Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 30.09.1965 - 3 C 49/64 = IK 1967 S. 140

Aktenzeichen 3 C 49/64 Entscheidung Urteil Datum 30.09.1965
Gericht Flurbereinigungsgericht Koblenz Veröffentlichungen IK 1967 S. 140  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Zur Berechnung der Entschädigung für Pfropfreben.

Aus den Gründen

1. Rebstöcke sind wesentliche Bestandteile eines Grundstücks, die seinen Wert dauernd beeinflussen und daher, soweit erforderlich, besonders zu schätzen sind (§ 28 Abs. 2 FlurbG). Von welchen Wertmaßstäben dabei auszugehen ist, bestimmt diese Vorschrift nicht. In § 50 Abs. 2 Satz 1 u. 2 FlurbG ist vorgeschrieben, daß - sofern nichts anderes vereinbart wird - die Teilnehmergemeinschaft den bisherigen Eigentümer der Rebstöcke in Geld abzufinden habe und von dem Empfänger der Landabfindung angemessene Erstattung verlangen könne. Da diese Vorschrift selbst nichts über die Bemessung der Geldabfindung für den bisherigen Eigentümer der Rebstöcke aussagt, ist auf die allgemeine Vorschrift des § 54 Abs. 1 Satz 1 FlurbG zurückzugreifen, wonach Geldabfindungen "angemessen" sein müssen. Wie der Senat bereits in dem Urteil vom 25. April 1963 - 3 C 97/61 und 3 C 46/62 (RdL 1964 S. 84) - betreffend Obstbaumentschädigung ausgesprochen hat, handelt es sich bei dem Begriff der "angemessenen Geldabfindung" um einen eigenständigen Begriff des Flurbereinigungsgesetzes. Insbesondere ist dieser nicht mit dem des Verkehrswertes gleichzusetzen; letzterer kann bei der Entziehung von Grundstücken ohne Gewährung von Ersatzland außerhalb eines Flurbereinigungsverfahrens (z.B. für den Bau einer Landstraße) in Betracht kommen, während im Flurbereinigungsverfahren in aller Regel Land von gleichem Wert wiederzugeben ist (§ 44 Abs. 1 FlurbG), wobei die frühere Einnahmequelle - etwa durch die mögliche Neuanpflanzung von Obstbäumen - erhalten bleibt. In dem gleichen Urteil des Senats wurde ferner auf den in § 51 Abs. 1 FlurbG enthaltenen Grundsatz des Flurbereinigungsrechts hingewiesen, daß für die mit der Zusammenlegung und Neuverteilung des Bodens zwangsläufig verbundenen vorübergehenden Nachteile in der Regel keine Entschädigung verlangt werden kann, vielmehr den Teilnehmern mit eigenen Kräften und Mitteln die Beseitigung der vorübergehenden Nachteile überlassen bleibt. Auch innerhalb des Flurbereinigungsrechts kommt dem Begriff "angemessene Geldabfindung" kein für alle Fälle gültiger Inhalt zu, vielmehr ist dieser - wie schon der Wortsinn "angemessen" ergibt - abhängig von der Art und dem Umfang des jeweils auszugleichenden Nachteils. Schon aus diesem Grunde ist bei der hier allein streitigen Frage der Entschädigung für die vom Kläger verlorenen Pfropfreben die andere Frage der Entschädigung für wurzelechte Reben außer Betracht zu lassen. Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf den § 50 Abs. 2 Satz 3 u. 4 FlurbG, wonach für abgängige Rebstöcke u.a. keine Geldabfindung zu geben ist, sowie auf die vom Beklagten erwähnte Verwaltungspraxis, daß wurzelechte Reben in reblausverseuchten Gebieten als abgängig in diesem Sinne behandelt werden. Soweit ersichtlich, sind zu der Frage der angemessenen Abfindung für verlorene Pfropfreben in Rheinland-Pfalz keine amtlichen und einheitlichen Weisungen oder Richtlinien ergangen (vgl. Thellmann "Die Aufwuchsbewertung im Weinbau und ihre Bedeutung für die Flurbereinigung", Sonderheft der Schriftenreihe für Flurbereinigung, 1961, Seite 15). Auch die vom Senat gehörten Sachverständigen H. und Dr. D. sowie der Beistand der Beklagten, Prof. Dr. K., gehen dabei von verschiedenen Berechnungsmethoden aus.

2. Bei der Ermittlung der "angemessenen Abfindung" für den Verlust von Pfropfreben sind nach Auffassung des Senats zunächst die für den Wiederaufbau neuer Pfropfreben erforderlichen Kosten anzusetzen (so auch Hahn, "Bewertungsgrundsätze und Schätzungsmethoden in der Flurbereinigung", Heft 25 der Schriftenreihe für Flurbereinigung, S. 153). Dabei können nicht die den einzelnen Teilnehmern tatsächlich entstehenden Wiederaufbaukosten in Ansatz gebracht werden, weil die Frage, ob und in welchem Umfang, mit welchen Mitteln und Aufwendungen der Wiederaufbau durchgeführt wird, weitgehend von den individuellen Wünschen und Verhältnissen der einzelnen Teilnehmer abhängt. Eine Zugrundelegung der individuellen Wiederaufbaukosten wäre auch verfahrensmäßig undurchführbar, weil die Festsetzung der Aufwuchsentschädigung regelmäßig in einem Nachtrag zum Flurbereinigungsplan zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Wiederaufbau noch nicht begonnen hat und sich die dabei entstehenden Kosten noch nicht übersehen lassen. Hinzu kommt, daß nach Auffassung des Senats auch bei dem besonderen Geldabfindungsanspruch gem. § 50 Abs. 2 Satz 1 Halbs.1 FlurbG der für die Landabfindung in ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats vertretene Grundsatz Anwendung finden muß, wonach es für die Wertgleichheit nicht auf die persönlichen Verhältnisse des einzelnen Teilnehmers ankommt (vgl. BVerwG Urt. v. 5.6.1961, I C 231.58). Der Ansatz der Wiederaufbaukosten kann daher nur nach der Anzahl der (per saldo) verlorenen Pfropfreben und hinsichtlich der Höhe generalisierend nach allgemeinen Erfahrungs- und Durchschnittssätzen vorgenommen werden. Der Sachverständige Weinbaudirektor i.R. H. hat in der mündlichen Verhandlung des Senats vom 17. Dez. 1964 überzeugend dargelegt, daß sich die Kosten der Neuanpflanzung einer Pfropfrebe wie folgt belaufen:

Für den Rebstock     1,60 DM
für Roden     0,10 DM
für Kompost     0,10 DM
für Pflanzarbeit     0,15 DM
für Zeilenrichen     0,05 DM
für Herbeischaffen u. Setzen des Pfahls     0,10 DM
     =======
Sa.      2,10 DM

Zwar betrug nach einem vom Beklagten vorgelegten Schreiben der Wiederaufbaukasse an die Wiederaufbaugemeinschaften vom 26. Nov. 1964 gemäß dem Weinbergsaufbaugesetz der Preis der durch die Wiederaufbaugemeinschaften zu beziehenden Pfropfreben derzeitig nur 1,25 bis 1,45 DM. Der vom Sachverständigen H. aufgrund seiner Erfahrung angesetzte Preis von 1,60 DM pro Pfropfrebe kann aber deshalb als zutreffend und angemessen angesehen werden, weil die Preise der Aufbaugemeinschaften Schwankungen unterworfen und die Rebensetzlinge auch nicht immer durch die Aufbaugemeinschaften lieferbar sind.

3. Bei der Ermittlung der "angemessenen" Abfindung können jedoch nicht schlechthin die vorstehenden vollen Kosten der Neuanpflanzung angesetzt werden. Der für den zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch anerkannte Grundsatz der Vorteilsausgleichung (compensatio cum damno), wonach der Geschädigte durch die Schadensersatzleistung nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden darf, als er ohne das schädigende Ereignis stehen würde (vgl. Erman, Handkomm. z. BGB, Anm. 9 zu § 249; Palandt, BGB, Anm. 7 zu § 249), muß über die ausdrücklich bestimmte Anwendung (z.B. § 33 Abs. 1 Bundesleistungsgesetz; § 93 Abs. 3 Bundesbaugesetz) hinaus als allgemeiner Grundsatz der Rechtsordnung auch auf andere öffentlich-rechtliche Entschädigungsansprüche angewendet werden (ebenso BGHZ 6, 295; OVG Hamburg, MDR 1954 S. 125; Wolff, Verwaltungsrecht I § 44 III c). Er hat daher auch für den Abfindungsanspruch nach § 50 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 FlurbG zu gelten. Die Zugrundelegung der unter 2) genannten vollen Kosten der Neuanpflanzung würde zu einer unberechtigten Besserstellung des bisherigen Eigentümers führen, weil ihm diese Kosten den Wiederaufbau von Pfropfreben ermöglichen, die die volle Lebensdauer von nach allgemeiner Erfahrung durchschnittlich 25 Jahren besitzen, während die verlorenen Rebstöcke nur noch eine geringere Lebensdauer besitzen. Es ist daher geboten, von den vollen Neuanpflanzungskosten einem dem Lebensalter der alten Rebstöcke entsprechenden Abzug zu machen, ähnlich wie nach einhelliger Meinung beim zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch für den Verlust einer bereits im Wert geminderten Sache ein Abzug zur Berücksichtigung des Unterschiedes von "neu für alt" zu machen ist (vgl. Erman, aaO; Palandt, aaO, Anm. 3 zu § 251; BGHZ 30, 34). Auch der Sachverständige Dr. D. berücksichtigt bei seiner Berechnung das Alter und die Ertragsdauer der verlorenen Reben.

Da die Pfropfreben des Klägers unstreitig in den Jahren 1957 bis 1959 angepflanzt worden waren, hatten sie beim Besitzübergang an den neuen Weinbergsplänen im Jahre 1963 ein durchschnittliches Alter von 5 Jahren. Unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Lebensdauer von Pfropfreben mit 25 Jahren ist daher vorliegend ein Abzug von fünf Fünfundzwanzigstel = 1/5 von den Anpflanzungskosten neuer Pfropfreben zu machen.

Neben dem Lebensalter können für den Wert der alten Pfropfreben noch andere Faktoren bedeutsam sein. Mangels einheitlicher Richtlinien ist bisher den Schätzern die Festlegung eines Schätzungsrahmens mit den zu berücksichtigenden Faktoren überlassen worden. Von Thellmann (aaO S. 23 ff.) wird berichtet, daß in einem von ihm durchgeführten Rebschätzungsverfahren mit Punktsystem sieben Wertfaktoren berücksichtigt wurden. Die überzeugenden Darlegungen von Thellmann lassen aber auch erkennen, daß eine so differenzierte Bewertungsmethode weder überall notwendig noch zweckmäßig ist. Die von ihm angeführten Faktoren: Traubensorte, Ertragszustand, Erziehungsart, Wüchsigkeit und Bodenwertzahl können im vorliegenden Falle wegen der Gleichartigkeit dieser Faktoren im alten und im neuen Bestand außer Betracht bleiben. Zu berücksichtigen ist nur noch der vom Sachverständigen H. geprüfte Faktor Pflegezustand der alten Pfropfreben, der vom Sachverständigen Dr. D. ebenfalls als ansetzungsbedürftig bezeichnet worden ist. Dieser Faktor spielt jedoch im Vergleich mit dem Faktor Lebensalter keine so entscheidende Rolle, steht vielmehr zu ihm etwa im Bewertungsverhältnis 1 : 5 (vgl. Thellmann, aaO S. 24). Da der Sachverständige H. bei der örtlichen Schätzung festgestellt hat, daß die alten Pfropfreben des Klägers keinen so guten Pflegezustand aufwiesen, und deshalb von ihm innerhalb des von der Teilnehmergemeinschaft bestimmten Rahmens mit dem niedrigsten Satz von 2,80 DM bewertet worden sind, ist es berechtigt, den obigen Abzug von fünf Fünfundzwanzigstel um ein weiteres Fünfundzwanzigstel auf sechs Fünfundzwanzigstel zu erhöhen. Danach würde sich die Abfindung für den Wiederaufbau pro Pfropfrebe auf (2,10 minus 0,50 =) 1,60 DM errechnen.

4. Es entspricht allgemeiner Erfahrung, daß neugepflanzte Pfropfreben erst vom vierten Jahr seit der Anpflanzung vollen Ertrag bringen. Die Vorschrift zur Gewährung einer "angemessenen Abfindung" gebietet es daher, außer den Kosten des Wiederaufbaus auch einen dreijährigen Ertragsausfall zu entschädigen (ebenso Hahn, aaO, S. 153; Thellmann, aaO S. 37). Dagegen kann nicht eingewendet werden, es handele sich um vorübergehende, nicht das Maß der den übrigen Teilnehmern erheblich übersteigende gleichartige Nachteile, die gemäß § 51 Abs. 1 FlurbG keinen Ausgleichsanspruch auslösen. Zwar haben - wie schon oben unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 25. April 1963 ausgeführt wurde - nach dem Grundgedanken des § 51 Abs. 1 FlurbG in der Regel die Teilnehmer die mit der Flurbereinigung zwangsläufig verbundenen vorübergehenden Ertragsausfälle ohne besonderen Ausgleichsanspruch hinzunehmen. Der Senat ist aber der Auffassung, daß jedenfalls der Verlust von im Altbesitz vorhandener, im Ertrag stehender Pfropfreben einerseits und der Wegfall eines Ertrages während der dreijährigen Anwachszeit der neuen Pforpfreben keinen entschädigungslos bleibenden vorübergehenden Nachteil im vorgenannten Sinne, sondern die Nichterfüllung eines Teils des einem Flurbereinigungsteilnehmer zustehenden Komplexes seiner Abfindungs- und Ausgleichsansprüche darstellt. Soweit es sich um die Landabfindung handelt, ist bereits im Schrifttum anerkannt, daß wesentliche Mängel der Abfindung überhaupt nicht nach den Grundsätzen des § 51 Abs. 1 FlurbG zu beurteilen sind, vielmehr insoweit eine gemäß § 44 Abs. 1 FlurbG in Land auszugleichende Minderabfindung vorliegt (vgl. Steuer, Komm. z. FlurbG, Anm. 1 zu § 51 mit Nachw.). Gleiches hat aber nicht nur für die Landabfindung, sondern auch für die daneben bestehenden besonderen Ausgleichsansprüche zu gelten, so auch für den Anspruch nach § 50 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 FlurbG.

Bei der Bemessung des hiernach zu entschädigenden dreijährigen Ertragsausfalls sind zwangsläufig nicht die Erträge der alten Rebstöcke zugrunde zu legen, zumal diese je nach dem Alter, Pflegezustand u.a. in den einzelnen Jahren starken Schwankungen unterworfen sind. So räumt der Kläger selbst ein, daß beispielsweise im Jahre 1963 der Ertrag seiner alten Rebstöcke um etwa 50 % unter dem der früheren Jahre gelegen habe. Bei der Errechnung des dreijährigen Ertragsausfalls ist vielmehr von den nach allgemeiner Erfahrung unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse bei Pfropfreben zu erwartenden Erträgen auszugehen. Dabei ist, was der Kläger bei seiner Berechnung übersieht, nicht der Rohertrag, sondern der Reinertrag, d.h. der Rohertrag abzüglich der Aufwendungen, in Ansatz zu bringen. Weiter ist zu berücksichtigen, daß zwar in den beiden ersten Jahren nach der Neuanpflanzung noch kein Ertrag anfällt, daß aber nach allgemeiner Erfahrung im dritten Jahr bereits ein Drittel des vollen Ertrages zu verzeichnen ist. Bei der Bemessung der Abfindung für den Ertragsausfall kann nach Auffassung des Senats von den Sätzen ausgegangen werden, die im Flurbereinigungsverfahren von der Teilnehmergemeinschaft im Einvernehmen mit dem Kulturamt für die in Wege gefallenen alten Rebstöcke gewährt worden sind, nämlich 1,-- DM für das erste und 0,90 DM für das zweite Jahr, weil diese Sätze auf allgemeiner Erfahrung und Kenntnis der örtlichen Verhältnisse beruhen. Auch der Sachverständige Dr. D. schätzt in seinem Gutachten den Netto-Reinertrag bei Pfropfreben für Gemarkungen der hier in Rede stehenden Art auf 1,-- DM pro Stock und Jahr. Zwar werden nicht alle vom Beistand des Beklagten in seiner Berechnung des Netto-Reinertrages angeführten Anwandsposten - jedenfalls nicht in der angegebenen Höhe - vorliegend in Rechnung gestellt werden können, weil insoweit in den einzelnen Betrieben erhebliche Unterschiede vorliegen, insbesondere hinsichtlich der Lohnkosten. Der Beistand kommt demgemäß in seiner Berechnung sogar zu einem negativen Reinertrag, so daß die Frage auftauchen würde, ob der Weinbau überhaupt noch rentabel sein kann und die Flurbereinigung von Weinbaubetrieben noch sinnvoll erscheint. Die in jedem Falle aber entstehenden Kosten für Maschineneinsatz und -abschreibung, Düngemittel, Schädlingsbekämpfungsmittel, Materialien u.a. sind bereits zu hoch, daß der vom Sachverständigen Dr. D. geschätzte Netto-Reinertrag von 1,-- DM als ein Höchstsatz anzusehen ist, zumal er hiervon noch 0,30 DM für die Verzinsung des Bodenkapitals in Abzug bringt. Die Abfindung für den Ertragsausfall errechnet sich daher unter Berücksichtigung des Umstandes, daß dieser - wie ausgeführt - im dritten Jahr nur zwei Drittel des Durchschnittssatzes der beiden ersten Jahre von 0,95 DM beträgt, auf (0,95 + 0,95 + 0,63 =) 2,53 DM pro Pfropfrebe. Zusammen mit der Abfindung für die Neuanpflanzungskosten in Höhe von 1,60 DM ergibt sich demnach eine Abfindung von (1,60 + 2,53 =) 4,13 DM pro Pfropfrebe.

5. Nach allgemeiner Erfahrung und einhelliger Meinung aller Prozeßbeteiligten gehen jedoch etwa 5 % der neu gepflanzten Reben nicht an. Demgemäß hat auf den vorstehenden Abfindungssatz noch ein Aufschlag von (4,13 : 20 =) 0,21 DM zu erfolgen, so daß sich die Abfindung pro verlorene Pfropfrebe auf (4,13 + 0,21 =) 4,34 DM belaufen würde.

6. Eine "angemessene Abfindung" macht nach Auffassung des Senats eine teilweise Anrechnung des zu erwartenden höheren Reinertrages der neuen Pfropfreben notwendig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats können zwar die allgemeinen Vorteile der Flurbereinigung regelmäßig nicht zum Ausgleich konkreter Nachteile der Landabfindung herangezogen werden, weil diese Vorteile weitgehend den Ausgleich für die von den Teilnehmern gemäß § 19, § 47 FlurbG aufzubringenden Beiträge zu den Ausführungskosten und Anteile an den gemeinschaftlichen oder öffentlichen Anlagen (sog. Wegebeitrag) darstellen (BVerwG, Urt. vom 30.9.1959, RdL 1959 S. 51; Urt. vom 13.11.1959, NJW 1959 S.643; Urt. vom 24.2.1959, RdL 1959 S. 221). Andererseits entspricht es feststehender Rechtsprechung, daß den Teilnehmern nur ein Anspruch auf wertgleiche Abfindung, nicht aber auf wirtschaftliche Vorteile aus der Flurbereinigung zusteht (BVerwG, Beschl. v. 5.3.1955, RdL 1955 S. 170). Diese Grundsätze beanspruchen Geltung nicht nur im Rahmen der Landabfindung, sondern gleichermaßen bei den besonderen Ausgleichsansprüchen, auch bei dem Ausgleichsanspruch nach § 50 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 FlurbG. Bei der Entschädigung für verlorene Pfropfreben kann daher die mit der Flurbereinigung eintretende Ertragswertsteigerung in Anrechnung gebracht werden, soweit diese nicht auf Beiträge, Arbeits- und sonstige Leistungen der Teilnehmer zurückzuführen ist. Für die Ermittlung des hiernach zulässigen Abzugs können naturgemäß nur wieder allgemeine Erfahrungsgrundsätze zugrundegelegt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß durch die Flurbereinigung eine Erhöhung des Reinertrages von durchschnittlich 30 % eintritt (vgl. Seehusen - Schwede - Nebe, Komm.z.FlurbG, 1954, Einl. S. 7; Der Große Brockhaus, Stichwort "Flurbereinigung"). Bei Pfropfreben setzt die Ertragswertsteigerung mit dem vierten Jahr seit der Neupflanzung ein, also dem Zeitpunkt, in dem überhaupt erstmalig ein voller Ertrag erzielt wird, und besteht für die restliche Lebensdauer der Pfropfrebe, also 22 Jahre. Der 30 %-ige Ertragswertsteigerung kann allerdings kein gleichbleibender Reinertrag für die gesamte Zeitdauer von 22 Jahren zugrundegelegt werden, vielmehr ist dieser nach dem Alter der Reben Änderungen unterworfen. Bei Anwendung eines Punktsystems (vgl. Thellmann aaO S. 18) würde sich der Verlauf des Reinertrages während der 25-jährigen Lebensdauer der Pfropfreben etwa wie folgt darstellen:

1 -     3 Jahre = 10 Punkte
4 -     12 Jahre = 30 Punkte
13 -     18 Jahre = 25 Punkte
19 -     25 Jahre = 15 Punkte

Geht man richtigerweise davon aus, daß der oben angenommene Reinertrag von 1,-- DM pro Pfropfrebe und Jahr der Höchstreinertrag ist, so wäre nach obigem Schema von folgenden Reinerträgen auszugehen:

4 -     12 Jahre 1,-- DM
13 -     18 Jahre 0,83 DM
19 -     25 Jahre 0,50 DM

Die 30 %-ige Reinertragssteigerung ergibt demnach für die einzelnen Zeiträume:

4 -     12 Jahre 9 x 0,30 = 2,70 DM
13 -     18 Jahre 6 x 0,25 = 1,50 DM
19 -     25 Jahre 7 x 0,15 = 1,05 DM

Das ergibt eine Reinertragssteigerung kapitalisiert für die gesamten 22 Jahre pro Pfropfrebe von 5,25 DM.

Bei der Frage, welcher Anteil nicht auf Beiträge, Arbeits- und sonstige Leistungen der Teilnehmer entfällt, ist zu berücksichtigen, daß von den Kosten einer Flurbereinigung die Teilnehmer selbst nur durchschnittlich 20 bis 30 % zu tragen haben, wogegen 70 bis 80 % durch Beihilfen des Staates gedeckt werden. Im Flurbereinigungsverfahren D. betrug nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Beklagten die Eigenleistung der Beteiligten sogar nur 15 %, der Anteil der öffentlichen Beihilfen 85 %. Erst das in der Flurbereinigung geschaffene Wegenetz, die Entwässerungsanlagen, die Zusammenlegung zu größeren Flächen, die Neueinteilung der Flächen mit einheitlichen Zeilenrichtungen usw. ermöglichen den Einsatz von Treckern, modernen Maschinen sowie Geräten und damit eine schnelle, rechtzeitige und rationelle Bodenbearbeitung, Bodendüngung, Schädlingsbekämpfung, Einbringung des Leseguts und aller sonstigen umfangreichen Arbeiten des Weinbaues. Mit Sicherheit kann festgestellt werden, daß ohne die mit sehr hohen öffentlichen Mitteln geförderte Flurbereinigung der deutsche Weinbau über kurz oder lang im Zeichen der verstärkten Konkurrenz im gemeinsamen Markt der EWG zum Erliegen käme. Wird schon durch diese zum weitaus größten Teil aus öffentlichen Mitteln finanzierte Weinbergsflurbereinigung die Ertragsfähigkeit des Weinbaues entscheidend gefördert, so kommen noch die öffentlichen Förderungsmaßnahmen zur Umstellung auf reblausfeste Pfropfreben gemäß dem rheinl.-pfälz. Weinbergsaufbaugesetz vom 12. Mai 1953, wie konditionsgünstige Kredite, Beschaffung verbilligten Pflanzguts u.a., hinzu. Andererseits kann nicht verkannt werden, daß nach Durchführung der oben beschriebenen Bereinigung die vorstehend errechnete Reinertragssteigerung natürlich weitgehend auch auf den Beiträgen, Arbeits- und sonstigen Aufwendungen der Teilnehmer während der Lebensdauer der Pfropfrebe von rd. 25 Jahren beruht. Unter Berücksichtigung aller Sachfeststellungen und Angaben der Prozeßbeteiligten sowie der Gutachten ist der mit sachverständigen Beisitzern besetzte Senat bei sorgfältiger Abwägung der Auffassung, daß mindestens ein Drittel der errechneten Reinertragssteigerung nicht auf Beiträge, Arbeits- und sonstige Leistungen der Teilnehmer, sondern auf davon unabhängige Flurbereinigungs- und sonstige Förderungsmaßnahmen der öffentlichen Hand zurückzuführen ist. Von der oben unter 5) mit 4,34 DM errechneten Abfindung sind daher abzusetzen (5,25 : 3 =) 1,75 DM. Danach beträgt die Abfindung pro Pfropfrebe (4,34 - 1,75 =) 2,59 DM.