Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 24.10.1973 - 3 C 10/72
Aktenzeichen | 3 C 10/72 | Entscheidung | Urteil | Datum | 24.10.1973 |
---|---|---|---|---|---|
Gericht | Flurbereinigungsgericht Koblenz | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Wenn Weinbergsmauern, die sich am Rande einer Bundesstraße befinden und im Eigentum der Oberlieger standen, auf den Straßeneigentümer übertragen werden, dann liegt eine Veränderung einer dem öffentlichen Verkehr dienende Anlage vor. |
2. | Es ist grundsätzlich fehlerhaft, die Oberlieger von der Last der Weinbergsmauern einschließlich ihrer Unterhaltung zum Schaden des Straßeneigentümers zu befreien. Ausnahmsweise kann dies zulässig sein, wenn die Mauern ganz oder überwiegend der Verkehrssicherheit dienen (ebenso Urteil vom 20.11.1969 - 3 C 14/67 - RdL 1970 S. 163 RzF - 13 - zu § 37 Abs. 2 FlurbG). |
Aus den Gründen
Die im Flurbereinigungsgebiet an der B 53 bergseitig aufstehenden Weinbergsmauern - mit Ausnahme der aus dem Gelände der früheren M. AG stammenden - durften der Klägerin nicht zu Eigentum und zur Unterhaltung zugewiesen werden. Die Klägerin war bisher nicht Eigentümerin der streitigen Weinbergsmauern. Nach der von der Klägerin vorgelegten Katasterkarte waren die Weinbergsmauern durchweg am Fuße versteint; sie waren somit Teile der anliegenden Weinbergsparzellen. Daraus ergibt sich, daß die jeweiligen Oberlieger als Eigentümer dieser Parzellen zugleich Eigentümer der an ihre Grundstücke anschließenden Weinbergsmauern waren. Dieser Schlußfolgerung widerspricht nicht die Tatsache, daß im Jahre 1904 eine Anzahl von Parzellen einschließlich von Mauerteilen von der damaligen Straßenverwaltung (Provinzialverband der Rh.-Provinz) an die Oberlieger verkauft worden sind und für eine Mauerlänge von ca. 117 m zugunsten der Straßenverwaltung die Unterhaltungslast für die Mauern zu Lasten der Käufer im Grundbuch eingetragen worden ist. Dabei handelt es sich um sogenannte Restflächen; jedenfalls kann daraus angesichts der aus der Katasterkarte hervorgehenden Eigentumsverhältnisse nicht geschlossen werden, daß die Klägerin auch Eigentümerin der übrigen rd. 1070 m langen Mauern gewesen ist. Es mag, wie der Beklagte vorträgt, zutreffen, daß die Mauern im Zuge des nach und nach entstandenen Weges vom Straßeneigentümer angelegt worden sind. Das bedeutet aber nicht, daß sie im Eigentum des Straßeneigentümers stehen. Sie sind, wie die Katasterkarte zeigt, offensichtlich als Grundstücksteile von Grundstücken der Oberlieger in deren Eigentum verblieben oder ihnen zu Eigentum übertragen worden.
Steht somit fest, daß die Weinbergsmauern im Eigentum der Oberlieger standen, dann handelt es sich bei der Zuteilung auf die Klägerin um eine Veränderung von Anlagen, die dem öffentlichen Verkehr dienen. Eine Veränderung einer Anlage, die dem öffentlichen Verkehr dient, liegt insoweit vor, als die B 53 in dem hier streitigen Teilabschnitt nunmehr - nach Rechtskraft des Flurbereinigungsplanes - nicht mehr nur aus der eigentlichen Straße, sondern aus einer mit Stützmauern versehenen Straße bestehen würde. Diese Erweiterung ist schon eine Veränderung im Sinne des § 45 Abs. 1 FlurbG (Steuer, FlurbG, Komm., 2. Aufl., Anm. 1 zu § 45). Dies gilt darüber hinaus besonders dann, wenn mit der Flächenerweiterung eine besondere Last, nämlich die Unterhaltungspflicht, verbunden ist; denn gerade die Tragweite der Maßnahme ist der Grund für die Zustimmungsbedürftigkeit nach § 45 Abs. 1 FlurbG (Steuer, a.a.O.; ähnlich auch BVerwG, Beschluß vom 19.4.1963, RdL 1963, 166 für Hofräume). Da die Zustimmung der Klägerin als Eigentümerin und Unterhaltungspflichtige nicht vorliegt, ist die Veränderung unzulässig.
Ferner könnte auch schon der Wege- und Gewässerplan bzw. seine endgültige Feststellung im Flurbereinigungsplan bezüglich des angefochtenen Teiles unzulässig sein. Die Planung hinsichtlich des betroffenen Streckenabschnitts der B 53 liegt nach den §§ 16 ff. FStrG bei dem Bundesminister für Verkehr oder bei der obersten Landesstraßenbaubehörde (§ 22 FStrG). Die Flurbereinigungsbehörde könnte somit durch Zuteilung der Stützmauern eine Planung vorgenommen haben, die "in anderen Gesetzen", hier im Bundesfernstraßengesetz, geregelt ist. Sie wäre dann gemäß § 41 Abs. 3 S. 3 FlurbG unzulässig.
Indessen ist es zweifelhaft, ob die Zuteilung der Stützmauern auf den Träger der Straßenbaulast eine Planungsmaßnahme im Sinne des § 41 Abs. 3 S. 3 FlurbG darstellt oder ob lediglich die Eigentumsverhältnisse verschoben worden sind, was schon - wie oben ausgeführt - gemäß § 45 Abs. 1 FlurbG mangels der fehlenden Zustimmung unzulässig war. Die Frage, ob § 41 Abs. 3 S. 3 FlurbG hier Anwendung findet, kann deshalb unbeantwortet bleiben.
Selbst wenn aber der angefochtene Teil des Flurbereinigungsplanes nicht aus den Gründen des § 45 Abs. 1 FlurbG unzulässig wäre, müßte die Klage aus den folgenden Gründen Erfolg haben: Wie der erkennende Senat in dem Urteil vom 20.11.1969 (Werlau) - 3 C 14/67 - (AS 11, 245; RdL 1970, 163) ausgeführt hat, ist es grundsätzlich unbillig und gemäß § 44 FlurbG fehlerhaft, den bisherigen Eigentümer zum Schaden eines anderen Beteiligten von einer Last zu befreien. Da die Oberlieger, wie oben ausgeführt, Eigentümer der Mauern waren, könnte - abweichend vom Grundsatz - die Übertragung des Eigentums auf die Klägerin mit der damit verbundenen Unterhaltungslast nur unter Berücksichtigung ganz besonderer Umstände erfolgen. Solche Umstände sind hier nicht festzustellen. Die Klägerin ist, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, nicht ganz oder überwiegend Nutznießerin der Mauern. Die Straße wird durch die Existenz der Mauern nicht wesentlich vor herabfallendem Geröll geschützt; die Verkehrssicherheit der Straße hängt also nicht in erheblichem Umfang von der Existenz der Mauern ab. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Geologischen Landesamtes Rh.-Pf. vom 16.5.1973, das zu dem Ergebnis kommt, daß die Verkehrssicherheit in dem streitigen Bereich nicht im wesentlichen vom Vorhandensein der Mauern abhängig sei. Die Straßenverwaltung muß zwar im allgemeinen, wenn sie eine Straße in einem geschlossenen Weinbaugebiet ausbaut, die Notwendigkeiten einer ordnungsgemäßen Weinbergsbestellung berücksichtigen. Aus diesem Grunde muß sie dann beachten, daß ein Weinberg eine gelockerte Schicht von weit größerer Tiefe als bei anderen Kulturpflanzen beansprucht, und daß daher in steilen Hanglagen nur eine Mauer, nicht aber eine normale Böschung, das Abrutschen dieser Schicht verhindern kann. Dieser Gesichtspunkt kann indessen im vorliegenden Fall nicht zu einer Zuteilung der umstrittenen Mauern an die Klägerin führen. Die zu Beweiszwecken durchgeführte Ortsbesichtigung hat nämlich keine Anhaltspunkte ergeben, die Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses des Gutachtens begründen könnten. Überwiegend sind die angrenzenden Grundstücke der Oberlieger durch die Existenz der Mauern begünstigt. Die Mauern verhindern das Abschwemmen des Mutterbodens aus den Weinbergen auf die Straße; das Liegenlassen von breiten Böschungsflächen, die der Nutzung als Weinberge entzogen würden, erübrigt sich, und der Zugang zu den oberhalb liegenden Grundstücken wird durch Benutzen der vorhandenen Treppen erleichtert.
Es sind auch keine anderen Gründe vorhanden, welche es zuließen, die Mauern und deren Unterhaltungslast auf die Klägerin zu übertragen. Die Ansicht des Beklagten, daß die Mauern als Stützmauern im Sinne des § 1 FStrG funktionsmäßig zur Straße gehörten und daß sie deshalb der Klägerin zugeteilt werden müßten, trifft nicht zu. Die Klägerin hat zutreffend unter Berufung auf einen von ihr zitierten Aufsatz von R.Zepka in "Straße und Autobahn" 1964 S. 369 ausgeführt, daß nicht jede an einer Straße aufstehende Mauer als eine zur Straße gehörige Stützmauer anzusehen ist, insbesondere wenn sie - wie hier - nicht als Straßenstützmauer errichtet worden ist und auch nicht überwiegend zur Erfüllung der Aufgaben der Straßenverwaltung dient.
Der Senat hält es für geboten und zweckmäßig, nicht lediglich den angefochtenen Verwaltungsakt aufzuheben und die Sache an die Obere Flurbereinigungsbehörde zurückzuverweisen, sondern gemäß § 146 Nr. 2 i.V.m. § 144 1. Alternative FlurbG eine eigene Entscheidung darüber zu treffen, wem die streitigen Mauern zuzuteilen sind. Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin insoweit keinen Antrag gestellt und sich darauf beschränkt hat, die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu begehren. Es liegt nämlich im wohlverstandenen Interesse auch der Klägerin, daß alsbald über die Zuteilung der Mauern entschieden wird, damit sie weiß, an wen sie sich bei etwaigen durch die Mauern hervorgerufenen Komplikationen zu halten hat. Schließlich ist auch auf § 146 Nr. 1 FlurbG zu verweisen, der festlegt, daß das Flurbereinigungsgericht an die Anträge der Beteiligten nicht gebunden ist.
Bei Abwägung, wem unter den Beteiligten die Weinbergsmauern zuzuteilen sind, und damit - worauf es hier praktisch ankommt - wer die Unterhaltungslast übernehmen muß, ist der Senat zu dem Ergebnis gekommen, daß die Zuteilung an die Teilnehmergemeinschaft die zweckmäßigste Lösung darstellt. Darin ist kein Widerspruch zu den obigen Ausführungen, daß nämlich grundsätzlich die Eigentümer die ihnen obliegende Last behalten müßten, zu sehen. Dies wären, wie oben ausgeführt, die Oberlieger. Hier ist jedoch eine Abweichung vom Grundsatz angebracht. Bei der Abwägung, ob die gesamte Teilnehmergemeinschaft oder nur die Oberlieger die Last tragen sollen, muß nämlich berücksichtigt werden, daß bei einer Übertragung auf die Oberlieger bei jedem einzelnen Altbesitz und Planzuteilung gegenübergestellt und Nachteile sowie Vorteile ausgeglichen werden müßten. Das bedeutet, daß alle Oberlieger, deren Nachteile durch eine Entschädigung in Geld ausgeglichen werden müßten, wiederum der Teilnehmergemeinschaft zur Last fallen würden. Mit anderen Worten: Die Teilnehmergemeinschaft wäre auch dann mit Geldverpflichtungen belastet, wenn die Übertragung der Mauerparzellen auf die Oberlieger erfolgen würde. Die Teilnehmergemeinschaft müßte also auf jeden Fall belastet werden, gleich, ob ihr die Mauern zugeteilt würden oder ob die Oberlieger das Eigentum mit der Unterhaltungspflicht erhielten und dadurch Ausgleichsforderungen entstünden. Ferner war auch zu erwägen, daß die ordnungsgemäße Unterhaltung der Mauern kaum möglich ist, wenn der Unterhaltungspflichtige jeweils nach wenigen Metern wechselt.
Als Folge der hier getroffenen Entscheidung muß allerdings die Teilnehmergemeinschaft gemäß § 151 FlurbG bestehen bleiben. Jedoch kann die Flurbereinigungsbehörde mit der Rechtskraft der Schlußfeststellung die Vertretung der Teilnehmergemeinschaft und die Verwaltung ihrer Angelegenheiten auf die Gemeindebehörde übertragen.