Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.07.1977 - V B 1.76 = RdL 1978 S. 124
Aktenzeichen | V B 1.76 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 07.07.1977 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = RdL 1978 S. 124 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Berücksichtigung von ortsunüblichen Bearbeitungsweisen bei der Gestaltung der Gesamtabfindung in einer Rebflurbereinigung. |
Aus den Gründen
Die vom Kläger für klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob bei der Flurbereinigung in einem Weinbaugebiet nicht nur die bisher übliche Bewirtschaftungsweise (Bewirtschaftung in der Fallinie), sondern daneben auch eine neuzeitliche, arbeitssparende Bewirtschaftungsweise (Terrassenanbau) Berücksichtigung finden müsse, entzieht sich einer grundsätzlichen und allgemeingültigen Beantwortung. Der Kläger greift mit seinem Vorbringen insoweit die Ermessensentscheidung der Flurbereinigungsbehörde und des Flurbereinigungsgerichts an, in der unter den hier vorgegebenen topographischen und geologischen Verhältnissen der vom Kläger geplante Weinanbau in Terrassenform nicht besonders berücksichtigt wird. Das Gebot, die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse aller Teilnehmer bei der Gestaltung der Landabfindung zu beachten (§ 44 Abs. 2 Halbsatz 1 FlurbG), enthält wie die in § 44 Abs. 4 FlurbG genannten Gestaltungskriterien Richtlinien, die das Ermessen der Flurbereinigungsbehörde bei der Neugestaltung des Flurbereinigungsgebiets einschränken (Urteile vom 23.6.1959 - BVerwG I C 78.58 (a.a.O.) und vom 5.6.1961 - BVerwG I C 231.58 - (RdL 1961, 240)). Entsprechend diesem Abwägungsgebot hat das Flurbereinigungsgericht die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers mit denen der übrigen Teilnehmer am Flurbereinigungsverfahren gegeneinander abgewogen. Von daher kann der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommen, weil es sich dabei um eine auf den vorliegenden Fall bezogene konkrete Interessenabwägung handelt. Bei der nach § 44 Abs. 4 FlurbG notwendigen Ermessenserwägung kann auch nicht von betrieblichen Verhältnissen ausgegangen werden, wie sie sein sollten oder unter besserer Ausnutzung der wirtschaftlichen Verhältnisse sein könnten. Die Landabfindung des Teilnehmers soll danach unter dem Gebot der Gleichwertigkeit den Nutzungsverhältnissen vor dem Verfahren entsprechen und keine Verschlechterung in der bisherigen Nutzungsart mit sich bringen (Urteil vom 5.6.1961 - BVerwG I C 231.58 -). Beanstandet werden könnte danach nur eine durch die Abfindung verursachte Erschwerung der Betriebsführung (s. Urteil vom 26.3.1962 - BVerwG I C 24.61 - und Beschluß vom 2.7.1964 - BVerwG I B 101.64 -); dagegen muß der aus einer speziellen Bewirtschaftung erwarteten Vorteile wegen angestrebten Sondergestaltung der Abfindung nicht Rechnung getragen werden. Das Vorhaben des Klägers könnte nur in einem geschlossenen Rebenaufbaugebiet Berücksichtigung erheischen. Denn nur in einem geschlossenen Rebenaufbaugebiet kann ein auf die Bedürfnisse des Weinbaues ausgerichtetes einheitliches Wegenetz angelegt werden, der eine zweckmäßige Gestaltung der Weinberggrundstücke mit Zeilen optimaler Länge, in gleicher Richtung und - bei einheitlichen Abständen - auch den Einbau neuzeitlicher Unterstützungsvorrichtung für die Reben erlaubt.
Auf Grund des Umfanges seiner Einlage im Verhältnis zu dem gesamten Verfahrensgebiet kann der Kläger nicht beanspruchen, daß das Ermessen der Flurbereinigungsbehörde bei der Erschließung des Verfahrensgebietes ausschließlich nach der von ihm begünstigten Bewirtschaftungsform ausgerichtet wird. Da die im übrigen Verfahrensgebiet (über 90 vom Hundert der Gesamtanbaufläche) ortsüblich und bewährte Bewirtschaftungsweise erfahrungswissenschaftlich nicht als unrationell angesehen werden kann, erleidet das Ermessen der Flurbereinigungsbehörde auch aus dieser Sicht keine Reduzierung auf die vom Kläger favorisierte Planungskonzeption.
Auch der klägerische Vortrag, daß es sich hierbei um eine weittragende Entscheidung von großem wirtschaftlichen Gewicht handele, kann die grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtssache nicht begründen. Denn eine Rechtssache hat nicht schon dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie in tatsächlicher Hinsicht über den Einzelfall hinausreicht oder für den Beteiligten von großer wirtschaftlicher Bedeutung sein könnte (Beschluß vom 11.2.1975 - BVerwG V B 33.72 - (RdL 1975, 268)).
Das Bundesverwaltungsgericht hat in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, daß § 44 Abs. 2 (1. Satzhälfte) - Gebot einer Abwägung der betriebswirtschaftlichen Belange - keinen bei der Abfindung zu berücksichtigenden Wertfaktor im Sinne des § 44 Abs. 2 (2. Satzhälfte) FlurbG normiert, sondern nur eine Ermessensrichtlinie bei der Gestaltung der Abfindung darstellt (vgl. Urteile vom 23.6.1959 - BVerwG I C 78.58 - (Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 2) und vom 24.2.1959 - BVerwG I C 160.57 - (RdL 1959, 221)). Der Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens kann nach § 44 Abs. 1 FlurbG lediglich beanspruchen, daß er Flächen zugeteilt erhält, die im ganzen gesehen dem Wert seiner Einlageflurstücke entsprechen (Urteil vom 26.3.1962 - BVerwG I C 24.61 - (RdL 1962, 217); Beschluß vom 4.12.1973 - BVerwG V B 27.72 - (Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 24)). Dabei sind neben den nach § 44 Abs. 1 FlurbG zu berücksichtigenden Schätzergebnissen die in § 44 Abs. 2 Halbsatz 2 FlurbG genannten Wertfaktoren bei der Abfindung zu beachten (vgl. Urteile vom 23.6.1959 - BVerwG I C 78.58 - und vom 26.3.1962 - BVerwG I C 24.61 - (a.a.O.); Beschluß vom 24.6.1970 - BVerwG IV B 241.68 -). Die von einem Teilnehmer für die Zeit nach der Flurbereinigung geplante Änderung seiner Bearbeitungsweise auf den neu zugeteilten Abfindungsflächen zählt nicht zu diesen Wertfaktoren. Der Teilnehmer hat danach keinen Anspruch auf Erschließung des Flurbereinigungsgebietes nach der von ihm favorisierten Gestaltungsform, um dadurch die vorgesehene individuelle Bewirtschaftungsweise zu ermöglichen oder zu erleichtern. Ein dahin gehender Anspruch kann auch nicht unter Begrenzung auf die begehrte Abfindungsfläche erhoben werden, wenn damit erhebliche Nachteile für die angrenzenden Anbauflächen gleicher Nutzungsart unvermeidbar verbunden sind und danach eine wertgleiche Abfindung der übrigen Teilnehmer nicht mehr gewährleistet werden kann. Die wirtschaftliche Gestaltung bei Ausführung der Flurbereinigung hängt immer von der Abwägung und der Koordination der verschiedensten planungsrelevanten Kriterien ab. Die Form der einzelnen Grundstücke den jeweiligen strukturellen Erfordernissen des Betriebs anzupassen, bleibt der eigenverantwortlichen Aus- bzw. Umgestaltung des jeweiligen Betriebsinhabers überlassen (vgl. BVerwGE 45, 112 (115)). Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ebenfalls geklärt, daß kein Teilnehmer bei der Gestaltung der Abfindung einen Anspruch auf die Berücksichtigung von Sonderinteressen und die Einräumung besonderer Vorteile hat (vgl. Urteile vom 25.5.1961 - BVerwG I C 102.58 - (RdL 1961, 274) und vom 25.11.1970 - BVerwG IV C 80.66 - (RdL 1971, 97); Beschlüsse vom 20.3.1974 - BVerwG V B 108.72 - (Buchholz 424.01 § 37 FlurbG Nr. 10) und vom 4.12.1973 - BVerwG V B 27.72 - (a.a.O.)).