Flurbereinigungsgericht Münster, Urteil vom 11.05.1982 - 9 G 7/81

Aktenzeichen 9 G 7/81 Entscheidung Urteil Datum 11.05.1982
Gericht Flurbereinigungsgericht Münster Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Bei der Aufstellung des Wege- und Gewässerplanes handelt die Flurbereinigungsbehörde anstelle bzw. für die Gemeinde.
2. Die in § 42 Abs. 1 Satz 1 FlurbG geregelte gesetzliche Ausbaupflicht der Teilnehmergemeinschaft im Interesse der Durchführung der Neuordnung nach einem Gesamtplan verdrängt nach Art. 31 GG landesgesetzliche Ausbaupflichten.
3. Die in der Rechtsprechung zum Planfeststellungsrecht entwickelten Grundsätze zur Rechtsbetroffenheit einer Gemeinde finden im Hinblick auf den Wege- und Gewässerplan keine Anwendung. Deshalb ist die Gemeinde über den Kreis der in § 41 Abs. 6 FlurbG Genannten hinaus nicht rechtsbetroffen durch den Plan.

Aus den Gründen

Die Klage ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO zulässig. Denn die Klägerin macht geltend, durch den Planfeststellungsbeschluß des Beklagten in dem ihr Gemeindegebiet betreffenden Planungsrecht verletzt zu sein. Es ist ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, daß sich eine Gemeinde aufgrund ihrer Planungshoheit, die auf die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG zurückgeht, gegen behördliche Fachplanungen wenden kann. Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.02.1969 - IV C 82.66, DVBl. 1969, 362 ff. und Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.03.1970 - IV C 39.66, DVBl. 1970, 577. Dabei kann sie die Verletzung ortsplanerischer Interessen durch einen Planfeststellungsbeschluß auch dann geltend machen, wenn sich diese Interessen nicht oder noch nicht in Bauleitplänen niedergeschlagen haben. Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.03.1970, a.a.O. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Denn es liegt hinsichtlich der Klägerin keine Rechtsbeeinträchtigung i. S. d. § 113 VwGO durch den Planfeststellungsbeschluß des Beklagten vor.

Während die in der Rechtsprechung zum Planfeststellungsrecht entwickelten Grundsätze zur Rechtsbetroffenheit der Gemeinde Fälle zum Gegenstand haben, die die fernstraßenrechtlichen, bundesbahnrechtlichen, wasserrechtlichen und andere Fachplanungen betreffen, also nicht Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zum Gegestand haben, - wenn diese Fachplanung im Einzelfall auch erhebliche Auswirkungen auf den örtlichen Wirkungskreis einer Gemeinde haben können - betrifft die flurbereinigungsrechtliche (Wirtschaftswege-) Fachplanung ebenso wie die Planungshoheit der Gemeinde Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Das erklärt es, weshalb der Flurbereinigungsplan nach § 58 Abs. 4 FlurbG für Festsetzungen, die im gemeinschaftlichen Interesse der Beteiligten getroffen werden, darunter auch für die sich auf Wirtschaftswege beziehenden Festsetzungen die Wirkung von Gemeindesatzungen hat und die Befugnis zur Verfügung über diese Festsetzungen nach Abschluß des Flurbereinigungsverfahrens in die Zuständigkeit der Gemeinde fällt. In die gleiche Richtung zielt § 42 Abs. 2 FlurbG, wonach die Wirtschaftswege der Gemeinde zu Eigentum zugeteilt werden können. Diese Regelung findet ihre Rechtfertigung darin, daß die Wirtschaftswege Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft sind. Flurbereinigungsrechtliche (Wirtschaftswege-) Fachplanung und Planungshoheit der Gemeinde sind insofern gleichgerichtet, als es in dem einen wie dem anderen Falle um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft geht.

Wie sich aus dem Flurbereinigungsgesetz ergibt, ist es Aufgabe der Flurbereinigungsverwaltung, während der Dauer des Flurbereinigungsverfahrens die (Wirtschaftswege-)Fachplanung durchzuführen. Da die in § 42 Abs. 1 Satz 1 FlurbG geregelte gesetzliche Ausbaupflicht der Teilnehmergemeinschaft im Interesse einer Durchführung der Neuordnung nach einem Gesamtplan ausschließend ist und nach den Grundsätzen des Art. 31 GG landesgesetzliche Ausbaupflichten verdrängt, handelt die Flurbereinigungsverwaltung bei der Aufstellung des Wege- und Gewässerplans anstelle bzw. für die Gemeinde. Bei dieser Sachlage besteht kein Grund, die von der Rechtsprechung zum Planfeststellungsrecht entwickelten Grundsätze zur Rechtsbetroffenheit der Gemeinde auch auf diesen Fall anzuwenden. Denn da es der Klägerin hinsichtlich der Wirtschaftswege an einer Befugnis zur Planverwirklichung während des Flurbereinigungsverfahrens fehlt, geht ihr auch die materielle Befugnis zu verbindlichen planerischen Vorgaben für die Wirtschaftswege ab, aus der allein eine Rechtsbetroffenheit abgeleitet werden könnte. Diese Vorgaben erfolgen vielmehr durch die in die Zuständigkeit der Flurbereinigungsverwaltung fallenden Festsetzungen des Wege- und Gewässerplanes, der nach § 42 Abs. 1 Satz 2 FlurbG Voraussetzung des Wirtschaftswegeausbaus ist.

Daß die gemeindliche Planungshoheit hinsichtlich der Wirtschaftswege während der Dauer des Flurbereinigungsverfahrens fehlt und der Flurbereinigungsverwaltung übertragen ist, ergibt sich auch aus § 41 Abs. 2 FlurbG, wonach die Gemeinde lediglich einer der Träger öffentlicher Belange ist, die mit verwaltungsinterner Wirkung zu beteiligen sind. Zum anderen gehen § 41 Abs. 5 letzter Satz und Abs. 6 FlurbG mit ihrer Enumeration der möglichen Betroffenen davon aus, daß die Klägerin nicht Rechtsbetroffene des Wege- und Gewässerplanes ist.

Gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 FlurbG hat die Teilnehmergemeinschaft die nach der Planungsvorschrift des § 39 FlurbG erforderlichen Wirtschaftswege als gemeinschaftliche Anlagen herzustellen, soweit nicht ein anderer den Ausbau übernimmt. Neben dieser Ausbaupflicht der Teilnehmergemeinschaft kommt der Flurbereinigungsgemeinde nicht die Befugnis zu, Wirtschaftswege auszubauen. Zwar läßt es § 43 Abs. 1 Satz 1 FlurbG zu, daß ein Dritter den Ausbau eines Wirtschaftsweges übernimmt. Diese Übernahme ist jedoch so zu verstehen, daß es zum Ausbau durch einen Dritten entweder einer Festsetzung im Flurbereinigungsplan oder eines Verwaltungsaktes oder einer Überlassung, d. h. einer vertraglichen Regelung mit der Flurbereinigungsbehörde oder der Teilnehmergemeinschaft, bedarf. Für diese Auslegung spricht die ergänzende Vorschrift des § 18 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, nach der die Teilnehmergemeinschaft die gemeinschaftlichen Angelegenheiten herzustellen hat, "soweit nicht der Flurbereinigungsplan (§ 58 FlurbG) anderes bestimmt oder die Ausführung ... einzelnen Beteiligten oder einem Wasser- und Bodenverband überlassen wird".

Eine zeitweilige Verdrängung bzw. die Anordnung des zeitweiligen Ruhens der gemeindlichen Planungshoheit mit der Folge des Ausschlusses einer Rechtsbetroffenheit der Gemeinde steht auch mit Art. 28 Abs. 2 GG in Einklang. Nach dieser Vorschrift muß den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Der Inhalt dieses Selbstverwaltungsrechtes wird also weitgehend durch einfaches Gesetz bestimmt. Der Wesensgehalt des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechtes wird nicht verletzt, wenn § 41 FlurbG eine Verdrängung der gemeindlichen Planungshoheit oder deren Ruhen und einen Ausschluß der Rechtsbetroffenheit der Gemeinde anordnet. Im Umlegungs- und Auseinandersetzungsrecht sind zeitweilige Beschränkungen der Befugnis der Gemeinde zur Regelung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft hergebracht. Vgl. hierzu: Czychowski in RdL 1963, 1 ff.; DVBl. 1962, 778 ff.

Darüber hinaus sind aber auch die Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses des Beklagten betreffend die Wege Nr. 175/501 - AH 51 und den Weg 502 nicht rechtswidrig.

Soweit der Planfeststellungsbeschluß des Beklagten keine Ausbauverpflichtung der Teilnehmergemeinschaft hinsichtlich der AH 60 im Zuge der Wege Nr. 175/501 und AH 51 bis zum Wege Nr. 334 enthält, wie die Klägerin verlangt, gilt folgendes: Bei diesem Wegezug handelt es sich um eine schon vor der Flurbereinigung bestehende Gemeindestraße. Der gemäß § 41 FlurbG festgestellte Wege- und Gewässerplan weist diese Straße abgesehen von geringfügigen Kurvenabflachungen in alter Lage aus und ändert nichts an den bestehenden Eigentumsverhältnissen und an der Ausbau- und Unterhaltungslast der Klägerin. Gemäß § 42 Abs. 1 FlurbG gehört es zu den Aufgaben der Teilnehmergemeinschaft, die "gemeinschaftlichen Anlagen" i. S. v. § 39 Abs. 1 FlurbG herzustellen. Da es sich bei dem in Frage stehenden Wegezug um eine vorhandene Gemeindestraße handelt, ist nicht die Teilnehmergemeinschaft ausbau- und unterhaltungspflichtig, vielmehr ist das Sache der Gemeinde L. (§§ 3 Abs. 4 a und b, 47 Abs. 1 LStrG). Darüber hinaus liegt der größte Teil dieses Straßenzuges ("O.") außerhalb des Flurbereinigungsgebietes W., so daß die Forderung der Klägerin insoweit unbegründet ist; auch das Planfeststellungsverfahren konnte für den Bereich der AH 51 zwischen dem Weg Nr. 501 und dem Weg Nr. 334 aus diesem Grunde keine Regelung treffen. Die Klägerin kann auch nicht mit dem Widerspruch gegen den Planfeststellungsbeschluß einen Rechtsbehelf gegen den bestandskräftigen Flurbereinigungsbeschluß nachholen.

Anmerkung

Vgl. Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 05.07.1983 - 9 C 33/82, Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 06.03.1986 - 5 C 36.82 = BVerwGE 74, 84 = DÖV 1986 S. 744