OLG München, Beschluss vom 19.11.2008 - 34 Wx 071/08 = FGPrax 2009, 61-62 (Leitsatz und Gründe) (Lieferung 2010)

Aktenzeichen 34 Wx 071/08 Entscheidung Beschluss Datum 19.11.2008
Gericht OLG München Veröffentlichungen = FGPrax 2009, 61-62 (Leitsatz und Gründe)  Lieferung 2010

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Der Rang eines Rechts gehört zum Inhalt des Rechts. Einem Berichtigungsersuchen der Flurbereinigungsbehörde kann das Grundbuchamt im Kollisionsfall nur nachkommen, wenn die Nachweise nach § 80 FlurbG auch Angaben zum Rang enthalten.

Aus den Gründen

I.

1    
Am 23.3.2007 erließ der Beteiligte als Flurbereinigungsbehörde die Ausführungsanordnung zu einem Tauschplan. Nach Eintritt der Bestandskraft ersuchte er mit Schreiben vom 23.4.2007 das Grundbuchamt um Grundbuchberichtigung. Mit Zwischenverfügungen vom 16.7., 11.10. und 22.11.2007 hat das Grundbuchamt jeweils unter Fristsetzung u.a. auf folgendes, der Eintragung entgegenstehendes Hindernis hingewiesen:


2    
Wenn Rechte auf dem getauschten Grundstück zu übertragen seien, gleichzeitig dort aber bereits Rechte bestünden, die sich auf dem neuen Grundstück fortsetzten, sei das Rangverhältnis dieser Rechte untereinander im Tauschplan bzw. in der Ausführungsanordnung zu bestimmen. Es seien daher noch Ergänzungen hinsichtlich des Rangverhältnisses vorzunehmen.


3    
Die gegen diese Zwischenverfügungen eingelegte Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 30.6.2008 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten.


II.

4    
Die weitere Beschwerde ist nach §§ 78, 80 Abs. 1 Satz 3 GBO zulässig. Insbesondere ist das Amt für Ländliche Entwicklung als zuständige Flurbereinigungsbehörde (Art. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Flurbereinigungsgesetzes – AGFlurbG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 8.2.1994, GVBl S. 127) im Rahmen des Berichtigungsersuchens beschwerdeberechtigt (BayObLGZ 1985, 372/373; Demharter GBO 26. Aufl. § 71 Rn. 76; § 38 Rn. 22). In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.


5    
1. Das Landgericht hat ausgeführt:


6    
Das vom Amtsgericht bezeichnete Eintragungshindernis bestehe und sei auch im Beschwerdeverfahren nicht beseitigt worden. Es könne durch die konkrete Rangangabe hinsichtlich jeder einzelnen Belastung beseitigt werden.


7    
Da das Ersuchen den Eintragungsantrag und die Eintragungsbewilligung ersetze, müsse es den allgemeinen Vorschriften für diese entsprechen. Der Tauschplan nebst der jeweils den Eigentumsübergang herbeiführenden Ausführungsanordnung diene darüber hinaus als urkundlicher Unrichtigkeitsnachweis nach § 22 GBO. Dem Ersuchen seien eine Bescheinigung über den Eintritt des neuen Rechtszustands und ein beglaubigter Auszug aus dem Tauschplan beizufügen, der u.a. die zu löschenden, auf die neuen Grundstücke zu übertragenden und die neu einzutragenden Rechte nachweisen müsse. Nach Ziff. 5 der Gemeinsamen Bekanntmachung "Flurbereinigung und Grundbuchverfahren" der Bayerischen Staatsministerien der Justiz und für Landwirtschaft und Forsten vom 23.6.2003 (JMBl S. 124) sei dem Ersuchen u.a. der Belastungsnachweis beizufügen. Dieser habe die Rangverhältnisse zu enthalten, da der Rang eines Rechts im weiteren Sinn zum Inhalt des Rechts gehöre. Er habe Bedeutung für dessen Wert und Sicherheit und bestimme Berücksichtigung und Befriedigungsaussichten des Rechts bei der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung. Ein Rechtsinhaber werde nicht nur dann schlechter gestellt, wenn ein anderes Recht vorrangig eingetragen, sondern auch dann, wenn ein anderes Recht nun gleichrangig zu seinem Recht eingetragen würde.


8    
Auf eine Rangbestimmung im Eintragungsersuchen könne auch nicht im Hinblick auf § 45 GBO verzichtet werden. Diese Bestimmung ziele auf die grundbuchmäßige Verwirklichung der Grundsätze des § 879 BGB und finde deshalb dort keine Anwendung, wo der Rang gesetzlich bestimmt sei oder auch ohne Eintragung im Grundbuch gewahrt sei. Im Normalfall des § 45 GBO komme das Recht erst mit der konstitutiv den Rang bestimmenden Eintragung zur Entstehung. Vorliegend folge die Eintragung jedoch berichtigend der außerhalb des Grundbuchs entstandenen Rechtslage. Es wäre mit Sinn und Zweck des Flurbereinigungsverfahrens nicht zu vereinbaren, wenn erst - oder abweichend vom Plan - durch § 45 GBO eine Rechtslage geschaffen würde, obwohl diese durch den Flurbereinigungsplan definiert werden solle. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass an die Stelle des Flurbereinigungsplans hier ein Tauschplan trete, dem Einverständniserklärungen zugrunde liegen müssten. Gegenstand der Eintragung seien nicht die rechtsgeschäftlichen Erklärungen, sondern das auf dem Tauschplan gründende Eintragungsersuchen.


9    
Die Möglichkeit einer stillschweigenden Rangbestimmung könne die Erklärung der Beteiligten nicht ersetzen. Eine stillschweigende Erklärung setze einen entsprechenden feststellbaren Willen voraus. Diesen Willen habe aber der Beteiligte ausdrücklich nicht. Es genüge auch nicht, wenn für Konfliktfälle allgemeine Regelungen aufgestellt würden, beispielsweise dass dann ein Gleichrang der Rechte einzutragen sei. Der Beteiligte könne sich insoweit seiner Verantwortung nicht entziehen und die Auslegung und Anwendung dieser allgemeinen Anweisungen dem Grundbuchamt überlassen. Das Eintragungsersuchen des Beteiligten sei nicht eindeutig.


10    
a) Zutreffend hat das Landgericht zunächst sämtliche drei Zwischenverfügungen des Grundbuchamts (§ 18 GBO) zu dem hier maßgeblichen Punkt als Beschwerdegegenstand angesehen. Dies folgt schon aus den Anträgen des Beteiligten vom 28.11. und 18.12.2007. Erkennbar sollte auch die jeweils spätere Zwischenverfügung nicht die frühere Verfügung ersetzen, sondern sie jeweils bestätigen. Von einer fortbestehenden Beschwer und einem rechtlichen Interesse an der Aufhebung sämtlicher Zwischenverfügungen in dem maßgeblichen Streitpunkt ist deshalb auszugehen.


11    
b) Gemäß §§ 79, § 80, § 103b FlurbG i.V.m. § 38 GBO ist das Grundbuch auf Ersuchen der Flurbereinigungsbehörde nach Eintritt des neuen Rechtszustands gemäß dem Tauschplan zu berichtigen. Eine Berichtigung des Grundbuchs gemäß Ersuchen vom 23.4.2007 ist jedoch nicht möglich, da sich aus dem vorgelegten Tauschplan als Grundlage der Eintragung der Rang von Rechten nicht ergibt, die auf getauschte Grundstücke übertragen sind und dort mit Rechten zusammentreffen, die sich auf diesem Grundstück fortsetzen und denselben Rang besaßen. Wie das Landgericht zu Recht ausführt, ist dem gemäß § 80 FlurbG dem Eintragungsersuchen beizufügenden Auszug aus dem Tauschplan nicht zu entnehmen, in welchem Rang diese Rechte zueinander stehen.


12    
Die Eintragung hat anhand der in § 80 FlurbG und Ziff. 5 der Gemeinsamen Bekanntmachung "Flurbereinigung und Grundbuchverfahren" genannten Unterlagen zu erfolgen. Es ist dabei allgemeine Amtspflicht des Grundbuchamts, in der Form des § 18 GBO die ersuchende Behörde auf erkannte Versehen, z.B. auf innere Widersprüche und nicht eindeutige Festsetzungen hinzuweisen. Auch wenn die Befugnisse des Grundbuchamts beschränkt sind, muss es doch prüfen, ob das Ersuchen nach Form und Inhalt den gesetzlichen Vorschriften entspricht (vgl. BayObLGZ 1985, 372/374; Schwantag/Wingerter Flurbereinigungsgesetz 8. Aufl. § 79 Rn. 5, 5a).


13    
Für die in den Zwischenverfügungen genannten Grundstücke fehlt es an einer Bestimmung der Rangverhältnisse zwischen den bestehen bleibenden, auf dem neuen Grundstück sich fortsetzenden Rechten einerseits und den übertragenen Rechten andererseits.


14    
(1) Gemäß § 80 Nr. 4 FlurbG sind die zu löschenden, die auf neue Grundstücke zu übertragenden und die neu einzutragenden Rechte nachzuweisen. Die Rechtsnatur des einem Recht zukommenden Rangs ist zwar nicht unumstritten (vgl. etwa MüKo/Wacke 4. Aufl. § 879 BGB Rn. 2 m.w.N.). Jedoch geht die ganz herrschende Meinung davon aus, dass der Rang zum Inhalt des Rechts gehört (vgl. BayObLGZ 1956, 456/461; OLG Hamm OLGZ 1981, 129/132; Knothe in Bauer/von Oefele GBO 2. Aufl. § 45 Rn. 9; Demharter § 45 Rn. 3). Denn dazu zählt alles, was das Maß der dem Rechtsinhaber zustehenden Befugnisse bestimmt (Meikel/Böttcher GBO 9. Aufl. § 45 Rn. 2). Zudem gehören die Angaben zum Rang auch zum Inhalt des Grundbuchs und unterliegen dem öffentlichen Glauben nach §§ 892 f. BGB (MüKo/Wacke a.a.O.). Jedenfalls sind die für den Rechtsinhalt geltenden Vorschriften entsprechend anwendbar (Palandt/Bassenge BGB 67. Aufl. § 879 Rn. 1).


15    
(2) Demnach ist eine Eintragung oder Berichtigung in Fällen, in denen Rangfähigkeit besteht, ohne Angabe des Ranges nicht möglich. Dieser muss sich aus den dem Eintragungsersuchen beigefügten Unterlagen eindeutig ergeben. Dabei darf das Grundbuchamt einem Ersuchen nicht nachkommen, wenn andernfalls das Grundbuch unrichtig würde (vgl. KG FGPrax 2003, 56/57; Demharter § 38 Rn. 74). Es muss auch prüfen, ob Verwirrung zu besorgen ist (vgl. für §§ 5 und 6 GBO Meikel/Roth § 38 Rn. 27). Es ist im Übrigen darauf beschränkt, die förmlichen Voraussetzungen des gestellten Eintragungsersuchens, nicht aber dessen sachliche Richtigkeit zu überprüfen (KG FGPrax 2003, 56). Entsprechend ist es auch nicht Sache des Grundbuchamtes, fehlende Angaben zum Rang selbständig zu ersetzen, zumal ein gleicher Rang jeweils kollidierender Rechte untereinander, wie der Beteiligte meint, nicht selbstverständlich ist, vielmehr das Gesetz regelmäßig davon ausgeht, dass dem früheren Recht besserer Rang zukommt (Meikel/Böttcher § 45 Rn. 4; siehe § 879 Abs. 1 Satz 2 BGB für Rechte in verschiedenen Abteilungen).


16    
(3) Das Rangverhältnis ergibt sich auch nicht aus dem Gesetz. § 68 Abs. 1 Satz 2 FlurbG spricht für die örtlich gebundenen öffentlichen Lasten aus, dass sie auf die in deren örtlicher Lage ausgewiesenen neuen Grundstücke übergehen. Das gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 98, 230/234) analog für örtlich gebundene privatrechtliche Belastungen. Soweit der Flurbereinigungs- oder Tauschplan nichts anderes bestimmt, behalten sie zwar unter sich den bisherigen Rang (vgl. Schwantag/Wingerter § 68 Rn. 21). Dies besagt aber nichts dazu, welchen Rang sie gegenüber den bestehen bleibenden Rechtsverhältnissen (vgl. § 68 Abs.1 Satz 1 FlurbG) einnehmen, und macht jedenfalls zum grundbuchamtlichen Vollzug eine ausdrückliche Bestimmung notwendig.


17    
Wie das Landgericht zu Recht ausführt, lässt sich diese Lücke nicht dadurch schließen, dass die bisher jeweils an erster Rangstelle stehenden Rechte nunmehr untereinander gleichen Rang erhalten. Dem Gesetz ist eine derartige Lösung nicht zu entnehmen. Eine dahingehende Regelung wurde im Tauschplan nicht getroffen. Eine Eintragung im gleichen Rang hätte eine Änderung des Rechtsinhalts zur Folge. Denn die kollidierenden Rechte treten teilweise zurück (vgl. Schöner/Stöber Grundbuchrecht 14. Aufl. Rn. 2576). Die Grundlage für eine dann vom Grundbuchamt vorzunehmende Inhaltsänderung ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus dem vorliegenden Tauschplan.


18    
(4) Der aufgetretene Konfliktfall lässt sich auch nicht unter Anwendung des § 45 GBO lösen. Dazu wird auf die zutreffenden Ausführungen in der landgerichtlichen Entscheidung (unter II.3.a.) Bezug genommen.


19    
(5) Eine Auslegung des Tauschplans entsprechend § 133 BGB kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil keinerlei Anhaltspunkte vorliegen, dass über die Rangverhältnisse überhaupt eine Regelung getroffen werden sollte.


20    
(6) Der Tauschplan bildet einen Verwaltungsakt in Form der Allgemeinverfügung (Art. 35 Satz 2 BayVwVfG; Schwantag/Wingerter § 103f Rn. 1). Der neue Rechtszustand tritt nach dessen Unanfechtbarkeit durch die Anordnung der Ausführung ein. Auch hierbei handelt es sich um einen Verwaltungsakt (vgl. Schwantag/Wingerter § 103f Rn. 8). Das schließt es aus, dass die Rangverhältnisse durch nachträgliche Einverständniserklärungen von betroffenen Rechtsinhabern, die zudem der Form des § 29 GBO entbehren, oder auch durch bloße Anträge der Behörde bestimmt werden können.