Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 23.02.1978 - 63 XIII 77 = RdL 1978 S. 305= AgrarR 1978 S. 233

Aktenzeichen 63 XIII 77 Entscheidung Urteil Datum 23.02.1978
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen RdL 1978 S. 305 = AgrarR 1978 S. 233  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Zur Ermessensausübung der Flurbereinigungsbehörde bei Erlaß der vorzeitigen Ausführungsanordnung.
2. Zur Gleichzeitigkeit des Rechtseintritts bei Forderungsüberweisungen in ein anderes Flurbereinigungsgebiet.
3. § 44 Abs. 6 FlurbG ist eine zwingende Abfindungsregel, auf deren Verwirklichung ein Rechtsanspruch besteht und die aus verfassungsrechtlichen Gründen unabdingbar ist.
4. § 44 Abs. 6 FlurbG läßt die Grenzen der Flurbereinigungsgebiete und damit den Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich der Teilnehmergemeinschaften unberührt.

Aus den Gründen

Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die vorzeitige Ausführung des Flurbereinigungsplanes vor (§ 63 Abs. 1 FlurbG), so steht der Erlaß der vorzeitigen Ausführungsanordnung im pflichtgemäßen Ermessen der Flurbereinigungsbehörde. Die Handhabung dieses Ermessens unterliegt der gerichtlichen Nachprüfung im Rahmen des § 114 VwGO (§ 146 Nr. 2 FlurbG findet hier keine Anwendung).

Die Flurbereinigungsbehörde ist bei ihrer Ermessensentscheidung gehalten, durch sorgfältige Prüfung aller Umstände die Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen, die sich aus dem vorzeitigen Eintritt der rechtlichen Wirkung der Flurbereinigung ergeben, insbesondere auch, ob im Hinblick auf die anhängigen Rechtsmittelverfahren der formellen Verwirklichung des neuen Rechtszustandes durch die Berichtigung des Grundbuches Hindernisse entgegenstehen (BVerwGE 9, 288). Wenn dabei auch die Angriffe der Teilnehmer gegen den Flurbereinigungsplan grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind, so können gleichwohl schwerwiegende Einwendungen gegen den Plan Bedenken gegen die vorzeitige Ausführungsanordnung oder gegen den Zeitpunkt, in dem sie erlassen worden ist, begründen (BVerwG, Urteil vom 27.2.1958, RdL 1959, 26 und ständige Rechtsprechung). Ferner hat das Gericht bei der Anfechtung von Verwaltungsakten, deren Erlaß im Ermessen der Verwaltung steht, zu prüfen, ob angesichts besonderer Umstände des Falles überhaupt nur eine Entscheidung ermessensfehlerfrei und damit rechtens sein kann, ob der Ermessensspielraum der Verwaltung insofern also auf "Null reduziert" ist (Kopp, 3. Auflage, Anmerkung 2 zu § 114 VwGO und die dort zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts); ist aber eine andere als die eine nur zulässige Entscheidung getroffen worden, so ist sie ermessensfehlerhaft und aufzuheben. Beide vorgenannten Rechtsgrundsätze rechtfertigen die Klageanträge; denn die Behörde konnte zu dem von ihr gewählten Zeitpunkt die - vorzeitige - Ausführungsanordnung G. nicht erlassen; sie mußte bedenken, daß

  • der Flurbereinigungsplan G. Austäusche von Landabfindungen in und aus den Flurbereinigungsgebieten M. und H. enthält, ohne daß der neue Rechtszustand gleichzeitig eintritt (nachfolgende Abschnitte 1 und 3),
  • wegen der Unmöglichkeit, den gleichzeitigen Rechtszustand herbeizuführen, der Flurbereinigungsplan G. (wie auch der Flurbereinigungsplan M.) in großem Umfang zu ändern ist und
  • der Flurbereinigungsplan G. noch unvollständig und daher nicht ausführungsfähig war und ist.

Der Flurbereinigungsplan G. sieht Überweisungen (§ 44 Abs. 6 FlurbG) mit dem benachbarten Flurbereinigungsgebiet M. vor. Hiervon werden auch die Abfindungen der Kläger betroffen. So erhalten die Kläger Forderungswerte in einer Flächengröße von etwa 3,3 ha, die Kläger C. von etwa 6,6 ha und die Kläger He. von rund 3,4 ha aus ihren Einlagen im Flurbereinigungsgebiet G. als Abfindung im Flurbereinigungsgebiet M.; demgegenüber werden die Besitzstände der Kläger H. und D./R. für ihre Einlagen im Flurbereinigungsgebiet M. ausschließlich im Flurbereinigungsgebiet G. abgefunden. Die Ausführung dieser Planentscheidungen steht mit dem Flurbereinigungsgesetz nicht im Einklang, da der Flurbereinigungsplan M. bereits im Jahre 1972 (Rechtsübergang zum 15.3.1972) zur Ausführung angeordnet worden ist. Nach § 44 Abs. 6 FlurbG können Landabfindungen im Wege des Austausches nur dann in einem anderen Flurbereinigungsgebiet ausgewiesen werden (Überweisungen), soweit in den betroffenen Flurbereinigungsgebieten der neue Rechtszustand gleichzeitig eintritt. Darüber, wann der neue Rechtszustand eintritt, entscheidet die Flurbereinigungsbehörde in der - vorzeitigen - Ausführungsanordnung (§ 61 Satz 2 FlurbG). In dieser Entscheidung liegt - von den hier nicht interessierenden Überleitungsbestimmungen abgesehen - der wesentliche Inhalt einer - vorzeitigen - Ausführungsanordnung. Sie fügt damit den Festsetzungen des Flurbereinigungsplanes, der mit seiner Bekanntgabe oder Unanfechtbarkeit selbst noch keine rechtliche Wirkungen zeitigt, eine Ergänzung hinzu, nämlich die Festsetzung des Tages, an dem die im Flurbereinigungsplan erstrebte Neuordnung des Bereinigungsgebietes rechtliche (und tatsächliche) Wirksamkeit erlangen soll (BVerwGE 12, 341). Die rechtlichen Wirkungen gehen im wesentlichen dahin, daß die im Flurbereinigungsplan festgesetzten Abfindungen an die Stelle der alten Grundstücke und der aufgehobenen Berechtigungen mit allen ihren Beziehungen treten; die Einlagegrundstücke gehen rechtlich unter; an ihre Stelle treten kraft Gesetzes die im Flurbereinigungsplan ausgewiesenen Abfindungsflurstücke (BVerwGE 2, 40). Im Falle von Überweisungen muß diese rechtliche Wirkung in den betroffenen Flurbereinigungsgebieten gleichzeitig eintreten. Das gesetzliche Gebot rechtfertigt sich aus der Schutzfunktion, die § 44 Abs. 6 FlurbG erfüllt (vgl. insoweit VGH Kassel, Urteil vom 4.11.1970, RzF - 1 - zu § 44 Abs. 6 FlurbG). Das Flurbereinigungsgesetz geht von dem Grundsatz aus, daß jeder Teilnehmer Ersatzland für seine alten Grundstücke in dem betreffenden Flurbereinigungsgebiet erhält (§ 44 Abs. 1 FlurbG). Damit ist sichergestellt, daß sich gleichzeitig mit dem Untergang der alten Grundstücke das Eigentum an den neuen Flurstücken fortsetzt (§ 68 Abs. 1 FlurbG). Aus verfassungsrechtlichen Gründen (Artikel 14 GG) darf sich keine "gedankliche Sekunde" ergeben, in der der Gegenstand des im Flurbereinigungsverfahrens unverändert bleibenden Eigentumsrechts ausbleibt. Diese Kontinuität muß auch bei Überweisungen gewährleistet sein. § 44 Abs. 6 FlurbG kann keineswegs nur als Ordnungsvorschrift angesehen werden, auf deren Einhaltung die Teilnehmer keinen Anspruch hätten. § 44 Abs. 6 FlurbG räumt der Behörde somit bei der Frage, ob und wann sie die Ausführung der mit Überweisungen befrachteten Flurbereinigungspläne anordnet, keinen Ermessensspielraum in der Richtung ein, ob sie einen der Flurbereinigungspläne vorweg zur Ausführung bringen und damit den Eintritt des neuen Rechtszustandes vorziehen will. Nur eine solche Entscheidung ist ermessensfehlerfrei und damit rechtmäßig, die den neuen Rechtszustand gleichzeitig eintreten läßt. Ist aber - wie vorliegend - die Ausführungsanordnung in dem einen Flurbereinigungsgebiet (M.) bereits erlassen, so ist andererseits für eine Ausführung des Planes im anderen Flurbereinigungsgebiet (G.) erst Raum, wenn die vorgesehenen Überweisungen rückgängig gemacht sind. § 44 Abs. 6 FlurbG nimmt unmittelbaren Einfluß auf den Zeitpunkt, in dem der in der - vorzeitigen - Ausführungsanordnung zu bestimmende Zeitpunkt des Rechtsüberganges nur eintreten kann. Das ist aber im Hinblick darauf, daß ein gleichzeitiger Eintritt des neuen Rechtszustandes mit dem Flurbereinigungsgebiet M. nicht mehr hergestellt werden kann, erst rechtlich zulässig, wenn der Flurbereinigungsplan G. durch entsprechende Änderungen "überweisungsfrei" gestellt ist. Dem kann vorliegend nicht mit Überlegungen begegnet werden, dem Flurbereinigungsplan G. könnten im Verhältnis zum Flurbereinigungsplan M. durch entsprechende Änderungen nach Erlaß der vorzeitigen Ausführungsanordnung (§ 64 FlurbG in Verbindung mit § 63 Abs. 2 FlurbG) die Überweisungen genommen werden. Das Gericht hat darüber zu befinden, ob der Flurbereinigungsplan G. zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung überweisungsfrei und damit ausführungsreif ist. Das war und ist vorliegend nicht der Fall.

Die Ergänzung des Flurbereinigungsplanes M. durch den Bescheid der Flurbereinigungsdirektion W. vom 15.4.1977 ändert am rechtlichen Ergebnis nichts; dieser Bescheid ergänzt lediglich den Flurbereinigungsplan M. in einem Bereich, den die Teilnehmergemeinschaft M. nicht neu geordnet hat; die Überweisungen selbst werden durch ihn nicht rückgängig gemacht; vielmehr soll ihnen dadurch gerade rechtlicher Bestand gegeben werden. Deshalb bestimmt der Bescheid auch nicht, für welche Einlagen in welchem Flurbereinigungsgebiet die Landabfindung gegeben wird. Eine nach Flurbereinigungsgebieten getrennte Nachprüfung der Wertgleichheit (§ 44 Abs. 1 FlurbG) ist nicht möglich; die Ausweisung getrennter Landabfindungen muß aber geschehen, da Überweisungen unzulässig sind. - Die Frage, ob und aus welchen Gründen die vorzeitige Ausführungsanordnung M. vom 21.2.1972 als nichtig anzusehen ist, kann offen bleiben. Für diesen Fall müßte die vorzeitige Ausführungsanordnung G. als eine gegenüber dem Flurbereinigungsgebiet M. vorgezogene Ausführung des Planes angesehen werden und Überweisungen würden sich gleichfalls verbieten (§ 44 Abs. 6 FlurbG).

§ 44 Abs. 6 FlurbG wirkt sich darüber hinaus als zwingende Abfindungsregel aus. Nachdem der Rechtsübergang im Flurbereinigungsgebiet M. bereits eingetreten ist, verbieten sich - wie ausgeführt - die im Flurbereinigungsplan G. vorgesehenen Überweisungen. Die Kläger gehen hiergegen auch vor und rügen den gesetzlichen Verstoß (§ 44 Abs. 6 FlurbG); ihre Planklagen richten sich insbesondere auch gegen den Bescheid der Flurbereinigungsdirektion W. vom 15.4.1977, der gerade die Überweisungen zur Grundlage hat. Die Angriffe gegen den Flurbereinigungsplan G. führen - das steht wegen der Bestimmung in § 44 Abs. 6 FlurbG bereits im gegenwärtigen Zeitpunkt fest - zur Rückgängigmachung der überwiesenen Landabfindungen und damit zu wesentlichen Änderungen des Flurbereinigungsplanes G. (wie auch M.), wobei sich die Änderungen wegen ihres Ausmaßes mit Sicherheit nicht allein auf die Besitzstände der Kläger beschränken. Dieser schwerwiegende Mangel des Flurbereinigungsplanes G. nimmt Einfluß auf die Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Ausführungsanordnung vom 9.12.1976, die damit keinen Bestand haben kann. Hinzu kommt, daß noch acht weitere Besitzstände im Klageweg gegen den Flurbereinigungsplan G. vorgehen, deren Abfindungen Überweisungen mit dem Flurbereinigungsgebiet M. beinhalten. Im Hinblick auf die in den anhängigen Rechtsmittelverfahren zu erwartenden Planänderungen ist im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit kein Raum für den Eintritt des neuen Rechtszustandes und dessen formelle Verwirklichung. Der derzeitige Planstand für G. (und M.) kann aus dieser Sicht (von Änderungen im Rechtsmittelverfahren abgesehen) nur dann rechtlichen Bestand haben; wenn zunächst beide Ausführungsanordnungen mit den darin festgesetzten unterschiedlichen Zeitpunkten des Rechtsüberganges aus der Welt geschafft sind; erst dann hat es die Behörde in der Hand, den Zeitpunkt des neuen Rechtszustandes in beiden Flurbereinigungsgebieten gleichzeitig eintreten zu lassen.

Die Frage, ob Teilnehmer auf die ihnen in § 44 Abs. 6 FlurbG eingeräumten Rechte wirksam verzichten können - wozu sich der Beklagte bekennt - stellt sich im vorliegenden Fall, in dem es um die Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Ausführungsanordnung geht, nicht. Die Erklärungen der Kläger S., C. und He. anläßlich der Wunschverhandlungen zum Flurbereinigungsplan M., mit einer Überweisung vom Flurbereinigungsgebiet M. in das Flurbereinigungsgebiet G. einverstanden zu sein, müssen schon deshalb unberücksichtigt bleiben, da in dieser Richtung eine Überweisung gar nicht stattgefunden hat; sie sollen vielmehr im Flurbereinigungsgebiet M. eine Abfindung erhalten, die ihre Forderung aus den Einlagen in diesem Gebiet bei weitem übersteigt (Überweisung von G. nach M.). Davon abgesehen (und das gilt für alle Kläger) läßt sich die Frage nach der Abdingbarkeit des § 44 Abs. 6 FlurbG, soweit es um den gleichzeitigen Eintritt des neuen Rechtszustandes geht, nicht aus der Sicht einzelner Teilnehmer, sondern nur aus der Sicht der Gesamtheit der Flurbereinigungspläne und der Teilnehmer beantworten. Der Beklagte verkennt, daß sich das verfassungsrechtlich begründete Gebot, den neuen Rechtszustand gleichzeitig eintreten zu lassen, nicht auf die einzelnen ausgetauschten Landabfindungen beschränkt, sondern auf das gesamte Flurbereinigungsgebiet bezieht. Der in der - vorzeitigen - Ausführungsanordnung zu bestimmende Tag kann nur einheitlich für den gesamten Flurbereinigungsplan bzw. für die gesamten mit Überweisungen befrachteten Flurbereinigungspläne festgelegt werden; das Gesetz verbietet es, einzelne Abfindungen oder Abfindungsbereiche hiervon auszunehmen (BVerwG, Urteil vom 16.1.1962, RdL 1962, 107), etwa solche, in denen die Teilnehmer bereit sind, den nicht gleichzeitigen Eintritt des neuen Rechtszustandes hinzunehmen. Die darauf abzielenden Erklärungen einzelner Teilnehmer gehen mithin ins Leere. Sie sind insbesondere nicht geeignet, das Ermessen der Flurbereinigungsbehörde nach § 63 Abs. 1 FlurbG in eine Richtung zu drängen, die von der Rechtslage nach § 44 Abs. 6 FlurbG abweicht. Auf das Ergebnis der vom Beklagten - vorsorglich - beantragten Beweisaufnahme kommt es deshalb nicht an. - Auch aus dieser Sicht ist der Bescheid der Flurbereinigungsdirektion W. vom 15.4.1977, dem die Überweisungen zugrundeliegen, nicht geeignet, rechtmäßige Zustände herzustellen. Nachdem Überweisungen zwischen den Flurbereinigungsgebieten G. und M. kraft Gesetzes ausscheiden, müssen die Kläger für ihre Einlagen in den betreffenden Flurbereinigungsgebieten auch je eine Landabfindung erhalten, deren Wertgleichheit nachprüfbar ist. Das ist aber im Falle der klägerischen Besitzstände nicht möglich; denn es bleibt - wie bereits angedeutet - völlig ungewiß, wie die Gesamtforderung aus jedem der beiden Flurbereinigungsgebiete in dem jeweiligen Flurbereinigungsgebiet abgefunden worden ist. - Ferner blieben beim Vollzug solcher nur vom Grundstückseigentümer abgegebener Zustimmungserklärungen die zu berücksichtigenden Interessen der Grundpfandgläubiger und sonstiger Drittberechtigter (§ 10 Nr. 2 Buchstabe d FlurbG) unbeachtet; ihnen stünde vorübergehend kein Zugriffsobjekt zur Verfügung.

Der Flurbereinigungsplan G. sieht ferner Überweisungen mit dem benachbarten Flurbereinigungsgebiet H. vor, für das aber die Ausführung des Flurbereinigungsplanes bislang noch nicht angeordnet worden ist. Der Flurbereinigungsplan G. ist - soll er hinsichtlich des Zeitpunktes für den Eintritt des neuen Rechtszustandes vorgezogen werden - in dieser Richtung erst "ausführungsreif", wenn die angestrebten Überweisungen rückgängig gemacht sind.

Zwar werden die Besitzstände der Kläger von Überweisungen mit dem Flurbereinigungsgebiet H. nicht erfaßt. Gleichwohl verletzt sich auch insoweit die unter Verstoß gegen § 44 Abs. 6 FlurbG erlassene vorzeitige Ausführungsanordnung G. in ihren Rechten, da sie Teilnehmer am Flurbereinigungsverfahren G. sind und die vorzeitige Ausführung dieses Planes auch ihre Abfindungen erfaßt, soweit sie im Flurbereinigungsgebiet G. gelegen sind. § 44 Abs. 6 FlurbG spricht bezüglich des Gebotes der Gleichzeitigkeit nicht die einzelnen Landabfindungen, sondern das Flurbereinigungsgebiet an, in dem klägerischer Besitz liegt, der einer bestimmten Regelung unterworfen wird. - Die Ergänzung des Flurbereinigungsplanes G. durch den Bescheid der Flurbereinigungsdirektion W. vom 18.7.1977 manifestiert - ebenso wie der Bescheid vom 15.4.1977 - die Überweisungen, macht aber den Flurbereinigungsplan G. nicht überweisungsfrei und damit ausführungsreif. Auf die Zustimmung einzelner von der Überweisung betroffener Teilnehmer kommt es auch hier - wie oben ausgeführt - nicht an.

Schließlich war und ist der Flurbereinigungsplan G. wegen seiner Unvollständigkeit einer Ausführung nicht zugänglich.

Die Flurbereinigungsbehörde (in Bayern: die Teilnehmergemeinschaft nach § 18 Abs. 2 FlurbG, Art. 2 AGFlurbG) hat das Flurbereinigungsgebiet neu zu gestalten. Über die Neugestaltung wird im Flurbereinigungsplan entschieden, der die Ergebnisse des Verfahrens zusammenfaßt. Er hat nach § 58 Abs. 1 Satz 2 FlurbG insbesondere die Abfindungen für die Beteiligten sowie die gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen nachzuweisen und die sonstigen Rechtsverhältnisse zu regeln. Erst wenn diese Regelungen im Flurbereinigungsplan getroffen sind, ist er ausführungsreif und -fähig (§ 61 ff. FlurbG). Die Teilnehmergemeinschaft G. hat es - einer unzutreffenden Rechtsüberzeugung folgend - unterlassen, einen Bereich ihres Flurbereinigungsgebietes neu zu ordnen. Es handelt sich dabei um den Bereich, den sie als sogenannten Abfindungsbereich der Teilnehmergemeinschaft H. zur Neuordnung überließ (vgl. Niederschriften des Vorstandes Seite 167 und die Darstellungen in der Neuverteilungskarte). Die Teilnehmergemeinschaft G. hat dabei verkannt, daß sie auch für diesen Bereich den Flurbereinigungsplan aufzustellen, insbesondere die Abfindungen festzusetzen hat (Art. 2 AGFlurbG), ohne Rücksicht darauf, welche Teilnehmergemeinschaft die technischen Vorarbeiten hierfür liefert; denn § 44 Abs. 6 FlurbG läßt die Grenzen des Flurbereinigungsgebietes und damit den Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich der betreffenden Teilnehmergemeinschaft unberührt. Zwar geht der Vorstandsbeschluß vom 5.9.1974 über die Aufstellung des Flurbereinigungsplanes G. in diese Richtung, wenn es dort heißt, "die Abfindungen des hiesigen Bereinigungsgebietes, die von der Teilnehmergemeinschaft H. vorgerechnet und in deren Unterlagen ausgewiesen wurden, werden hiermit festgestellt (§ 44 Abs. 6 Satz 2 FlurbG)". Diese planerische Festsetzung ging jedoch ins Leere. Im Zeitpunkt der Aufstellung des Flurbereinigungsplanes G. standen in dem für H. "vorbehaltenen Abfindungsbereich" des Flurbereinigungsgebietes G. noch keinerlei festsetzbare Unterlagen zur Verfügung. Der Flurbereinigungsplan H. mit den Nachweisen über die Abfindungen und sonstigen Anlagen (§ 58 FlurbG) im maßgeblichen Bereich des Flurbereinigungsgebietes G. folgte erst Jahre später (am 1.7.1977) nach und ist bislang noch nicht bekanntgegeben. Auf diese Festsetzungen konnte sich die Ausführung vom 9.12.1976 mit Sicherheit nicht beziehen. Ein Verwaltungsakt aber, dessen maßgeblicher Inhalt sich erst Jahre nach seiner Bekanntgabe abzeichnet, kann nicht vorher zur Ausführung gebracht werden. Er ist nicht ausführungsfähig und kann letztlich von niemandem ausgeführt werden; denn es fehlen in diesem Bereich die Festsetzungen über die Abfindungen und die sonstigen rechtlichen Verhältnisse einschließlich der gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen mit den zur Ausführung maßgeblichen Angaben. Auch die kartenmäßige Darstellung der Neuordnung im vorbehaltenen Bereich in der Neuverteilungskarte G., die anläßlich der Bekanntgabe des Flurbereinigungsplanes G. aufgelegen war, läßt zeichnerische Darstellungen nach § 58 FlurbG vermissen; es sind dort keine Abfindungen vorgetragen, sondern lediglich Wirtschaftsflächen, die nur zur vorübergehenden Nutzung zur Verfügung gestellt wurden, oder Freiflächen. Die Ausführung des Flurbereinigungsplanes in diesem Bereich ist nicht denkbar. Es muß schon im Ungewissen bleiben, wie sich die Eigentumsverhältnisse in dem angesprochenen Bereich gestalten sollen und wie der unklare Rechtszustand formell verwirklicht werden soll. Ein insoweit unvollständiger Flurbereinigungsplan ist in seiner Gesamtheit nicht ausführungsfähig, denn die Ausführungsanordnung mit der Bestimmung des neuen Rechtszustandes muß sich auf das gesamte Flurbereinigungsgebiet beziehen (können).

Die im Zeitpunkt der Ausführung des Flurbereinigungsplanes G. fehlende Ausführungsreife (§ 61 ff. FlurbG) stellt der Bescheid der Flurbereinigungsdirektion W. vom 18.7.1977 nicht nachträglich her, und zwar schon deshalb nicht, weil in ihm die notwendigen Festsetzungen über die gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen insbesondere über die Einziehung, Änderung oder Neuausweisung solcher Anlagen, sowie über die wasserwirtschaftlichen, bodenverbessernden und landschaftsgestaltenden Anlagen nicht aufgenommen sind (§ 41, § 58 FlurbG), die aber getroffen sein müssen, wenn der Plan in seiner Gesamtheit ausgeführt werden soll; denn der in der - vorzeitigen - Ausführungsanordnung zu bestimmende Tag über den Eintritt des neuen Rechtszustandes muß einheitlich für den gesamten Flurbereinigungsplan festgelegt werden (können); eine Beschränkung der Ausführungsanordnung auf bestimmte Bereiche oder Teile des Flurbereinigungsplanes aber kennt das Flurbereinigungsgesetz nicht.

Der Senat verkennt bei alldem nicht, daß Überweisungen den Flurbereinigungserfolg fördern und mit ein maßgeblicher Grund für die Anordnung von Gruppenverfahren sind. Er übersieht ferner nicht, daß mitunter einzelne Flurbereinigungsverfahren einer Gruppe aus verschiedenerlei Gründen in zeitlichen Verzug geraten können, der die gleichzeitige Abwicklung aller Einzelverfahren verhindert. Die vorläufige Besitzeinweisung nach § 65 bis § 67 FlurbG stellt in solchen Fällen eine durchaus brauchbare Zwischenlösung dar, wenn nicht von den beabsichtigten Überweisungen Abstand genommen und stattdessen zunächst echte, wertgleiche Abfindungen im jeweiligen Flurbereinigungsgebiet ausgewiesen werden sollen. Der Schutz des Eigentums, der immer dann in Frage steht, wenn Einlagebesitz untergeht ohne daß gleichzeitig Eigentum am Ersatzland verschafft wird, muß jedenfalls Vorrang vor allen noch so zweckmäßigen Flurbereinigungsmaßnahmen haben. Dabei ist unbehelflich, daß einzelne Teilnehmer mitunter vorübergehend über Doppeleigentum verfügen (das Eigentum an den Einlagegrundstücken im Nachbarverfahren ist noch nicht untergegangen, während im anderen Verfahren die - vorzeitige - Ausführung des Flurbereinigungsplanes bereits angeordnet ist); denn Teilnehmer mit Überweisungen in der entgegengesetzten Richtung stehen für den gleichen Zeitraum "eigentumslos", so etwa die Kläger He. und D./R. für ihren im Flurbereinigungsgebiet M. gelegenen Besitz. Daß durch das vorstehende Urteil das Eigentum an den Landabfindungen im Flurbereinigungsgebiet G. nicht von Bestand bleibt, ist eine Folge der Anfechtung der vorzeitigen Ausführungsanordnung.