Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28.10.1960 - I B 99.60 = RdL 1961 S. 26
Aktenzeichen | I B 99.60 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 28.10.1960 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = RdL 1961 S. 26 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Der Ausgleich nach § 51 FlurbG ist kein Bestandteil der Abfindung. |
2. | Erhält ein Teilnehmer stark vernäßtes Land und erleidet er dadurch in seinem Viehbestand Schäden, so kann darin ein vorübergehender Nachteil liegen. |
3. | Der Ausgleichsanspruch des Teilnehmers nach § 51 FlurbG setzt nicht ein Verschulden der Behörde oder der Teilnehmergemeinschaft voraus. |
4. | Der Teilnehmer muß sich gemäß § 254 BGB die schuldhafte Mitverursachung des Schadens durch Personen, die er mit der Wahrnehmung seines Pflichtenkreises beauftragt hat, auch dann entgegenhalten lassen, wenn er sich dieser im eigenen Interesse bedient hat. |
Aus den Gründen
Zutreffend sieht das Flurbereinigungsgericht die rechtliche Grundlage für die vom Kläger erhobene Forderung in § 56 RUO, wonach einem Verfahrensbeteiligten "für vorübergehende Nachteile" eine Entschädigung in Geld oder in anderer Art gewährt werden kann. Es muß sich hierbei um solche Nachteile handeln, die durch die Ausführung der Umlegung entstehen und nur vorübergehender Art sind, also um solche Nachteile, die dadurch eintreten, daß der mit der Umlegung angestrebte Dauerzustand nicht sofort erreicht werden kann. Zunächst werden von der Entschädigungspflicht also die Aufwendungen erfaßt, die beispielsweise durch das Auffüllen von Gräben und aufgelassenen Wegen, durch Einebnung alter Wasserläufe, Versetzen von Zäunen und dgl. notwendig werden. Es entspricht aber dem Sinn der Vorschrift, auch solche Schäden damit zu erfassen, die einem Teilnehmer unmittelbar durch Umlegungsmaßnahmen entstehen, die aber nicht Nachteile der Abfindung im Sinne des § 48 RUO darstellen. Ihr Sinn besteht nämlich darin, daß bei einer außergewöhnlichen, den Durchschnitt übersteigenden Mehrbelastung eines Beteiligten bei der Ausführung der Umlegung die Gesamtheit aus Billigkeitsgründen eintreten soll. Dem entspricht es aber, wenn einem Teilnehmer Schäden in seinem Viehbestand ersetzt werden, die dadurch eintreten, daß er nach der Besitzeinweisung stark vernäßtes Land nutzen mußte.
Es kann allerdings mißverständlich sein, wenn das Flurbereinigungsgericht ausführt, die Behörde und die Teilnehmergemeinschaft hätten den dem Kläger im Jahre 1957 entstandenen Schaden "zu vertreten". Zu vertreten ist eine vorsätzliche oder fahrlässige Schadenszufügung. Der Anspruch aus § 56 RUO ist aber nicht davon abhängig, daß die Behörde oder die Teilnehmergemeinschaft an der Entstehung des Schadens ein Verschulden trifft.
Der Anspruch aus § 56 RUO ist ein öffentlich-rechtlicher Entschädigungsanspruch, der sich gegen die Teilnehmergemeinschaft richtet, aber nicht einen Bestandteil des Abfindungsanspruchs nach § 48 Abs. 1 RUO darstellt (vgl. Urt. vom 3.12.1959, RdL 1960 S. 78). Er kann nur im Rahmen der Teilnahme an einem Umlegungsverfahren entstehen. Die Beteiligung an einer Umlegung verpflichtet aber den Teilnehmer, im Rahmen seiner Möglichkeiten in einer sachgerechten und den Zielen der Umlegung entsprechenden Weise mitzuwirken (Urteil vom 21.7.1959, BVerwGE 9, 93). Hierzu gehört auch die Pflicht, eigene durch das Verfahren eintretende Nachteile, die nach §§ 56, 133 RUO von der Gesamtheit der Teilnehmer (§ 17 RUO) auszugleichen sind, abzuwenden oder zu mindern. Die Verletzung der Mitwirkungspflicht begründet für die Teilnehmergemeinschaft zwar keinen Schadensersatzanspruch, beeinflußt aber den Anspruch des Beteiligten gegen die Teilnehmergemeinschaft. Insoweit kommt der in § 254 BGB zum Ausdruck gebrachte Gedanke auch auf diese öffentlich-rechtliche Beziehung zur entsprechenden Anwendung; hiernach kann derjenige, der sich durch zurechenbare Handlungen selbst schädigt, seinen Schaden nicht auf andere abwälzen.
Ist der Beteiligte, wie im vorliegenden Fall, in den Besitz der neuen Grundstücke vorläufig eingewiesen, so muß er bei ihrer Nutzung so verfahren, wie ein verantwortungsbewußter Beteiligter sich verhalten würde. Ein ihm durch die Vernachlässigung dieser Obliegenheiten eintretender Schaden geht zu seinen Lasten, wenn auch die ursprüngliche Ursache seines Schadens die im Rahmen der Umlegung erfolgte Zuteilung von vernäßtem Land ist.
Die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes hängt von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat. Das gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Geschädigten darauf beschränkt, daß er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts trifft den Kläger insoweit eine schuldhafte Mitverursachung des Schadens, als er nach Feststellung der Seuche das vernäßte Land in der bisherigen Form ohne zwingende Notwendigkeit weiter genützt und nicht in ausreichendem Maße für die Beseitigung des Zwischenträgers für den Leberegel gesorgt hat. Diese mitwirkende Verursachung für seinen Schaden muß er sich anrechnen lassen.
Der Kläger muß aber auch für die Versäumnis seines Tierarztes einstehen. Die in § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB vorgesehene entsprechende Anwendung des § 278 BGB gilt für den ganzen Umfang des § 254 BGB, also auch bei schuldhafter Mitwirkung bei der Entstehung des Schadens. Da das Verschulden nach § 254 BGB nicht ein Verschulden gegen einen anderen, sondern ein Verstoß gegen das Gebot des eigenen Interesses darstellt, muß der Geschädigte sich die schuldhafte Mitverursachung des Schadens durch Personen, die er mit der Wahrnehmung seines Pflichtenkreises beauftragt hat, auch dann entgegenhalten lassen, wenn er sich dieser im eigenen Interesse bedient hat. Für die entsprechende Anwendung des § 278 BGB im Rahmen des § 254 BGB ist es ausreichend, wenn der vom Kläger beauftragte Tierarzt bei seinen Untersuchungen und Maßnahmen diejenige Sorgfalt außer acht gelassen hat, die nach Sachlage im eigenen Interesse des Klägers geboten war. Im Rahmen der Anwendung des § 278 BGB ist - entgegen der Auffassung des Klägers - für einen Entlastungsbeweis, wie ihn § 831 BGB für den Verrichtungsgehilfen vorsieht, kein Raum.