Flurbereinigungsgericht Lüneburg, Urteil vom 25.02.2015 - 15 KF 5/11 = Entscheidungsdatenbank der Niedersächsischen Rechtsprechung: www.rechtsprechung.niedersachsen.de= LSK 2015, 270254 (Ls.) (Lieferung 2017)

Aktenzeichen 15 KF 5/11 Entscheidung Urteil Datum 25.02.2015
Gericht Flurbereinigungsgericht Lüneburg Veröffentlichungen = Entscheidungsdatenbank der Niedersächsischen Rechtsprechung: www.rechtsprechung.niedersachsen.de = LSK 2015, 270254 (Ls.)  Lieferung 2017

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Zu den Voraussetzungen für die Bildung von Sonderabzugsgebieten nach § 47 Abs. 2 FlurbG
2. Soweit Flächen für gemeinschaftliche und öffentliche Anlagen noch einen Restwert haben und Teilnehmern zuzuteilen sind, ist dieser Restwert grundsätzlich auf ihre Abfindung nach § 44 Abs. 1 FlurbG anzurechnen und es tritt kein im Wege des Landabzuges nach § 47 Abs. 1 FlurbG auszugleichender Wertverlust ein.

Aus den Gründen

1. Nach § 47 Abs. 2 FlurbG kann für solche Teile des Flurbereinigungsgebiets, in denen aus besonderen Gründen ein größerer Bedarf an Grund und Boden für gemeinschaftliche und öffentliche Anlagen als in anderen Teilen besteht, zu Lasten der begünstigten Teilnehmer ein von dem übrigen Flurbereinigungsgebiet abweichender Maßstab festgesetzt werden. Analog § 47 Abs. 2 FlurbG sind auch Sonderabzugsgebiete mit verringertem oder gar ganz fehlendem Sonderabzug zulässig (vgl. Mayr, a.a.O., § 47, Rn. 8). Wie sich aus dem Wortlaut sowie der Systematik des § 47 FlurbG und seinem Verhältnis zu § 19 Abs. 2 FlurbG ergibt, bezieht sich die Sonderbe- oder -entlastung nach/analog Absatz 2 dieses Paragraphen nicht auf die einem Teilnehmer aus der Flurbereinigung insgesamt erwachsenen Vorteile, d.h. nicht auf eine personenbezogene Betrachtung, auf die allein die Regelung in § 47 Abs. 3 FlurbG zielt. Entscheidend ist vielmehr die gegenstandsbezogene Beurteilung des Flächenbedarfs für gemeinschaftliche und öffentliche Anlagen in Teilen des Flurbereinigungsgebiets, der sich maßgeblich von den übrigen unterscheiden muss. Hierbei ist wiederum - mit dem Kläger - anders als nach § 19 Abs. 2 FlurbG ("besondere Anlagen") auf die Gesamtheit der gemeinschaftlichen oder öffentlichen Anlagen innerhalb von Teilgebieten abzustellen und nicht allein auf eine oder mehrere Arten von ihnen (z. B. nur auf Gräben). Hierfür spricht schon der entsprechende Wortlaut der Norm sowie ergänzend ihr Sinn und Zweck. Eine ungleiche Belastung aller Teilnehmer mit dem notwendigen Landabzug ist nur gerechtfertigt, wenn sich insoweit die jeweilige Gesamtbelastung in Teilgebieten signifikant unterscheidet, nicht aber schon dann, wenn zwar in einem Teilgebiet mehr Gewässer ausgebaut, dafür zugleich aber ggf. weniger Wege hergestellt werden. Die jeweilige Gesamtbelastung ist wiederum - mit dem Beklagten - aus systematischen Gründen nicht flächen-, sondern wertbezogen zu ermitteln, da auch die Abfindung, von der der Landabzug erfolgt, nach dem Wertverhältnis ermittelt wird (vgl. Mayr, a. a. O., § 47, Rn. 3, m. w. N.).


Schließlich ist der wertbezogene Landabzug nicht abschließend nur nach dem Wert der Einlageflurstücke, die nach dem Flurbereinigungsplan für öffentliche und gemeinschaftliche Anlagen bestimmt sind, zu ermitteln, sondern unter Abzug des Wertes u.a. der "vor der Flurbereinigung vorhandenen Anlagen gleicher Art. (§ 47 Abs. 1 Satz 1 FlurbG) sowie aus den im Einzelnen unter I 2. angeführten Gründen auch unter Abzug des (Rest-)Wertes der entsprechenden Abfindungsflurstücke, soweit sie Teilnehmern i. S. d. § 10 Nr. 1 FlurbG mit einem - wenn auch geringeren - Restwert als Abfindung zuzuteilen sind. Denn nur insoweit kommt es wertbezogen zu einem ausgleichspflichtigen Verlust.


Eine sachgerechte Ermessensentscheidung über die Bildung von Sonderabzugsgebieten mit unterschiedlichen Sätzen setzt daher auf der Grundlage einer Karte mit den gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen in einem ersten Schritt die (Vor-)Prüfung voraus, ob sich danach die Verteilung dieser Anlagen in einem oder in mehreren Teilen des Flurbereinigungsgebiets signifikant von der Verteilung im übrigen Gebiet unterscheidet. Für die Teilgebiete, die danach für die Bildung eines Sonderabzugsgebiets in Betracht kommen, sind dann nach den o.a. Kriterien die jeweiligen Werte für den Landabzug im Einzelnen zu ermitteln. Hierauf aufbauend ist dann nach einem für das gesamte Gebiet einheitlichen Maßstab abschließend darüber zu entscheiden, ob die jeweils ermittelten Unterschiede als erheblich einzustufen sind und damit die Bildung eines oder mehrerer Sondergebiete tragen.


...


Der Unterschied von 2,5 % zwischen dem Landabzug im Allgemeinen und im Sonderabzugsgebiet ist ebenfalls nicht signifikant und indiziert nicht die Bildung eines gesonderten Gebiets, sondern bewegt sich eher an der untersten Grenze für die Bildung eines Sonderabzugsgebiets.


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b) Die Bildung des TK-Sonderabzugsgebiets beruht auf der unzutreffenden Annahme, insoweit reiche der Umstand aus, nur hier seien Gräben ausgebaut worden. Hingegen hätte die Flurbereinigungsbehörde feststellen müssen, inwieweit ein "mehr" an Landverlust für Gräben ggf. durch ein "weniger" an Landverlust für Wege oder sonstige Anlagen i. S. d. §§ 39, § 40 FlurbG ganz oder teilweise ausgeglichen wird. Es fehlt daher an ausreichenden Erkenntnissen über einen aus besonderen Gründen größeren Flächenbedarf im gebildeten Sondergebiet.


...


An Neuvermessungsverlusten sind alle Teilnehmer anteilig zu beteiligen, § 47 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FlurbG (vgl. Mayr, a.a.O., § 47, Rn. 2).


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Diese Berechnung widerspricht §§ 44 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 FlurbG. Der Anteil am Flächenbeitrag, den die Teilnehmer nach § 47 Abs. 1 FlurbG aufzubringen haben, steht in einem unlösbaren Zusammenhang mit dem Grundsatz der wertgleichen Abfindung nach § 44 Abs. 1 FlurbG (BVerwG, Beschl. v 9.7.1964 - I CB 43/64 - = RzF - 4 - zu § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG). Durch den allgemeinen Landabzug ist nur der Verlust an Flächen für die gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen von den Teilnehmern aufzubringen, der nicht mehr für eine Abfindung der Teilnehmer zur Verfügung steht (in diesem Sinne auch BVerwG, Urt. v. 26.11.1969 - IV C 22/66 - BVerwGE 34, 199 ff. juris Rn. 24; HessVGH, Urt. v. 18.7.1973 - III F 34/69 - = RzF - 7 - zu § 47 Abs. 1 FlurbG und v. 4.4.1974 - III F 163/71 - = RzF - 2 - zu § 47 Abs. 2 FlurbG). Soweit Flächen für die gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen noch einen Restwert haben und Teilnehmern im Rahmen ihrer Abfindung zuzuteilen sind, ist dieser Restwert daher grundsätzlich auf ihre Abfindung nach § 44 Abs. 1 FlurbG anzurechnen und es tritt kein im Wege des Landabzuges nach § 47 Abs. 1 FlurbG auszugleichender Wertverlust ein. Bei der Berechnung des Landabzuges sind daher ohne Ansatz eines verbleibenden Restwerts nur diejenigen bereitzustellenden Flächen zu berücksichtigen, die keinen Restwert mehr haben oder die nicht auf Teilnehmer i. S. d. § 10 Nr. 1 FlurbG übertragen werden bzw. die nach gesonderten Bestimmungen ausnahmsweise nicht auf die Abfindung eines Teilnehmers anzurechnen sind.


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1. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Einbeziehung der Flächen für die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen E 3 - 5, 7 und 9 in den Landabzug nach § 47 Abs. 1 Satz 1 FlurbG nicht zu beanstanden. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 21. September 2010 tragend ausgeführt hat, können zu den öffentlichen Anlagen i. S. d. § 40 Satz 1 FlurbG und entsprechend zu den gemeinschaftlichen Anlagen i. S. d. § 39 Abs. 1 FlurbG auch Flächen gehören, die als Kompensation dem Naturschutz dienen. Zusätzliche Voraussetzung ist allerdings ein Mindestmaß an Gestaltung dieser Flächen und nicht lediglich die Überlassung zur natürlichen Entwicklung oder die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes. Entgegen der Annahme des Klägers kann jedoch nicht weitergehend verlangt werden, dass jeweils die gesamte Kompensationsfläche neu gestaltet werden muss.

Anmerkung


Zum Begriff der Anlage vgl. BVerwG Urt. v. 12.04.1984 - 5 C 110.83 - = RzF - 18 - zu § 40 FlurbG