Landgericht Ellwangen, Urteil vom 19.02.1991 - O 487/90-10

Aktenzeichen O 487/90-10 Entscheidung Urteil Datum 19.02.1991
Gericht Landgericht Ellwangen Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Haben Teilnehmer wechselseitig auf Teile ihrer Abfindung zwecks Bebauung mit Hofanlagen des jeweils anderen verzichtet und die Flurbereinigungsbehörde ihnen diese Zuteilung schriftlich zugesagt, so haben die Teilnehmer eine Anwartschaft an den Verzichtsflächen erlangt.
2. Verweigert ein Teilnehmer seine Zustimmung zur Bebauung der Verzichtsfläche unter Berufung auf sein formal fortbestehendes Eigentum, so handelt er gegen Treu und Glauben.

Aus den Gründen

Der Kläger ist Eigentümer des in A., Flur N., gelegenen Grundstücks mit der FlstNr. 13; die Beklagten sind Eigentümer des Nachbargrundstücks, FlstNr.15. Beide Parteien sind Teilnehmer am Flurbereinigungsverfahren. Im Rahmen desselben schlossen sie unter Beteiligung des Flurbereinigungsamtes am 24.06.1986 eine Vereinbarung, wonach im Flurbereinigungsverfahren ein Tausch des FlstNr. 15 gegen Teile des FlstNr. 13 erfolgen soll.

Ziff. 1 der Vereinbarung lautet: "Die Teilnehmer O., Nr. 44 (die Beklagten), verzichten in der Flurbereinigung auf die Zuteilung des EinlageflstNr. 15, Flur N., zu Gunsten des Teilnehmers O., Nr. 304 (der Kläger), und sind mit dem Bau eines Fahrsilos auf diesem Einlageflurstück einverstanden."

In Ziff. 6 ist ausgeführt, daß der vereinbarte Tausch als Nutzungstausch sofort vollzogen werden kann.

In Ausführung der getroffenen Vereinbarung hat der Kläger bislang ein Fahrsilo teilweise auf dem Flurstück der Beklagten errichtet. Im Gegenzug hat der Kläger dem Beklagten Teile des FlstNr. 13 überlassen. Ein vollständiger Ausgleich für die Gesamtfläche des FlstNr. 15 ist bislang jedoch nicht erfolgt.

Der Kläger beabsichtigt nunmehr zur Sicherung seines landwirtschaftlichen Erwerbsbetriebes eine Güllegrube teilweise auf dem FlstNr. 15 zu errichten. Ein entsprechender Bauantrag des Klägers wurde von der Stadt A. als untere Baurechtsbehörde wegen der fehlenden Zustimmung des Grundstückseigentümers nach § 53 IV Satz 2 LBO zurückgewiesen.

Am 13.09.1990 hat das Flurbereinigungsamt E. dem Kläger bestätigt, daß er aufgrund der Vereinbarung vom 24.06.1986 einen Anspruch auf Zuteilung des EinlageflstNr. 15 hat und dieses im Flurbereinigungsplan als Eigentum zugeteilt erhält.

Der Kläger kann von den Beklagten die Abgabe der begehrten Willenserklärung verlangen.

Er hat aufgrund der Vereinbarung vom 24.06.1986 und der Zusage des Flurbereinigungsamtes E. vom 13.09.1990 ein Anwartschaftsrecht an dem FlstNr. 15 erlangt. Die Beklagten sind zwar nach wie vor Eigentümer des FlstNr. 15, da ein förmliches Verfahren nach § 103 a ff. Flurbereinigungsgesetz nicht durchgeführt worden ist. Sie haben sich in der Vereinbarung damit einverstanden erklärt, daß der Kläger das FlstNr. 15 im Flurbereinigungsverfahren zum Eigentum erhält. Eine entsprechende, nach § 38 Verwaltungsverfahrensgesetz bindende Zusage des Flurbereinigungsamts E. liegt ebenfalls vor.

Unter den gegebenen Umständen sind die Beklagten lediglich noch als formale Bucheigentümer anzusehen. Ihre Weigerung, der Bebauung des FlstNr. 15 durch den Kläger zuzustimmen, verstößt somit gegen Treu und Glauben. Die Beklagten trifft insoweit eine Mitwirkungspflicht, am Enderfolg der Leistung mitzuwirken, zu der sie sich schuldrechtlich verpflichtet haben (vgl. Münchner Kommentar Roth zu § 242 BGB, RdNr. 177). Die Weigerung der Beklagten, an der Erteilung der Baugenehmigung mitzuwirken, stellt sich als unzulässige Rechtsausübung dar, nachdem sie bereits eine schuldrechtliche Erklärung abgegeben haben, die zum Eigentumsverlust an dem Flurstück zu Gunsten des Klägers führen wird.