Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 20.09.1972 - 3 C 5/72

Aktenzeichen 3 C 5/72 Entscheidung Urteil Datum 20.09.1972
Gericht Flurbereinigungsgericht Koblenz Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Zur Frage, wie weit eine Änderung des Kulturartenverhältnisses durch Geldentschädigung ausgeglichen werden kann.
2. Zur Frage, bis zu welchem Umfange das Mitglied einer Wirtschaftseinheit Wertänderungen im eigenen Besitzstand dulden muß, wenn dabei die Wertgleichheit der Abfindung für die gesamte Wirtschaftseinheit gewahrt bleibt.

Aus den Gründen

Den Klägerinnen sind in erheblichem Umfange vorübergehende Nachteile dadurch entstanden, daß das Kulturartenverhältnis des Neubesitzes dem Altbesitz nicht ganz entspricht. Aufgrund der rechtskräftig feststehenden Schätzungsergebnisse für die hier betroffenen Ordnungsnummern 360, 450 und 523 haben die Klägerinnen insgesamt eingebracht 6,8123 ha Acker, 2,0029 ha Acker-Grünland und 2,3758 ha Grünland. Neuzugeteilt wurden an Ackerflächen 5,8567 ha, an Acker-Grünland 2,1772 ha und an Grünland 2,8370 ha. Daraus ergibt sich an reinem Ackerland eine Minderabfindung von 0,9556 ha. Selbst wenn davon die rd. 0,17 ha Mehrabfindung an Acker-Grünland abgezogen werden, verbleibt eine Minderabfindung von rd. 0,78 ha. Wenn darüber hinaus die gewährte Mehrabfindung von 103,23 WE ganz als Grünland der mittleren Bonität gewertet wird, ergibt dies eine Mehrabfindung von rd. 0,12 ha. Auch wenn diese noch von der Minderabfindung an Ackerland abgezogen werden, verbleiben immer noch 0,66 ha, die an Ackerflächen fehlen. Diese Mehrzuteilung an Grünland wird nicht etwa durch ein besonders gutes Zusammenlegungsverhältnis kompensiert, da das Zusammenlegungsverhältnis der Wirtschaftseinheit der Klägerinnen knapp unter dem Durchschnitt des Ergebnisses im Mittel für alle Beteiligte liegt. Die Vorschrift des § 44 Abs. 4 FlurbG, wonach die Landabfindung eines Teilnehmers in der Nutzungsart lediglich den alten Grundstücken entsprechen soll, kann nur dann zur Rechtfertigung einer wesentlichen Änderung des Kulturartenverhältnisses herangezogen werden, wenn diese Änderung aufgrund des übergeordneten Grundsatzes des § 44 Abs. 3 FlurbG, wonach die Landabfindung in möglichst großen Grundstücken ausgewiesen werden muß, erfolgt ist. Dieser Rechtfertigungsgrund steht im vorliegenden Falle wegen des noch nicht ganz durchschnittlichen Zusammenlegungsverhältnisses dem Beklagten nicht zur Seite. Dieser kann sich auch nicht darauf berufen, daß im Verfahrensgebiet die Grünlandwirtschaft eine steigende Bedeutung habe und somit der allgemeine Trend auf eine Verringerung der Ackerflächen zugunsten der Grünlandflächen gehe. Zunächst gilt nämlich einmal, daß bei der Beurteilung der Wertgleichheit einer Abfindung nicht von betrieblichen Verhältnissen ausgegangen werden darf, wie sie sein sollten oder unter besserer Ausnutzung der wirtschaftlichen Verhältnisse sein könnten, sondern so wie sie sind, da die Abfindungsgrundsätze auf den einzelnen, konkreten Betrieb abstellen; also auf den Betrieb, so wie er ist und so wie er von seinen Inhabern geführt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.6.1961, RdL 1961 S. 240). Zum anderen liegt es im vorliegenden Fall auch so, daß die den Klägerinnen zugeteilten Mehrflächen an Grünland nicht etwa wegen der natürlichen Bodenstruktur, sondern eher wegen der für eine Ackernutzung ungünstigen Hangverhältnisse zum Grünland geworden sind bzw. als Grünland bewirtschaftet werden.

Wenn auf diese Art und Weise den Klägerinnen Nachteile zugemutet worden sind, so gehen diese doch nicht so weit, daß die Wertgleichheit der Abfindung nur durch eine Flächenänderung hergestellt werden könnte. Der Verlust an Ackerland beträgt, gemessen an dem Abfindungsanspruch, rd. 10 %. Diese Größenordnung ist für einen 12-ha-Betrieb, welcher schon vor der Zusammenlegung als Acker-Grünland-Betrieb mit etwa gleichmäßig verteilten Schwerpunkten geführt wurde, kein unüberwindlicher Eingriff in die Betriebsstruktur und Wirtschaftsführung. Er erfordert jedoch von den Betroffenen gewisse Umstellungsmaßnahmen. Diese Maßnahmen können entweder so aussehen, daß der Betrieb sich auf die vergrößerten Grünlandflächen, etwa durch eine verstärkte Viehhaltung umstellt, oder aber, daß versucht wird, einen Teil der bisher als Grünland bewirtschafteten Acker-Grünland-Flächen in Acker umzuwandeln. Dies wäre im vorliegenden Fall beispielsweise dadurch möglich, daß die Klägerinnen in den Plänen Flur 3 Nr. 142 und Flur 3 Nr. 119, die zum Teil als Acker und zum Teil als Grünland genutzt werden, den Ackeranteil zu Lasten des Grünlandanteils noch etwas ausweiten, soweit dies geländemäßig möglich ist. Allein bei diesen beiden Plänen könnten - dies hat der Senat bei der Ortsbesichtigung festgestellt - die Ackerflächen um etwa insgesamt 20 bis 25 a vergrößert werden. Ganz gleich, welchen der beiden möglichen Wege die Klägerinnen auch gehen, wird es für sie mit einem verstärkten Aufwand an Kapital und Arbeitsleistung verbunden sein. Es ist zwar ein ständiger Grundsatz der flurbereinigungsgerichtlichen Rechtsprechung, daß den Teilnehmern eines Flurbereinigungs- oder Zusammenlegungsverfahrens gewisse Umstellungsschwierigkeiten zuzumuten sind und von ihnen auch verstärkte Eigenleistungen zum Ausgleich vorübergehender Nachteile gefordert werden dürfen. Diese von jedem Verfahrensteilnehmer zu fordernde aktive Mitarbeit an der Neugestaltung kann jedoch nur solange und soweit ohne Ausgleich verlangt werden, als dadurch der Rahmen der auch von den übrigen Verfahrensteilnehmern zu erbringenden besonderen Leistungen nicht überschritten wird. Dies ist hier jedoch der Fall. Von seiten des Beklagten wurde auf gleich gelagerte Fälle jedenfalls nicht hingewiesen. Den Klägerinnen ist somit ein Ausgleich zu gewähren. Der Einwand des Beklagten, die Klägerinnen hätten die Minderzuteilung an Ackerflächen ausdrücklich erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgebracht, steht dem nicht entgegen. Abgesehen davon, daß die Vorschrift des § 59 Abs. 2 FlurbG nur für den Rechtsbehelf als solcher nicht jedoch auch für die einzelnen Beschwerdepunkte gilt (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.6.1961, RdL 1961 S. 240), haben die Klägerinnen aber auch bereits in der Klageschrift im Zusammenhang mit ihrem Vorbringen gegen den Plan Flur 3 Nr. 402 ("Im Hohlbecker") auf die nach ihrer Meinung bestehende Notwendigkeit einer Vergrößerung ihrer Ackerflächen hingewiesen.

Der Senat hält es nach alledem für erforderlich, den Klägerinnen zum Ausgleich der bereits behandelten Wirtschaftserschwernisse bei dem Plan Flur 1 Nr. 50 (Abbonitierung von rd. 4,5 a um zwei Schätzungsklassen) und zum Ausgleich der beschriebenen Umstellungsschwierigkeiten in bezug auf das geänderte Kulturartenverhältnis die derzeitige Mehrabfindung von 103,23 WE ohne Anrechnung zu geben. Dies bedeutet im Ergebnis, daß der für die Klägerinnen festgesetzte Geldausgleichsbetrag von 723.-- DM zu streichen ist (106.-- DM aus der Abbonitierung und 617.-- DM wegen des geänderten Kulturartenverhältnisses).

Die Klägerinnen können nicht damit gehört werden, daß die Mitklägerin M. (Ord. Nr. 360) bezüglich ihres Besitzes eine Entfernungsverschlechterung erfahren habe. Die tatsächlich eingetretene Vergrößerung der Entfernung bedeutet nämlich für den Besitzstand der Ord. Nr. 360 keine so schwerwiegende Benachteiligung, daß dies eine gesonderte Betrachtung des Altbesitzes und der Abfindung dieser Ordnungsnummer außerhalb der Wirtschaftseinheit erforderlich machen könnte.

Zunächst ist festzustellen, daß für den Gesamtbesitz der Wirtschaftseinheit eine Entfernungsverschlechterung nicht eingetreten ist. Dies ist von den Klägerinnen auch nicht behauptet worden. Ein Blick auf die Prozeßkarte zeigt bereits, daß bezüglich der Entfernung zwischen Altbesitz und Abfindung zumindest ein ausgewogenes Verhältnis besteht. Hierbei fällt besonders ins Gewicht, daß die Wirtschaftseinheit der Klägerinnen in den ortsnahen Wiesenlagen eine günstige Zusammenfassung des dort gestreut gelegenen Altbesitzes erreicht hat. Die Mitklägerin M. hat somit in ihrer Eigenschaft als Mitglied der Wirtschaftseinheit bezüglich der Entfernung keinen Nachteil erlitten. Die Prüfung der weiteren Frage, ob ihr zugunsten der Wirtschaftseinheit besondere, nicht zumutbare Nachteile entstanden sind, gibt zu Beanstandungen keinen Anlaß.

Die Mitklägerin M. hat zwei als Grünland genutzte Wirtschaftsstücke (8 alte Flurstücke, Flur 3 Nr. 1061 ff. mit zusammen rd. 7 a und das rd. 6 a große Flurstück Flur 3 Nr. 792) in das Verfahren eingebracht und dafür den rd. 18 a großen Abfindungsplan Flur 3 Nr. 149/2 erhalten. Die Altparzellen Flur 3 Nr. 1061 ff. bildeten ein ortsnah gelegenes Wiesengrundstück. Das zweite Wirtschaftsstück, die rd. 6 a große Altparzelle Flur 3 Nr. 792, lag dagegen wesentlich ungünstiger in einem schlecht zugänglichen, teilweise mit Hecken bewachsenen Hanggelände. Ein Vergleich des Wertes des Altbesitzes mit der Neuzuteilung ergibt, daß - vor allem auch im Hinblick auf die wesentliche Vergrößerung - eine grobe Schädigung für die Mitklägerin M. nicht eingetreten sein kann. Diese Feststellung genügt aber, um die Klägerin darauf zu verweisen, daß bei einer Abfindung in Wirtschaftseinheit den einzelnen Ordnungsnummern im gewissen Umfang Nachteile zugemutet werden dürfen, wenn nur - was hier insoweit der Fall ist - die entsprechenden Abfindungskriterien bei einem Vergleich des Gesamtaltbesitzes der Wirtschaftseinheit mit deren gesamten Zuteilung erfüllt sind. Es besteht zwar in Rechtsprechung und Schrifttum noch keine einhellige Meinung zu der Frage, wieweit dem einzelnen Mitglied einer Wirtschaftseinheit - bei wertgleicher Abfindung der Gesamteinheit - Nachteile zugemutet werden können, die zwangsläufig zu besonderen Vorteilen bei anderen Mitgliedern führen müssen. So einleuchtend die Überlegung ist, daß die Grenze des Zumutbaren für das einzelne Mitglied der Wirtschaftseinheit spätestens da zu ziehen ist, wo ihm Nachteile zugemutet werden, die zur Erreichung eines durchschnittlichen Zusammenlegungserfolges für die Gesamtwirtschaftseinheit nicht mehr notwendig sind, so hält es aber der Senat andererseits auch für zulässig, einzelne Abfindungskriterien (wie hier die Entfernung) bei den einzelnen Mitgliedern außer Betracht zu lassen, wenn diese bereits bei der betreffenden Ordnungsnummer (wie hier durch eine vermehrte Flächenzuteilung) schon in sich durch andere Vorteile einigermaßen ausgeglichen werden, so daß ein grobes Wertmißverhältnis zwischen den einzelnen Mitgliedern der Wirtschaftseinheit nicht eintreten kann. Diese Grenze wurde hier nicht überschritten.