Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 03.06.1966 - IV C 7.66 = Buchholz BVerwG 424.01 § 44 FlurbG Nr. 6= RdL 1966 S. 268
Aktenzeichen | IV C 7.66 | Entscheidung | Urteil | Datum | 03.06.1966 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = Buchholz BVerwG 424.01 § 44 FlurbG Nr. 6 = RdL 1966 S. 268 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Frage des Zeitpunktes, in dem sich Einlage und Abfindung wertgleich gegenüberstehen müssen. |
2. | Da die gesetzlich geforderte Wertgleichheit der Abfindung für die gesamte Einlage und die gesamte Abfindung gegeben sein muß, ist es zulässig, eine Entfernungsverschlechterung bei Grünland in Beziehung zu dem Entfernungsgewinn bei Ackerland zu setzen. |
Aus den Gründen
Die Ausführungen des Flurbereinigungsgerichts zur Grünlandabfindung der Klägerin sind revisionsrichterlich nicht zu beanstanden. Zutreffend ist das Flurbereinigungsgericht davon ausgegangen, daß nicht die Einlage und die Abfindung an Grünland für sich zu vergleichen sind, sondern daß die gesetzlich geforderte Wertgleichheit der Abfindung für die gesamte Einlage und die gesamte Abfindung gegeben sein muß. Ohne Rechtsirrtum hat es daher die Entfernungsverschlechterung bei Grünland in Beziehung zu dem Entfernungsgewinn bei Ackerland gesetzt. Dabei hat es einen betriebswirtschaftlichen Gewinn für die Klägerin nicht nur bei einer gleichmäßigen Bewertung der Entfernungsveränderungen bei Grün- und Ackerland errechnet, sondern auch nach der von der Klägerin in dem von ihr beigebrachten Gutachten Dr. S. für richtig gehaltenen Berechnungsweise. Die Behauptung der Revision, die Berechnung des Flurbereinigungsgerichts sei insoweit nicht richtig, trifft nicht zu. Das Flurbereinigungsgericht ist bei der Berechnung auf Seite 11 seines Urteils, wie im Gutachten Dr. S. vorgeschlagen, von zwei täglichen Wegen von und zur Weide für zwei Personen an 90 Weidetagen ausgegangen. Dementsprechend hat es bei einem Entfernungsverlust an Grünland von 313 m einen Gesamtmehrweg von 225 km jährlich errechnet (4 x 313 m = 1252 m x 2 = 2504 m x 90 = rd. 225 km). Mit der Behauptung, der Entfernungsverlust an Grünland betrage nicht 313 m, sondern 1 km, kann die Klägerin im Revisionsverfahren nicht gehört werden. Mit dieser Behauptung wendet sie sich gegen eine tatsächliche Feststellung des Flurbereinigungsgerichts, die das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindet. Zulässige und begründete Revisionsrügen gegen diese Feststellung hat die Klägerin nicht vorgebracht. Den im Privatgutachten Dr. S. ohne näheren Nachweis angenommenen Entfernungsverlust an Grünland von 1 km hat das Flurbereinigungsgericht ausdrücklich als unzutreffend festgestellt. Wieso schließlich eine Berücksichtigung des außerhalb des Flurbereinigungsgebietes liegenden Grundbesitzes der Klägerin zwingend zu der Folgerung hätte führen müssen, daß die Klägerin für ihre früheren hofnahen Flächen (Grünland) nicht in einer hoffernen Lage hätte abgefunden werden dürfen, legt die Klägerin nicht näher dar. Dafür ist auch nichts ersichtlich.
Die Revision irrt auch in der Annahme, das Flurbereinigungsgericht habe dem Begehren der Klägerin, ihr eine kostenfreie Zuwegung zu ihrem außerhalb des Flurbereinigungsgebietes liegenden Waldgrundstück in der Gemarkung N. (Parzelle 874 der Flur 25 alt) zu schaffen, rechtsfehlerhaft nicht entsprochen. Aufgabe der Flurbereinigung ist es, das jeweilige Flurbereinigungsgebiet neu zu gestalten, § 37, § 38 und § 2 FlurbG. Die Zuwegung von Grundstücken, die außerhalb des Flurbereinigungsgebietes liegen, gehört nicht zu dieser Aufgabe. Das Zuwegungsbegehren der Klägerin kann sich daher nur darauf stützen, daß vor der Flurbereinigung eine Zuwegung bestanden hat, die durch die Flurbereinigung entfallen und bei der Abfindung nicht berücksichtigt worden ist. Diesen Umstand aber hat die Klägerin, wie das Flurbereinigungsgericht irrtumsfrei ausgeführt hat, selbst zu vertreten. Die frühere Zuwegung der Klägerin bestand in Nutzungsrechten der Nachbargrundstücke, die im Grundbuch nicht eingetragen waren. Die Klägerin hätte diese Rechte innerhalb der mit dem Einleitungsbeschluß zur Flurbereinigung vom 4. November 1955 gesetzten Frist anmelden müssen. Das Versäumnis der Anmeldung, auf dessen Folgen gemäß § 14 Abs. 4 FlurbG im Einleitungsbeschluß hingewiesen worden war, führt nach § 14 Abs. 2 FlurbG dazu, daß die Flurbereinigungsbehörde die bisherigen Verhandlungen und Festsetzungen gelten lassen kann. In Anwendung dieser Vorschrift hat das Flurbereinigungsgericht im Rahmen seiner sich aus § 146 Nr. 2 FlurbG ergebenden Befugnis ohne erkennbaren Rechtsfehler die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die begehrte Zuwegung nach Maßgabe der im Urteil näher dargelegten Voraussetzungen auf ihre, der Klägerin, Kosten zu beschaffen.
Ohne Erfolg wendet sich die Revision weiterhin dagegen, daß das Flurbereinigungsgericht den Altbesitzparzellen 835/1 und 1300/1 sowie dem von der Klägerin als Bauland angesehenen Altbesitz in Flur 25 Bauerwartungslandcharakter nicht zuerkannt hat. Die Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts, wonach all diese Parzellen sowohl im Zeitpunkt der vorzeitigen Ausführungsanordnung als auch im Zeitpunkt der Urteilsfällung auf absehbare Zeit für eine Bebauung nicht in Betracht kamen, begegnen revisionsrichterlicher Beanstandung nicht. Die Klägerin wendet, wie schon in der Vorinstanz, ein, sie habe auf den Parzellen Vorhaben verwirklichen wollen, die nach § 35 Abs. 1 des Bundesbaugesetzes privilegiert seien und deswegen hätten genehmigt werden müssen. Der Einwand ist jedoch unbeachtlich. Das Flurbereinigungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, daß die Abfindung der Klägerin jedenfalls ebenso günstige Voraussetzungen für die Bebauung zu den in § 35 Abs. 1 des Bundesbaugesetzes privilegierten landwirtschaftlichen Zwecken bietet wie ihr vergleichbarer Altbesitz. Ohne Rechtsverstoß hat es daher die Frage dahinstehen lassen können, inwieweit eine Bebauung der Parzellen für landwirtschaftliche Zwecke möglich gewesen wäre. Die Beantwortung dieser Frage war für die Beurteilung wertgleicher Abfindung der Klägerin, über die zu befinden war, ohne Belang.
Mit Recht erhebt die Revision jedoch Einwendungen gegen diejenigen Darlegungen des angefochtenen Urteils, mit denen auch dem von der Klägerin eingebrachten Grundstück 1329 der Flur 21 die Bewertung als Bauerwartungsland versagt worden ist. Das Flurbereinigungsgericht hat insoweit ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Auffassung des Sachverständigen Dr. B. zutreffe, dem Grundstück sei für den Zeitpunkt der vorzeitigen Ausführungsanordnung der Wert als Bauerwartungsland zuzuerkennen; denn für den Zeitpunkt der Urteilsfällung gelte dies jedenfalls nicht. Hiernach sieht das Flurbereinigungsgericht nicht den Zeitpunkt der vorzeitigen Ausführungsanordnung, sondern den Zeitpunkt der Urteilsfällung als maßgeblich für die Beurteilung der Frage an, ob ein Grundstück die Eigenschaft als Bau- oder Bauerwartungsland besitzt. Diese Auffassung, die das Vordergericht schon früher vertreten hat, ist rechtsirrig. Das Bundesverwaltungsgericht hat sie bereits im Urteil vom 9. Juni 1959 - BVerwG I CB 27.58 = BVerwGE 8, 343 -, damals noch in Anwendung der Reichsumlegungsordnung, zurückgewiesen. Unter der Herrschaft des Flurbereinigungsgesetzes gilt nichts anderes. Die Gleichwertigkeit von Einlage und Abfindung muß im Rahmen der Flurbereinigung grundsätzlich in dem Zeitpunkt gegeben sein, in dem die rechtlichen Wirkungen der Flurbereinigung eintreten. Das ist der für die Ausführungsanordnung festgesetzte Tag (§ 61, § 62, § 63 FlurbG), hier der 19. Juli 1961. Mit diesem Tag tritt die Abfindung der Beteiligten rechtlich an die Stelle der Einlage (§ 61 Satz 2 FlurbG).
Das Erkenntnis des Flurbereinigungsgerichts kann auch mit Rücksicht darauf nicht Bestand haben, daß das Gericht an anderer Stelle ausführt, nach seiner Ansicht müßten die im Zeitpunkt der Urteilsfällung gegen eine Annahme von Bauerwartungsland sprechenden Gründe auch schon im Zeitpunkt der vorzeitigen Ausführungsanordnung Geltung haben. Denn das Flurbereinigungsgericht hat diese Feststellung nicht eindeutig getroffen und seine Entscheidung letzten Endes auch auf eine weitere, wiederum rechtsirrige Erwägung gestützt. Es hat darauf abgestellt, ob eine beabsichtigte Ausnutzung des Grundstücks als Bauerwartungsland, sei es durch bauliche Nutzung, sei es durch Verkauf in der Zeit nach der vorzeitigen Ausführungsanordnung bis zum Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes, festgestellt werden könnte. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt es aber nicht entscheidend auf die zur maßgeblichen Zeit ausgeübte oder beabsichtigte Nutzung an, sondern auf die durch die Lage bedingte (objektive) Nutzungsfähigkeit des Grundstücks (BVerwGE 2, 154; 8, 343).
Die rechtsfehlerhafte Beurteilung des klägerischen Einlagegrundstücks 1329 in Flur 21 durch die Vorinstanz läßt nicht ausschließen, daß dieses Grundstück am Bewertungsstichtag, dem 19. Juli 1961, Bauerwartungslandwert besessen hat. Sollte dies der Fall gewesen sein, so wäre die Abfindung der Klägerin entgegen der Vorschrift des § 44 Abs. 1 FlurbG nicht wertgleich. Daher mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zwecks weiterer Aufklärung durch die Vorinstanz an diese zurückverwiesen werden. In dem erneuten Verfahren wird das Flurbereinigungsgericht festzustellen haben, ob das Grundstück 1329 am Bewertungsstichtag nach den in BVerwGE 8, 343 (345) näher dargelegten Grundsätzen als in absehbarer Zeit wahrscheinlich bebauungsfähig anzusehen war. Sollte es zu einer Bejahung dieser Frage gelangen, so wird es den Wert des Grundstücks gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bewertung von Bauland (baureifes Land und Bauerwartungsland) festzustellen (BVerwGE 2, 154; 4, 191; 8, 343 (346 ff.)) und eine wertgleiche Abfindung der Klägerin herbeizuführen haben.