde am xx.xx.1990 gelöscht; im neuen Grundbuch Nr. xxxxx ist kein Zwangsversteigerungsvermerk mehr enthalten. Durch die Wiedererlangung der Verfügungsbefugnis ist die Zustimmung zur Geldabfindung mit Wirkung ex nunc wirksam geworden (vgl….).
c) Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Zustimmung seines Vaters zur Geldabfindung für das Grundstück Flst. Nr. xxxxx auch nicht deshalb unwirksam, weil beabsichtigt war (und ist), das Grundstück im Flurbereinigungsplan der Gemeinde Sasbachwalden zuzuteilen. Der Verzicht auf die Landabfindung erfolgte zugunsten der Teilnehmergemeinschaft. Dadurch entstand sogenanntes Masseland, das nach § 54 Abs. 2 FlurbG für Zwecke der Flurbereinigung verwendet werden muss. Darauf, ob dies einmal der Fall sein wird, kommt es für die Wirksamkeit des Verzichts nicht an.
Anders verhielte es sich, wenn feststellbar wäre, dass der Verzicht zugunsten der Teilnehmergemeinschaft zum Zeitpunkt der Verzichtserklärung nur vorgeschoben war, und in Wahrheit das Grundstück einem Dritten zu einem nicht der Flurbereinigung dienenden Zweck verschafft werden sollte (vgl. Wingerter/Mayr, FlurbG 10. Aufl. 2018, § 52 Rn. 3a). So liegen die Dinge hier jedoch nicht.
…
Die ursprüngliche Absicht, das Grundstück für Naturschutzzwecke zu verwenden, wurde zwar zugunsten der Anlage eines „…" aufgegeben. Unabhängig davon, dass die Absicht erst Jahre nach dem Verzicht geändert wurde und daher für dessen Wirksamkeit rechtlich keine Relevanz mehr besitzt, ist auch dieser Zweck von § 1 FlurbG gedeckt. Denn zu den Zwecken der Flurbereinigung zählt auch die Förderung der allgemeinen Landeskultur mit den in den §§ 37, 39 und 40 FlurbG näher umschriebenen weitreichenden Gestaltungsmöglichkeiten. Zu den bei der Flurbereinigung zu wahrenden Interessen zählen nach § 37 Abs. 2 FlurbG auch die Erfordernisse der Erholung.
…
d) Die erteilte Zustimmung konnte auch nicht mehr widerrufen werden. Nach § 52 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 FlurbG ist ein Widerruf der Zustimmung ausgeschlossen, wenn sie in eine Verhandlungsniederschrift aufgenommen worden ist. Bei dem Termin am xx.xx.1990 handelte es sich um eine Verhandlung im Sinne des § 129 Abs. 1 FlurbG (Wingerter/Mayr, a.a.O., § 129 Rn. 1). Über die Verhandlung wurde·eine Niederschrift gefertigt, die dem Vater des Klägers ausweislich des in den Akten enthaltenen Dokuments gemäß § 130 Abs. 1 FlurbG vorgelesen, von ihm genehmigt und unterschrieben wurde. Sie wurde nach § 130 Abs. 3 FlurbG vom Verhandlungsleiter ebenfalls unterschrieben. Dadurch hat die Flurbereinigungsbehörde den Verzicht auf die Landabfindung angenommen (vgl. zu dieser Voraussetzung Wingerter/Mayr, a.a.O., § 52 Rn. 5).
…
Rechtsmittelbelehrung
…
Beschluss vom 19.0ktober 2022