Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 16.09.1985 - 9 C 119/84 = RdL 1986 S. 154

Aktenzeichen 9 C 119/84 Entscheidung Urteil Datum 16.09.1985
Gericht Flurbereinigungsgericht Koblenz Veröffentlichungen RdL 1986 S. 154  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Werden die abwägungserheblichen Belange bei der Ausübung des behördlichen Planungsermessens in ihrer rechtlichen Bedeutung verkannt, so kann die Grundstücksneugestaltung für die Betroffenen keinen Bestand haben.
2. Die Verlegung von Bauland innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile in ein vorhandenes Baugebiet, in dem noch Erschließungsbeiträge anfallen, ist zulässig; dabei kann die Zahlung der Erschließungsbeiträge mit schuldbefreiender Wirkung zugunsten des Belasteten durch eine im Flurbereinigungsplan zu treffende schuldrechtliche Festsetzung der Teilnehmergemeinschaft auferlegt und ihr das Recht eingeräumt werden, die entsprechende Leistung von dem Begünstigten zurückzufordern.

Aus den Gründen

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte zwar bei der Grundstücksneuordnung im Bereich der Hofstelle der Kläger die Belange der betroffenen Beteiligten in seine Abwägung einbezogen. Er hat jedoch die Bedeutung der Belange insoweit verkannt, als er von der Auffassung ausgegangen ist, daß den Beigeladenen bezüglich der Einlageparzellen Nrn. 193 und 195 eine wertgleiche Abfindung nur in alter Lage zugewiesen werden könne. Die Flurbereinigungsbehörde sah sich nämlich genötigt, die genannten Parzellen in der alten Lage wieder auszuweisen, da der Leiter des Kulturamtes K. sowohl dem Beigeladenen wie auch den Beigeladenen am 16.06.1975 die Zusicherung gegeben hatte, daß ihre Altparzellen in der genannten Lage nur mit ihrem Einverständnis verlegt würden. Die Spruchstelle für Flurbereinigung dagegen hat sich auf den Rechtsstandpunkt gestellt, daß die von den Klägern geforderte Flächenerweiterung ihrer Hofstelle zwischen den Grundstücken Nrn. 196 und 193 undurchführbar sei, da dadurch die Abfindungsansprüche der Beigeladenen verletzt würden. Die rechtliche Beurteilung sowohl der Flurbereinigungsbehörde wie auch der Spruchstelle für Flurbereinigung ist insoweit unzutreffend. Denn die von dem Kulturamtsvorsteher am 16.06.1975 gegenüber den Beigeladenen abgegebene Zusage ist rechtsunwirksam, so daß sie bei der Planaufstellung nicht berücksichtigt werden durfte.

Ebenso unzutreffend ist die Rechtsauffassung der Spruchstelle für Flurbereinigung, daß die von den Klägern in ihrem Hofstellenbereich gewünschte Grundstücksneuordnung an den berechtigten Abfindungsansprüchen der Beigeladenen scheitern müsse. Unzweifelhaft ist zwar mit der Widerspruchsbehörde davon auszugehen, daß sich die Altparzellen Nrn. 193 und 195 der genannten Beigeladenen - zumindest mit einer angemessenen Grundstückstiefe an der Kreisstraße - als Bauland kennzeichnen. Beide Altparzellen liegen innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile von W., so daß Bauvorhaben auf ihnen grundsätzlich zulässig sind (§ 34 BBauG). Der Umstand, daß die Altparzelle Nr. 195 keine ausreichende Frontbreite besitzt, ändert an dieser Beurteilung nichts. Denn auch Bauparzellen von unzulänglicher Größe oder mit ungünstigem Zuschnitt sind in einem entsprechenden Baugebiet wieder auszuweisen, da sie durch Flächenzuerwerb bebaubar gestaltet werden können oder im Falle ihrer Veräußerung ein höherer Erlös erzielt wird als bei der Verwertung von landwirtschaftlich geprägten Grundflächen. Eine Abfindung für die Altparzelle Nr. 195 in wertgleicher Weise ist jedoch dadurch möglich, daß der Beigeladene ein entsprechendes neues Grundstück in Lage des jetzigen Abfindungsgrundstücks der Kläger entlang der Grenze zum Grundstück Nr. 197 erhält. Das neue Grundstück in dieser Lage könnte eine ausreichende Straßenfront erhalten, womit seine Bebaubarkeit sichergestellt und die dadurch eintretende geringe Entfernungsvergrößerung zu dem Anwesen des Beigeladenen mehr als ausgeglichen würde. Abgesehen davon erscheint dem Senat aber auch eine wertgleiche Abfindung für die Altparzelle der Beigeladenen Nr. 193 an anderer als an alter Stelle möglich zu sein. Als Abfindung für diese Fläche kommt zunächst einmal ebenfalls der östliche Teil des Abfindungsgrundstückes der Kläger Nr. 196 in Betracht. Falls dies aber daran scheitern sollte, daß das Stallgebäude der Kläger gerade in südöstlicher Richtung orientiert ist und auch dementsprechend erweitert werden soll oder weil sich dort eine Rohrleitung zwischen der Kreisstraße und der Felsalbe befindet, so käme als entsprechender Abfindungsplan das neue Grundstück der Kläger Nr. 271 in dem bereits vorhandenen Baugebiet in Betracht. Die mündliche Verhandlung hat nämlich ergeben, daß dieses neue Grundstück innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans liegt und daß die Zuwegung zu ihm bereits seit längerer Zeit hergestellt ist. Zwar fehlt es für diese Grundfläche noch an der für die Bebauung erforderlichen Versorgung mit Wasser und den entsprechenden Abwasserbeseitigungsleitungen. Den Beigeladenen könnten daher schon in absehbarer Zeit insoweit Erschließungsbeiträge angelastet werden, die sie bei einer Landabfindung im Bereich der M.straße, der voll erschlossen ist, nicht zu tragen hätten. Ein solches Abfindungsdefizit läßt sich nach Auffassung des Senats allerdings durch eine im Flurbereinigungsplan zu treffende schuldrechtliche Festsetzung des Inhalts ausgleichen, daß der Teilnehmergemeinschaft die Zahlung der Erschließungsbeiträge mit schuldbefreiender Wirkung zugunsten der Beigeladenen auferlegt und ihr zugleich das Recht eingeräumt wird, die entsprechenden Leistungen von den dadurch begünstigten Klägern im Erstattungswege zurückzufordern. Die erforderliche Rechtsgrundlage hierfür ist in § 37 Abs. 1 Satz 4 FlurbG zu sehen, der die Flurbereinigungsbehörde legitimiert, die rechtlichen Verhältnisse bei der Grundstücksneugestaltung zu ordnen. Auch wenn die Beigeladenen das als Abfindung in Betracht kommende Grundstück Nr. 271 vorerst nicht einer Bebauung zuführen wollten - was zu erwarten ist -, so wären sie dennoch in der Lage, es in einer vergleichbaren Weise wie ihre Altparzelle Nr. 193 landwirtschaftlich zu nutzen. Das Grundstück ist nämlich überwiegend in die Bodenklasse IV eingestuft, während ihre Altparzelle Nr. 193 lediglich zum größten Teil um eine Stufe besser, und zwar in die Bodenklasse III eingewertet worden ist.