Flurbereinigungsgericht Greifswald, Urteil vom 09.03.2022 - 9 K 574/20 OVG (Lieferung 2023)
Aktenzeichen | 9 K 574/20 OVG | Entscheidung | Urteil | Datum | 09.03.2022 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Greifswald | Veröffentlichungen | Lieferung | 2023 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Auch im Flurbereinigungsverfahren ist eine Zusicherung rechtlich zulässig. Die Wirksamkeit einer solchen Zusicherung ist nicht von ihrer Rechtmäßigkeit abhängig. Ob eine schriftliche und ausreichend bestimmte behördliche Äußerung rechtlich als Zusicherung einzuordnen ist, ergibt sich aus dem objektivierten Empfängerhorizont. Die Behörde muss unzweifelhaft zu erkennen geben, dass sie sich bindend verpflichten will, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen (red. LS). |
2. | Bewirtschaftet ein Teilnehmer seine Einlageflächen nicht selbst, sondern hat sie verpachtet, ist die Verpachtungsmöglichkeit als betriebswirtschaftliches Verhältnis der Kläger im Sinne des § 44 Abs. 2 Halbs. 1 FlurbG in die Abwägung einzustellen.(red. LS) |
Aus den Gründen
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Rechnerisch werden die Kläger wertgleich abgefunden; die Bestimmung des § 44 Abs. 1 FlurbG ist eingehalten. Weiter sind bei der gerichtlichen Kontrolle der behördlichen Abwägungsentscheidung die nach § 44 Abs. 2 bis 4 FlurbG genannten, die Gleichwertigkeit beeinflussenden Faktoren zu beachten, d.h. zu prüfen, ob die Behörde diese über die rechnerische Gleichwertigkeit hinausgehenden Umstände ausreichend ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat.
Zunächst ist der Einwand der Kläger, die Wertgleichheit sei schon deswegen nicht gegeben, weil eine wirtschaftliche Bestellung des Flurstücks 2 der Flur 2 der Gemarkung N.H. nicht möglich sei, auf der Grundlage der bestandskräftigen Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung nicht begründet. Das Flurstück ist weder vom Zuschnitt noch von den Wertklassen, die es umfasst, landwirtschaftlich nicht nutzbar. Dies konnte der sachkundig besetzte Senat den vorgelegten Verwaltungsvorgängen entnehmen.
Besondere betriebswirtschaftliche Umstände der Kläger, die in der Abfindung nicht berücksichtigt worden sind, haben die Kläger nicht vorgetragen. Sie bewirtschaften ihre Einlageflächen nicht selbst, sondern haben sie verpachtet. Der in der Abwägung zu betrachtende Betrieb ist der der Verpachtung. Als betriebswirtschaftliches Verhältnis der Kläger im Sinne des § 44 Abs. 2 Halbs. 1 FlurbG ist die Verpachtungsmöglichkeit in die Abwägung einzustellen. Soweit die Kläger geltend machen wollen, dass die Abfindungsteilfläche Flurstück 2 Flur 2 Gemarkung N.H. zur Bewirtschaftung ungeeignet sei, ist dies bereits als unzutreffend dargestellt worden. Sie haben auch nicht vorgetragen, dass die Pächterin, deren Pachtverhältnis sich an dem Abfindungsflurstück fortsetzt, den Pachtvertrag gekündigt habe. Aus diesem Grund ist nicht erkennbar, dass eine mangelnde Gleichwertigkeit der Abfindung vorliegt. Liegt diese Gleichwertigkeit vor, ist eine weitergehende gerichtliche Kontrolle grundsätzlich nicht möglich. Soweit die Kläger bemängeln, es sei nicht ersichtlich, welche betriebswirtschaftlichen Verhältnisse der anderen Teilnehmer, insbesondere des Teilnehmers, der sich dem ursprünglichen Angebot der Beklagten zur Neugestaltung verweigert hat, bei der Abwägungsentscheidung berücksichtigt worden sind, haben die Kläger kein subjektives Recht auf gerichtliche Kontrolle, weil sie gleichwertig abgefunden worden sind. Hinsichtlich der Umstände, die auf den Ertrag, die Benutzung und die Verwertung der Grundstücke im Sinne des § 44 Abs. 2 Halbsatz 2 FlurbG Einfluss haben, tragen die Kläger außer dem bereits abgehandelten Einwand nichts vor. Eine mögliche Ertragseinbuße aufgrund der verringerten durchschnittlichen Bodenpunkte, die sich aus einer Anpassung des Pachtvertrages ergeben könnte, wird in der Abfindung dadurch berücksichtigt, dass die Abfindungsfläche bezogen auf Ackerland um 0,6501 ha und bezogen auf Grünland um 0,7711 ha vergrößert worden ist.
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Entgegen dem klägerischen Vortrag hat sich die Beklagte auch nicht durch eine Zusicherung im Sinne des § 38 VwVfG gebunden. Auch im Flurbereinigungsverfahren ist eine solche Zusicherung rechtlich zulässig (BVerwG Urt. v. 17.01.2007 – 10 C 1/06, BverwGE 128, 87; juris Rn. 23 ff; <= RzF - 105 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG>). Die Wirksamkeit einer solchen Zusicherung ist nicht von ihrer Rechtmäßigkeit abhängig. Eine solche Zusicherung liegt hier aber nicht vor. Ob eine schriftliche und ausreichend bestimmte behördliche Äußerung rechtlich als Zusicherung einzuordnen ist, ergibt sich aus dem objektivierten Empfängerhorizont. Die Behörde muss unzweifelhaft zu erkennen geben, dass sie sich bindend verpflichten will, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen (Schröder in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht § 38 VwVfG Rn. 14). Daran fehlt es vorliegend. Aus dem Wortlaut der Schreiben der Beklagten vom 23.01.2018 und 05.09.2018 ergibt sich nichts für einen Bindungswillen. Vielmehr macht die Formulierung „Entwürfe“ deutlich, dass es sich um Vorschläge handelt, mit denen erkundet werden soll, wieweit die Kläger damit grundsätzlich einverstanden sind. Dies erschließt sich auch aus der Formulierung „Über Details kann verhandelt werden“. Aus dem Kontext des Verfahrens, in dem die beiden Anschreiben stehen, und ihrem erkennbaren Sinn handelte es sich um Vorschläge im Sinne einer Verhandlungsgrundlage zur Abhilfe des Widerspruchs der Kläger. Allein der Umstand, dass mehrere unterschiedliche Vorschläge gemacht wurden, erlaubt bei einem objektivierten Empfänger keinen Zweifel, dass es sich nicht um verbindliche Zusagen handeln soll, sondern um eine Darstellung von Lösungsmöglichkeiten (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 23). Dies entspricht auch der Praxis der Bodenordnungsbehörde, durch das Ausloten von Lösungsmöglichkeiten die Voraussetzungen einer unstreitigen Entscheidung zu ermitteln, an der regelmäßig auch andere Teilnehmer zu beteiligen sind. Anhaltspunkte für einen Bindungswillen der Beklagten betreffend eine der Lösungsvarianten ergeben sich weiter weder aus dem Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs noch aus den Ausführungen der Kläger.