Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 22.08.1970 - III F 286/67 = RdL 1971 S. 20= IK 1971 S. 334
Aktenzeichen | III F 286/67 | Entscheidung | Urteil | Datum | 22.08.1970 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Kassel | Veröffentlichungen | = RdL 1971 S. 20 = IK 1971 S. 334 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Frage der Erhöhung des allgemeinen Abzuges nach § 47 Abs. 1 FlurbG. |
2. | Zur Wahrung des Vertrauensschutzes ist die Flurbereinigungsbehörde verpflichtet, einen zugesagten Verwaltungsakt zu erlassen, sofern dieser nicht gegen ein Gesetzesverbot verstößt, sonst rechtswidrig ist, oder der erklärende Beamte zu der Zusage nach seiner Stellung innerhalb der Behörde nicht befugt war. |
Aus den Gründen
Die Flurbereinigungsbehörde durfte jedoch zum Ausgleich des Flächenverlustes nicht in die Abfindung der Klägerin eingreifen, denn die der Klägerin gegebene Zusage des ausführenden Beamten in bezug auf das Abfindungsgrundstück Flur Nr. 59/1 war verbindlich. Daß auch in einem Flurbereinigungsverfahren in bezug auf die Abfindung des einzelnen Teilnehmers Zusagen gegeben werden können, ist in der Rechtsprechung anerkannt (BVerwG, Urt. vom 25.5.1961, RdL 1961, 274). Die Behörde, also auch die Flurbereinigungsbehörde, kann zusagen, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen. Zur Wahrung des Vertrauensschutzes ist sie verpflichtet, den zugesagten Verwaltungsakt zu erlassen. Die Zusage ist jedoch dann nicht verbindlich, wenn sie gegen ein Gesetzesverbot verstößt, sonst rechtswidrig ist, oder der erklärende Beamte zu ihrer Erteilung nach seiner Stellung innerhalb der Behörde nicht befugt war. Hinderungsgründe dieser Art bestanden im vorliegenden Falle nicht.
Der ausführende Beamte konnte aufgrund seiner Stellung in der Behörde und in Anwendung von § 47 Abs. 1 FlurbG der Klägerin zusagen, daß ihr bei Annahme des Grundstücks Flur 7 Nr. 59/1 "Elmshorst" durch das Flurbereinigungsverfahren kein Flächenverlust entsteht. Nach § 47 Abs. 1 FlurbG haben alle Teilnehmer den zu den gemeinschaftlichen und zu den öffentlichen Anlagen erforderlichen Grund und Boden nach dem Verhältnis des Wertes ihrer alten Grundstücke zu dem Wert aller Grundstücke des Flurbereinigungsgebietes aufzubringen. In Abs. 1 Satz 3 dieser Vorschrift heißt es dann, daß der von den Teilnehmern aufzubringende Anteil für unvorhergesehene Zwecke, für Mißformen und zum Ausgleich mäßig erhöht werden kann. Aufgrund von Abs. 3 der genannten Vorschrift kann die Flurbereinigungsbehörde darüber hinaus zur Vermeidung offensichtlicher und unbilliger Härten einzelne Teilnehmer ausnahmsweise von der Aufbringung ihres Anteiles an den gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen ganz oder teilweise zu Lasten der übrigen Teilnehmer freistellen.
Daraus folgt, daß die Flurbereinigungsbehörde bei der Bemessung des allgemeinen Abzuges nach § 47 FlurbG neben dem Bedarf für die gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen unter bestimmten Voraussetzungen andere Bedarfsfälle berücksichtigen kann. So kann der allgemeine Abzug zum Ausgleich mäßig erhöht werden. Für welchen Ausgleich die Erhöhung stattfinden soll, ist im Gesetz nicht näher gesagt. Der Gesetzgeber hat hier an die Aufbringung von Land für die Fälle des § 64 FlurbG gedacht, an den Ausgleich für zugeteilte Reststücke, an die Fälle des § 44 Abs. 3 Satz 2 und des § 51 FlurbG (vgl. Seehusen - Schwede - Nebe, FlurbG, 2. Aufl. Anm. 4 zu § 47). Wenn zum Ausgleich der vorgenannten Fälle der Landabzug mäßig erhöht werden kann, dann muß das auch für Fälle gelten, in denen nicht nur ein vorübergehender Nachteil, wie in § 51 FlurbG, sondern ein dauernder Nachteil ausgeglichen werden soll. Um einen solchen dauernden Nachteil handelte es sich bei dem schlechten Kulturzustand und der Nässe in dem Abfindungsgrundstück Flur 7 Nr. 59. Das ist auch von dem Beklagten und den Beigeladenen nicht bestritten worden. Ein weiterer dauernder Nachteil ist verbunden mit dem Entfernungsverlust, den die Klägerin durch Zuteilung des Grundstücks Flur 7 Nr. 59/1 erlitten hat. Der Entfernungsverlust bedeutet zugleich eine Wertminderung, denn die Entfernung ist ein wertbildender Faktor, der nach § 44 Abs. 4 FlurbG bei der Berechnung der Abfindung zu berücksichtigen ist (vgl. BVerwG vom 27.6.1961, RdL 1961, 239).
Die Schaffung eines Ausgleichs für die Mängel des Grundstücks Flur 7 Nr. 59/1 und des Entfernungsverlustes von 291 m durch Zuteilung von Land widersprach demnach nicht der gesetzlichen Regelung. Sie rechtfertigte die Erhöhung des Landabzugs im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 2 FlurbG.
Der Einwand der Beigeladenen R., daß bei einem Bedarf von 0,7 % für gemeinschaftliche und öffentliche Anlagen der Abzug von 1,3 % zum Ausgleich von Nachteilen im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 2 FlurbG überhöht sei, ist nicht begründet. Den Maßstab für die "mäßige" Erhöhung des allgemeinen Abzuges bildet nicht der Bedarf an Grund und Boden für gemeinschaftliche und öffentliche Anlagen, sondern die infolge der Erhöhung eingetretene Belastung der Teilnehmer. Andernfalls könnte in einem Verfahren, in dem der Grund und Boden der vorhandenen Anlagen den Bedarf für die neuen Anlagen deckt, eine Erhöhung zum Ausgleich im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 2 FlurbG nicht gemacht werden. Nach Ansicht des erkennenden Senats bestehen keine Bedenken, zum Ausgleich von Nachteilen im Sinne der genannten Vorschrift den allgemeinen Abzug um 1,3 % zu erhöhen. Nach der von dem Kulturamt gegebenen Aufschlüsselung, gegen deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen, sind von den 2 % des allgemeinen Abzuges 0,75 % für das Wege- und Gewässernetz und 1,25 % für Entschädigungen sowie für unvermeidliche Mehr- oder Minderabfindungen verwendet worden. Von der so aufgebrachten Fläche von 8,34 ha sind der Klägerin 2,6 ha und der Beigeladenen R. 0,55 ha zugefallen. Die restliche Fläche von rd. 5 ha ist nach der Darstellung des Kulturamts zum Ausgleich von Nachteilen bei anderen Teilnehmern verwandt worden.
Daraus folgt, daß die Erhöhung des allgemeinen Abzuges durch § 47 Abs. 1 Satz 1 FlurbG gedeckt wird.