Verwaltungsgerichtshof Mannheim, Urteil vom 15.11.1988 - 10 S 2401/87 = RdL 1989 S. 295
Aktenzeichen | 10 S 2401/87 | Entscheidung | Urteil | Datum | 15.11.1988 |
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Gericht | Verwaltungsgerichtshof Mannheim | Veröffentlichungen | = RdL 1989 S. 295 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Naturschutzrechtlich gebotene Ausgleichsmaßnahmen für das Unternehmen sind im Planfeststellungsbeschluß für das Unternehmen zu regeln, nicht im Plan nach § 41 Abs. 1 FlurbG. |
Aus den Gründen
Die Beeinträchtigungen, die durch den Doppelzaun der Rundfunkanlage hervorgerufen werden, lassen sich durch landschaftspflegerische Maßnahmen allenfalls in ihren Auswirkungen abmildern, nicht aber beseitigen. Bedarf ein Eingriff, wie hier auf der Grundlage des § 24 LEntG, nach einer Vorschrift außerhalb des Naturschutzgesetzes einer Gestattung, so ist die zuständige Behörde nach § 12 Abs. 1 Satz 2 NatSchG gehalten, die Ausgleichsanordnungen nach § 11 NatSchG in ihre Entscheidung mit einzubeziehen. Dies hat das Regierungspräsidium unterlassen. Es hat die Beteiligten stattdessen auf den landschaftspflegerischen Begleitplan verwiesen, dessen Erstellung in dem in Aussicht genommenen Flurbereinigungsverfahren zu erwarten ist, und sich für den Fall, daß ein solcher Plan nicht zustandekommt, eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses vorbehalten.
Diese Art des Vorgehens entspricht nicht den Anforderungen des Abwägungsgebots. Bei einer Planungsentscheidung sind grundsätzlich alle durch das Vorhaben ausgelösten Konflikte zu bewältigen. Einzelfragen können nur dann ausgeklammert und einem anderen Verfahren oder einer späteren Entscheidung der Planfeststellungsbehörde vorbehalten bleiben, wenn dies im Einklang mit dem Abwägungsgebot geschieht. Ein Vorbehalt ist ungeachtet weiterer Voraussetzungen jedenfalls nur dann zulässig, wenn sich zur Zeit der Planfeststellung die für die Bewältigung eines spezifischen Problems notwendigen Kenntnisse nicht mit vertretbarem Aufwand beschaffen lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.01.1981, BVerwGE 61, 307, Beschl. v. 17.12.1985, Buchholz 445.4 § 31 WHG Nr. 10, und Urt. v. 18.12.1987, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 71).
Bereits im Zeitpunkt der Entscheidung des Regierungspräsidiums war absehbar, daß die Verlagerung des Naturschutzkomplexes in das Flurbereinigungsverfahren kein geeigneter Weg war, um einer umfassenden Konfliktbewältigung näherzukommen. Es liegt auf der Hand, daß der landschaftspflegerische Begleitplan, den die Flurbereinigungsbehörde nach § 41 FlurbG aufzustellen hat, nichts zur Lösung der durch das planfestgestellte Vorhaben aufgeworfenen naturschutzrechtlichen Fragen beizutragen vermag. Das Verwaltungsgericht weist zu Recht darauf hin, daß die in § 41 FlurbG angesprochene Planung auf Ziele ausgerichtet ist, die nichts mit der Bewältigung der durch die Regelung des § 11 NatSchG ausgelösten Ausgleichsproblematik zu tun haben. Der Wege- und Gewässerplan, den die Flurbereinigungsbehörde aufzustellen hat, bildet die Grundlage für die Neugestaltung des Flurbereinigungsgebietes. In ihm ist insbesondere das neue Wege- und Gewässernetz festzulegen, das den notwendigen Bezugsrahmen für die veränderte Flureinteilung darstellt (vgl. BVerwG, Urteile v. 15.03.1973, BVerwGE 42, 92, und vom 06.02.1986, BVerwGE 74, 1). In den landschaftspflegerischen Begleitplan, der mit dem Wege- und Gewässerplan eine untrennbare Einheit bildet, sind die landschaftspflegerischen Maßnahmen aufzunehmen, zu denen diese Neugestaltung herausfordert. Das planfestgestellte Vorhaben des Beigeladenen gehört nicht zu den in § 41 FlurbG in Bezug genommenen Anlagen. Es bildet den Anlaß, aber nicht den Gegenstand des Planungsverfahrens, das diese Bestimmung im Auge hat. In dem Wege- und Gewässerplan, durch den ausweislich des § 41 Abs. 5 FlurbG die öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Flurbereinigungsvorhabens und den Planbetroffenen rechtsgestaltend geregelt werden, sind die flurbereinigungsspezifischen Konflikte zu lösen, nicht dagegen zu Lasten der Solidargemeinschaft, die sich personell nicht mit dem Kreis der durch den Planfeststellungsbeschluß vom 08.10.1986 Betroffenen zu decken braucht, Aufgaben zu erledigen, die nur deshalb anstehen, weil die Bewältigung der durch ein verfahrensexternes Vorhaben aufgeworfenen Probleme in dem hierfür vorgesehenen Verfahren nicht funktioniert hat. Ließ sich an die Aussicht, daß die Flurbereinigungsbehörde landschaftspflegerische Maßnahmen ergreifen werde, nicht die Erwartung knüpfen, daß sich die Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes in dem nach § 24 LEntG eingeleiteten Planfeststellungsverfahren erübrigte, so lief die Ausklammerung der naturschutzrechtlichen Aspekte darauf hinaus, die insoweit gebotene Entscheidung lediglich hinauszuschieben. Die Frage des naturschutzrechtlichen Ausgleichs war bereits im Zeitpunkt der Planfeststellung entscheidungsreif. Sie ließ sich unabhängig davon, ob und mit welchem Ergebnis ein Flurbereinigungsverfahren durchgeführt wird, lösen. Sie gleichwohl offenzuhalten und einer späteren Regelung zuzuweisen, bewirkte, da sie der sachlichen Rechtfertigung entbehrte, daß die Planung insoweit an einem Abwägungsdefizit krankt.