Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 19.06.1974 - 113 XII 69

Aktenzeichen 113 XII 69 Entscheidung Urteil Datum 19.06.1974
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Zur Entschädigung bei der Umstellung von Hopfenanlagen.

Aus den Gründen

1. Nach § 50 Abs. 1, 2 FlurbG hat die Teilnehmergemeinschaft die bisherigen Eigentümer von Hopfenstöcken, soweit sie nicht abgängig sind, in Geld abzufinden; sie kann vom Empfänger der Landabfindung eine angemessene Erstattung verlangen. Mit Zustimmung der Flurbereinigungsbehörde können die Teilnehmer anderes vereinbaren.

Nach § 51 Abs. 1 FlurbG sind ein vorübergehender Wertunterschied zwischen den alten Grundstücken und der Landabfindung auszugleichen. Diese auf § 56 RUO, § 14 Abs. 1, 2 der preußischen Umlegungsordnung zurückgehende Bestimmung regelt u.a. den Ausgleich des Mehrwertes, der in Anlagen von Sonderkulturen liegt, die mehrjährige Dauerkulturen darstellen. Hierunter fallen auch Hopfenanlagen. Bei den modernen Anlagen bilden die Hopfenpflanzen mit dem Gerüst eine wirtschaftliche Einheit. Der Mehrwert einer solchen Anlage besteht in den Anlagekosten, soweit diese noch nicht nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise eingebracht worden sind (vgl. Hillebrandt - Engels - Geith, Anm. 1 zu § 56 Reichsumlegungsordnung, Steuer: Anm. 1 zu § 51 FlurbG). Dieser Mehrwert ist im Rahmen der Abfindung neben der Landabfindung in Geld oder in anderer Art auszugleichen. Der Geldausgleich muß angemessen sein (§ 54 Abs. 1 FlurbG; Seehusen: Anm. 1 zu § 54).

Als Bemessungsgrundlage verweist das Gesetz bei landwirtschaftlichen Grundstücken über § 28 FlurbG auf den Ertragswert, bei baulichen Anlagen auf den gemeinen Wert (§ 29 FlurbG). Beide Berechnungsarten scheiden für die Wertermittlung einer Hopfenanlage schon deshalb aus, weil die Grundfläche nach § 44 FlurbG in Land abzufinden ist. Es bietet sich die Ermittlung nach dem Sachwertverfahren an, das vielfach im Geschäftsverkehr und auch im Steuerrecht (§§ 85, 86 Bewertungsgesetz) angewandt wird. Dabei wird von den Herstellungskosten, dem Alter und der normalen Lebensdauer des Wirtschaftsgutes ausgegangen. Von den Herstellungskosten wird eine dem Alter entsprechende Wertminderung abgezogen. Demgemäß werden im Bewertungsverfahren die bestehenden Hopfengerüste von eigens bestellten Schätzern nach Zustand und Alter geschätzt und ein Prozentwert festgelegt, der im Regelfall einer durchschnittlichen Lebensdauer der Anlage von 20 Jahren entspricht, so daß sich ein jährlicher Abzug von 5 % des Neuwertes errechnet. Bei den Kosten für die Herstellung der Anlage, die Pflanzung und den Abbau sowie bei dem Restwert des Gerüstes wird von Pauschsätzen ausgegangen, die von der Flurbereinigungsverwaltung im Benehmen mit den zuständigen Berufsverbänden aufgrund langjähriger Erfahrung als durchschnittliche Werte ermittelt werden. Gegen dieses Verfahren bestehen rechtlich keine grundsätzlichen Bedenken. Die Vereinfachung einer Kostenberechnung durch Pauschalierung wird auch vom Gesetzgeber angewandt. Die Rechtsprechung hat das Verfahren nicht beanstandet, sofern nur die Pauschalierung nicht zu grob vorgenommen wurde (vgl. BVerwGE 37, 99/102). Das von der Flurbereinigungsverwaltung erarbeitete "Merkblatt für Flurbereinigungen in Hopfenanbaugebieten" berücksichtigt in seiner Neufassung 1972 bei Berechnung der zu gewährenden Entschädigung auch die Pflanzungskosten der alten Anlage und die Kosten des Gerüstabbruches. Es weist ferner darauf hin, daß die Pauschwerte der Kostenentwicklung anzupassen sind. Damit wird nach Auffassung des Senats der Rechtslage entsprochen.

2. In der Praxis der Verfahrensdurchführung wird der Ausgleich in der Umstellung (Neuerrichtung) der Hopfenanlage getroffen. Ein Hauptanliegen der Hopfenpflanzer geht dahin, durch die Flurbereinigung nach Größe und Form für eine maschinelle Bewirtschaftung geeignete hopfenfähige Grundstücke zugewiesen zu erhalten. Um möglichst schnell in den Genuß moderner Anlagen zu gelangen, werden die alten Anlagen "umgestellt". Der bisherige Eigentümer errichtet nach der vorläufigen Besitzeinweisung neue Anlagen auf einem Abfindungsgrundstück. In den Überleitungsbestimmungen zur Besitzeinweisung wird ihm zur Vermeidung von Ertragsausfällen (§ 51 FlurbG) gestattet, die alte Anlage solange zu nutzen, bis die neue Anlage einen genügenden Ertrag abwirft. Dann ist die alte Anlage abzubauen, da der Besitznachfolger regelmäßig nicht zur Übernahme geneigt ist. Die Verpflichtung der Teilnehmergemeinschaft, den Zeitwert der Anlage in Geld auszugleichen, wird durch die Umstellung grundsätzlich nicht berührt. Auch bei der Umstellung geht die alte Hopfenanlage verloren. Allerdings hat der Teilnehmer keine Ertragsausfälle und muß sich auf die Abfindung den Nutzen anrechnen lassen, den er aus der überlassenen Anlage noch ziehen kann, wovon wiederum die Kosten des - vorzeitigen Gerüstabbaues abgehen. Da es auf den Sachwert der Anlage im Zeitpunkt ihres Abbruches ankommt, kann bei den Herstellungskosten in Zeiten eines fühlbaren Preisanstiegs die Kostenentwicklung nicht außer Betracht bleiben.

Der Nutzen, den der Teilnehmer aus der alten Anlage nach deren Abbau noch ziehen kann, beschränkt sich auf die Verwertung der Kranz- und Mittelsäulen sowie der Anker. Das übrige wird beim Abbruch des Gerüstes unbrauchbar. Bei den Mittelsäulen und Ankern würde auch nach 10 Jahren die Wiederverwendung in einer anderen Hopfenanlage nicht lohnen. Sie können daher nur noch mit dem Holzwert in Ansatz gebracht werden. Dagegen können Kranzsäulen nach Entfernung des im Erdreich gestandenen unteren Endes als Mittelsäulen weiterverwendet werden. An Hand dieser Erfahrungstatsachen, die die Beklagte im Schriftsatz vom 21.2.1972 an Hand einer Tabelle näher erläutert hat, errechnet sich der Restwert des alten Gerüstes, wie er in der Tabelle des vorgenannten Merkblattes (Neufassung 1972) in Spalte 4 wiedergegeben ist. Das Gericht trägt gegen die Anrechnung der dort genannten Beträge keine Bedenken, da sie pauschalen Erfahrungswerten entsprechen und die zugrunde gelegte Verwertungsmöglichkeit tatsächlich besteht. In Hopfenanbaugebieten werden nach der Neuverteilung regelmäßig wesentlich größere Hopfenanlagen errichtet als bisher bestanden haben. Die aus den umzustellenden alten Anlagen anfallenden Gerüstteile sind nur zu einem Bruchteil noch brauchbar. Diese verhältnismäßig geringe Menge kann entweder bei der Errichtung neuer Anlagen oder bei der Reparatur alter Anlagen Verwendung finden. Die Einwendungen der Kläger (Schriftsatz vom 15.3.1972) greifen nicht durch. Auf die durch Windbruch zu Verlust gegangene Anlage auf Flurstück 913 kommt es - wie noch ausgeführt wird - nicht an. Ob sich bei der anderen Anlage das Alter der verwendeten Holzsäulen nicht mehr zwecks Wiederverwendung hätte bestimmen lassen oder sich der Ausbau der Ankerblöcke gelohnt hätte, mag dahinstehen. Die pauschalen Tabellensätze gehen davon aus, daß bei der Erstellung der Anlage neues, qualitativ hochwertiges Material verwendet wurde. In der Entschädigung für den Abbau ist die Entfernung der Anker inbegriffen.

3. Im Flurbereinigungsverfahren L. konnten die Teilnehmer ihre alten Anlagen von der vorläufigen Besitzeinweisung an (Herbst 1968) noch zwei Jahre (Herbst 1970) nutzen. Die Kläger haben, wie auch die anderen Teilnehmer, nach der vorläufigen Besitzeinweisung ihren Hopfenanbau sofort umgestellt, d.h. eine neue Anlage auf Ersatzflurstück 470 errichtet. Auf ihren Einlagegrundstücken befanden sich zwei Hopfenanlagen, die sie noch nutzten. Die Anlage auf Flurstück 913 wurde vor Besitzübergang durch Windbruch zerstört. Die Gefahr für den Untergang der Anlage tragen die Kläger. Da die Anlage durch dieses Naturereignis wertlos geworden war und das umgestürzte Gerüst ohnehin hätte entfernt werden müssen, entfällt ein Geldausgleich. Die Anlage auf Flurstück 947 umfaßte eine Fläche von 0,257 ha. Ihr Zeitwert wurde im Jahre 1968 auf 55 % des Neuwertes geschätzt. Bis zum Zeitpunkt des Besitzübergangs für Hopfengrundstücke (1.10.1970) hatte sich ihr Zeitwert folglich auf 45 % vermindert. Das genannte Merkblatt (Neufassung 1972) geht davon aus, daß die Hopfenanlage noch ein Jahr genutzt werden kann. Vor Ablauf des letzten Nutzungsjahres betrug der Zeitwert der Anlage 50 %. Bei diesem Zeitwert beträgt nach der dem Merkblatt beigegebenen Tabelle der Wert der Anlage 12 000 DM, die Umstellungsentschädigung 7 400 DM, berechnet für eine 1 ha große Hopfenanlage im Jahre 1972. Nach dem früheren Merkblatt betrug der Wert einer 1 ha großen Anlage im Jahr 1964 16 000 DM. Nach dem Merkblatt vom Jahre 1972 hat sich dieser Wert auf 24 000 DM erhöht. Das entspricht einem jährlichen Kostenanstieg von 1 000 DM oder rund 6 %. Unter Berücksichtigung der seit 1970 eingetretenen Preissteigerung mindert sich die Umstellungsentschädigung auf rund 6 800 DM (= 7 400 x 22 000:24 000). Für die klägerische Hopfenanlage von 0,257 ha ist die Entschädigung daher auf 1 748 DM festzusetzen. Da den Klägern bereits 1 302 DM gewährt wurden, sind ihnen noch 446 DM zuzusprechen. In dieser Höhe ist weiterer Geldausgleich festzusetzen.