Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 18.11.1971 - 219 VII A 69
Aktenzeichen | 219 VII A 69 | Entscheidung | Urteil | Datum | 18.11.1971 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht München | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Rechtsnatur und Form der Abfindungszusage. |
2. | Beweiserhebung durch Einvernahme von Vorstandsmitgliedern. |
Aus den Gründen
1. Der Kläger stützt das Klagebegehren in erster Linie darauf, daß ihm von dem Vorstandsvorsitzenden der Beklagten die Zuteilung der gesamten Gewanne 236 zugesagt worden sei. Eine derartige Zusage erscheint im Rahmen der ermessensmäßigen Gestaltungsmöglichkeiten der Behörde zulässig. Sie hat für die TG bindende Wirkung (vgl. BVerwG 25.5.1961, RdL 274). Wie die Abfindung der einzelnen Teilnehmer gestaltet ist, wird im Flurbereinigungsplan ausgewiesen. Die Abfindungszusage muß ihren Niederschlag im Flurbereinigungsplan finden. Weder aus der Art des Erfüllungsgeschäfts noch aus den Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes läßt es sich ableiten, daß die Abfindungszusage an eine bestimmte Form gebunden wäre (vgl. zur Frage der Formgebundenheit einer Zusage; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.1.1967, RiA 1967 S. 110). Nach ihrem rechtlichen Gehalt ist die Abfindungszusage zwar die vorweg genommene Einigung über einen bindend erklärten Abfindungswunsch des Teilnehmers. Der Bedeutung der Sache und der Rechtssicherheit wegen hat der Gesetzgeber im bürgerlich-rechtlichen Grundstücksverkehr dem dinglichen Erfüllungsgeschäft - der Einigung - nur bei Beachtung strenger Formvorschriften bindende Wirkung verliehen (§ 873 Abs. 2 BGB). Auch im Flurbereinigungsverfahren wäre eine formelle Abgrenzung zwischen den vom Teilnehmer im Wunschtermin (§ 57 FlurbG) regelmäßig unverbindlich geäußerten Abfindungswünschen nebst den vom Vorsitzenden unverbindlich aufgezeigten Abfindungsmöglichkeiten einerseits, dem ausnahmsweise verbindlich abgegebenen Abfindungswunsch nebst der das Planermessen festlegenden Zusage des Vorsitzenden andererseits dringend notwendig. Doch fehlt eine echte Formvorschrift, wie z.B. in § 52 Abs. 2, § 99 Abs. 1 FlurbG. Zwar gelten auch für die Abfindungszusage die Vorschriften über Verhandlungen (§ 129 mit § 131 FlurbG), d.h. die Abfindungszusage muß - wie die Zustimmung nach § 45 FlurbG: BVerwG 28.1.1960, RdL 1960, 191 - ausdrücklich und aktenkundig erklärt werden. Im vorliegenden Fall wurden bei den maßgeblichen Verhandlungen am 5.12.1967 und 27.3.1968 jedoch lediglich stichwortartige Bemerkungen in die Zusammenstellung I aufgenommen, ohne daß die Formvorschriften des § 130 FlurbG beachtet worden wären. Die Beklagte kann sich bei dieser Sachlage nicht darauf berufen, daß ein Kläger den Inhalt der von ihm genehmigten Niederschrift gegen sich gelten lassen müßte. Sie hat die über § 130 FlurbG mögliche formelle Absicherung der bei den Verhandlungen abgegebenen Erklärungen versäumt.
2. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kann nicht von der Beweislast einer Partei gesprochen werden. Doch geht es zu Lasten der Kläger, wenn das Gericht das Vorliegen der Zusage, auf die sie ihren Anspruch stützen, nicht feststellen kann (vgl. Eyermann-Fröhler RN 5 zu § 86 VwGO).
Für den Nachweis der behaupteten Zusage kam nach Sachlage nur eine Vernehmung der Personen in Betracht, die bei dem Wunschtermin (5.12.1967) und bei der Zwischenverhandlung (27.3.1968) zugegen waren, also einerseits der Kläger, andererseits des Vorstandsvorsitzenden und der Vorstandsmitglieder der Beklagten. Nach Ansicht des Senats waren nicht nur der Vorstandsvorsitzende, der die Teilnehmergemeinschaft vertritt (§ 26 FlurbG), sondern auch die übrigen Vorstandsmitglieder als Beteiligte zu vernehmen. Für die Beweiserhebung durch Einvernahme von Zeugen und Beteiligten sind nach §§ 96, 98 VwGO die Vorschriften über den Zeugenbeweis (§ 373 ff. ZPO) und für die Einvernahme der Parteien (§§ 450 mit 455 ZPO) entsprechend anzuwenden. Bei Körperschaften des öffentlichen Rechts können die Mitglieder der Vertretungsorgane nur als Beteiligte vernommen werden (Redeker - von Oertzen, Anm. 4 zu § 98 VwGO). Das alleinige Vertretungsorgan der Teilnehmergemeinschaft ist ihr Vorstand. Er allein führt die Geschäfte im eigenen und im übertragenen Wirkungskreis (Steuer: Anm. 1 zu § 25 FlurbG). Die Versammlung der Teilnehmer hat neben dem Wahlrecht lediglich ein Anhörrecht (§ 21 mit § 23 FlurbG). Der Vorstandsvorsitzende - in Bayern ein von der Flurbereinigungsdirektion bestimmter Beamter (Art. 7 AGFlurbG) - vertritt zwar die Teilnehmergemeinschaft gerichtlich und außergerichtlich (§ 26 Abs. 3 FlurbG), aber es ist lediglich das die Vorstandsbeschlüsse ausführende Organ ohne eigenen Wirkungskreis. Da rechtlich stets der Vorstand die Verantwortung für die Verwaltungsakte der Teilnehmergemeinschaft trägt, passen für die Vernehmung von Vorstandsmitgliedern die Vorschriften über die zeugenschaftliche Einvernahme nicht. Das Vorstandsmitglied hätte in aller Regel ein Zeugnisverweigerungsrecht wegen drohenden Vermögensschadens (Haftung) nach § 384 Ziffer 1 ZPO, u.U. auch nach Ziffer 2 dieser Vorschrift. Die Rechtslage ist insoweit anders als bei Gemeinderatsmitgliedern (hier verneinend: BayObLGZ: 62, 341/360; bejahend für die dem Vorstand der Teilnehmergemeinschaft vergleichbaren Gemeindeausschüsse nach früherem Recht: BayVGH 26, 255). Anders als im Zivilprozeß (vgl. BGHZ 42, 230) ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Parteivernehmung kein Akt der Prozeßführung, sondern nur Beweismittel. Die §§ 445 mit 447 ZPO sind nicht entsprechend anwendbar. Mindestens im vorliegenden Fall können die Vorstandsmitglieder nur als Partei vernommen werden, da sie sonst in eigener Sache als Zeugen aussagen würden. Es wird behauptet, der Vorstandsvorsitzende habe die Abfindungszusage in Anwesenheit des Vorstandes mit dessen stillschweigender oder ausdrücklicher Billigung abgegeben.