Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 07.11.1973 - 3 C 6/73 = AgrarR 1975 S. 16= RdL 1974 S. 128

Aktenzeichen 3 C 6/73 Entscheidung Urteil Datum 07.11.1973
Gericht Flurbereinigungsgericht Koblenz Veröffentlichungen AgrarR 1975 S. 16 = RdL 1974 S. 128  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Ist mit dem Eingriff in eine bereits anerkannte Abfindung das Rechtsmittelverfahren neu eröffnet, dann steht die gesamte Zuteilung erneut zur Disposition.
2. Die Gegenüberstellung besonderer Vorteile gegen besondere Nachteile des Verfahrens ist nur bei in etwa vergleichbaren Tatbeständen und unter Berücksichtigung der betriebswirtschaftlichen Verhältnisse möglich. Landwirtschaftliche Nachteile einer Abfindung können durch außerlandwirtschaftliche Vorteile in der Regel nicht ausgeglichen werden.

Aus den Gründen

Die Spruchstelle für Flurbereinigung änderte zur Ausräumung der Beschwerde eines anderen Beteiligten die bereits rechtskräftige Abfindung der Klägerin in einem Punkt. Der Beklagte vertrat die Auffassung, daß die daraufhin erhobene Beschwerde auf diesen einen Punkt beschränkt bleiben müsse. Außerdem hielt er der Klägerin entgegen, daß etwaige Nachteile ihrer Abfindung durch Vergrößerung der Zuteilung im Bau- und Bauerwartungsland wertmäßig ausgeglichen seien.

Mit dem durch den Plannachtrag V erfolgten Eingriff in die Abfindung der Klägerin wurde für diese das Beschwerdeverfahren neu eröffnet. Da sie bis dahin für keine isoliert betrachtbare Teile ihrer Abfindung die Beschwerde ausdrücklich beschränkt hatte, stand ihre Abfindung nach dem erfolgten Eingriff wieder in vollem Umfange zur Disposition (vgl. Binz, "Beschränkung des Umfangs von Beschwerde und Klage im Rechtsmittelverfahren nach dem FlurbG", RdL 1968, 141). Die Ausschlußregelung des § 59 Abs. 2 FlurbG gilt, wie der Senat nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5.6.1961 (RdL 1961, 240) in ständiger Rechtsprechung entscheidet, nur für den Rechtsbehelf als solchen, nicht jedoch für einzelne Beschwerdepunkte. Eine andere Regelung würde auch zu unvertretbaren Ergebnissen führen. Es ist nämlich denkbar und nach den Erfahrungen des Senats nicht selten zu beobachten, daß Verfahrensbeteiligte mit ihrer Abfindung zunächst einverstanden sind und keine Rechtsmittel ergreifen, weil sie ihnen auch ungünstig erscheinende Regelungen in Kauf nehmen, um sich andere Verfahrensergebnisse, die sie für vorteilhaft halten, in ihrem Bestand zu sichern. Ein späterer Eingriff in diese für vorteilhaft gehaltenen Regelungen muß die Möglichkeit einer Beschwerdeführung im gesamten Umfange auch dann ermöglichen, wenn die für vorteilhaft gehaltenen und nachträglich wieder geänderten Regelungen nach objektiver Betrachtung überhaupt keine besonderen Vorteile enthielten oder wieder wertgleich ersetzt wurden. Wollte man in diesen Fällen den Grundsatz aufstellen, daß die einmal - und wenn auch nur durch Stillschweigen - akzeptierten Regelungen bei späteren Änderungen immer dann nicht mehr angegriffen werden können, wenn diese späteren Änderungen objektiv nicht zu beanstanden sind, dann hätte es die Flurbereinigungsbehörde in der Hand, Beteiligte durch besonders günstige Einzelregelungen von der Beschwerdeführung abzuhalten. Bei Rückgängigmachung dieser Einzelregelungen würden dann die alten, ehemals vielleicht berechtigten Beschwerdepunkte aber nicht mehr realisiert werden können. Dies kann aber nicht rechtens sein.

Der Hilfsantrag der Klägerin muß insoweit teilweise Erfolg haben, als der Klägerin bei einigen Abfindungsflurstücken Wirtschaftserschwernisse zugemutet worden sind, die zum Teil Dauerwirkung haben, so daß die davon betroffenen Flächen in ihrem Wert entsprechend herabgesetzt werden müssen.

Der Meinung des Beklagten, daß von etwaigen Gutschriften der vorstehenden Art besondere Wertverbesserungen der Neuzuteilung ebenfalls in Geld ausgedrückt und abgezogen werden müßten, kann der Senat nicht folgen. Dies gilt zunächst und insbesondere für die Behauptung des Beklagten, daß das Altflurstück der Klägerin Flur 8 Nr. 59 zu Unrecht in die Klasse IV eingeschätzt gewesen sei, da es seinem Zustand nach in Wirklichkeit hätte in die Klasse VIII eingestuft werden müssen. Wenn dies sich so verhält, dann handelt es sich hierbei um einen Fehler in der Aufnahme der Schätzung, den die Klägerin nicht zu vertreten hat. Da im übrigen die Ergebnisse der Schätzung für beide Teile rechtskräftig feststehen, kommt eine nachträgliche Änderung und damit Lastschrift für die Klägerin nicht in Betracht. Aber auch die von dem Beklagten weiterhin angeführte Vergrößerung des Planes der Klägerin Flur 8 Nr. 112 um 223 qm, die eine echte Mehrabfindung im Bauland darstelle, berechtigt ebenfalls nicht zur nachträglichen Festsetzung einer Lastschrift bzw. - da auch der Beklagte die Anordnung einer Verschlechterung nicht für zulässig hält - Aufrechnung gegen die von der Klägerin beklagten Nachteile der Abfindung. Insoweit handelt es sich nämlich im Ergebnis um einen verfahrensgemäßen Planungsvorteil, der als allgemeiner Vorteil der Flurbereinigung nicht in Rechnung gestellt und gegen besondere Nachteile aufgerechnet werden kann. Die Situation ist hier nicht mit derjenigen vergleichbar, daß ein Beteiligter beispielsweise im Bauland gegen seinen Willen an Fläche verliert und dafür Ersatz verlangt. In einem solchen Falle würde es sich nämlich um eine Minderabfindung in besonderen Lagewerten handeln, die nicht ohne Entschädigung hingenommen zu werden braucht. Liegt der Fall jedoch umgekehrt, wie hier, daß ein Beteiligter nicht etwa im Zuge einer besonderen Vereinbarung, die ihm freiwillig eine besondere Gegenleistung auferlegt, sondern einfach als Ergebnis einer für ihn günstigen Planung einen Lagevorteil erhält, dann kann damit nicht nachträglich aufgerechnet werden. Die Gegenüberstellung besonderer Vorteile gegen besondere Nachteile des Verfahrens ist nur bei in etwa vergleichbaren Tatbeständen möglich. So kann mitunter ein Verlust an Bauland durch die Vergrößerung des Hofanschlusses und die Wegnahme einer in der Ortslage gelegenen Parzelle durch Gewährung einer Rundumfahrt um das Gebäude kompensiert werden. Es ist jedoch nicht zulässig, einem Teilnehmer objektiv zu bewertende Vorteile (auf die er aus seiner Situation heraus vielleicht noch nicht einmal besonderen Wert legt) zu gewähren, um ihm dafür an anderer Stelle gegen seinen Willen andersartige Nachteile zuzumuten. Im gleichen Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof von Baden-Württemberg mit Urteil vom 8.4.1970 entschieden, daß landwirtschaftliche Nachteile einer Abfindung nicht durch außerlandwirtschaftliche Vorteile (Zuteilung eines Bauplatzes) ausgeglichen werden können (VII 652/68).

Anmerkung

Vgl. Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 26.6.1973 - III F 57/70