Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 17.02.2010 - 9 C 10903/09. OVG = RdL 2011, 188-189 (Leitsatz und Gründe)= LKRZ 2010, 296-298 (Leitsatz und Gründe)= DVBl 2010, 976-978 (Leitsatz und Gründe)= AUR 2010, 272-274 (Leitsatz und Gründe)= DÖV 2010, 741 (Leitsatz) (Lieferung 2012)
Aktenzeichen | 9 C 10903/09. OVG | Entscheidung | Urteil | Datum | 17.02.2010 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Koblenz | Veröffentlichungen | = RdL 2011, 188-189 (Leitsatz und Gründe) = LKRZ 2010, 296-298 (Leitsatz und Gründe) = DVBl 2010, 976-978 (Leitsatz und Gründe) = AUR 2010, 272-274 (Leitsatz und Gründe) = DÖV 2010, 741 (Leitsatz) | Lieferung | 2012 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Als - teilweise - Landbereitstellung für öffentliche Anlagen i.S.v. § 40 FlurbG kommt auch die Bereitstellung einer Dienstbarkeit zwecks Durchführung naturschutzrechtlicher Ausgleichsmaßnahmen in Betracht. |
2. | Die Inanspruchnahme von Grundeigentum zwecks Gewährleistung einer betriebssicheren Eisenbahninfrastruktur einschließlich der hierfür notwendigen naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen dient ungeachtet der privatrechtlichen Organisation der DB Netz AG dem Grunde nach einem öffentlichen Interesse i.S.v. § 40 FlurbG. |
3. | Unabhängig davon, ob die Landbereitstellung für öffentliche Anlagen i.S.v. § 40 FlurbG als Enteignung oder als bloße Inhaltsbestimmung des Eigentums zu werten ist, muss sie den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügen. |
4. | Ist nach der Plangenehmigung des Vorhabensträgers der Zugriff auf Grundstücke gegen den Willen des jeweiligen Eigentümers nicht zulässig, so ist auch die Flurbereinigungsbehörde bei ihrer Entscheidung nach § 40 FlurbG daran gebunden. |
Aus den Gründen
Der Flurbereinigungsplan ist rechtswidrig, soweit zugunsten der Beigeladenen zu 2) die Abfindungsgrundstücke des Klägers mit einer Dienstbarkeit belastet wurden.
a) Als Rechtsgrundlage für die Belastung der Abfindungsflurstücke des Klägers, Gemarkung O. Flur 28 Nrn. 48/3, 49, 53/1 sowie Gemarkung U., Flur 17 Nrn. 143 und 146, die weitgehend seinen Einlageflächen in dieser Lage entsprechen, kommt allein § 40 FlurbG in Betracht. Danach kann für Anlagen, die dem öffentlichen Verkehr oder einem anderen öffentlichen Interesse dienen, Land in verhältnismäßig geringem Umfang im Flurbereinigungsverfahren bereitgestellt werden.
Durch die Bestellung einer Dienstbarkeit zugunsten der Beigeladenen zu 2) wird für diese Land bereitgestellt. Dabei ist unschädlich, dass es sich nicht um das Volleigentum an Grundstücken handelt, sondern nur um ein Recht zur Wahrnehmung einzelner Eigentümerbefugnisse. Es dürfte auch zulässig sein, zu diesem Zweck die Dienstbarkeiten neu zu begründen. Die Begründung von Dienstbarkeiten ist zwar nach § 49 FlurbG ausdrücklich nur vorgesehen, um die Abfindung für aufgehobene Rechte durch gleichartige Rechte zu ermöglichen. Es wird jedoch weitgehend anerkannt, dass die Begründung einer Dienstbarkeit an einem Grundstück anstelle der Zuweisung des Grundstückes zu Eigentum als weniger schwerwiegender Eingriff zulässig ist (vgl. Schwantag, in: Schwantag/Wingerter, FlurbG-Kommentar, 8. Aufl. 2008, § 49 Rn. 15).
Ferner handelt es sich um die Bereitstellung von Land in verhältnismäßig geringem Umfang. Dabei kommt es nicht, wie der Kläger meint, auf das Verhältnis seiner betroffenen Fläche zu seiner Abfindung insgesamt an, sondern auf die durch die Dienstbarkeit eingetretene Wertminderung der Eigentumsflächen im Verhältnis zum Wert der gesamten Flächen im Verfahrensgebiet. Wie der Beklagte unwidersprochen vorträgt, ist in allen anderen Fällen die Belastung mit der Dienstbarkeit im Einvernehmen mit den betroffenen Grundstückseigentümern erfolgt und nicht gestützt auf § 40 FlurbG. Weiterhin beträgt der Wert der danach allein maßgeblichen Flächen des Klägers, auf denen die Dienstbarkeit ausgeübt werden kann, lediglich 0,42 % des Wertes aller dem Verfahren unterliegenden Flächen (Schriftsatz des Beklagten vom 5. Februar 2010, Blatt 99 der Gerichtsakte).
Die Bereitstellung erfolgt letztlich auch für Anlagen, die dem öffentlichen Verkehr dienen. Die Dienstbarkeit soll es der Beigeladenen zu 2) ermöglichen, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für Eingriffe in Gestalt von Hangsicherungsmaßnahmen vorzunehmen, die für den Betrieb der Bahnstrecke erforderlich waren. Entgegen der Ansicht des Klägers liegt dies im öffentlichen Interesse. Einrichtungen von Eisenbahnen sind in § 40 FlurbG ausdrücklich aufgeführt. Dass die Beigeladene zu 2) privatrechtlich organisiert ist, ändert nichts daran, dass der Eisenbahnverkehr und insbesondere die Gewährleistung einer betriebssicheren Eisenbahninfrastruktur im öffentlichen Interesse liegt. Hierfür spricht neben der verfassungsrechtlich normierten Gewährleistungsverantwortung des Bundes (Art. 87 e Abs. 4 GG) die Zweckbestimmung des öffentlichen Eisenbahnverkehrs in § 3 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass hier die öffentliche Aufgabe einer Eisenbahn nicht erfüllt wird. Hangsicherungsmaßnahmen für die Bahnstrecke und die erforderlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen stehen, soweit sie nicht selbst Einrichtungen von Eisenbahnen sind, in einem unmittelbaren funktionalen Zusammenhang mit diesen und dienen gleichfalls dem öffentlichen Verkehr.
b) Wenn es somit zwar dem Grunde nach durchaus gerechtfertigt ist, für Anlagen zur Gewährleistung von Eisenbahninfrastruktur, einschließlich hierfür notwendiger naturschutzrechtlicher Ausgleichsmaßnahmen, Land nach § 40 FlurbG bereitzustellen, so erweist sich die Inanspruchnahme der Flurstücke des Klägers aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles jedoch als rechtswidrig.
Die Belastung der Grundstücke des Klägers zur Durchführung von der Beigeladenen zu 2) in der Plangenehmigung des Eisenbahn-Bundesamtes vom 22. Juni 2003 aufgetragenen Ausgleichsmaßnahmen ist deshalb rechtswidrig, weil sie gegen den Willen des Klägers erfolgt und ein solcher zwangsweiser Zugriff auf das Grundstückseigentum in der Plangenehmigung ausgeschlossen worden ist. Hieran ist auch die Flurbereinigungsbehörde im Verfahren nach § 40 FlurbG gebunden.
Die zwangsweise Belastung von Grundstückseigentum mit einer Dienstbarkeit ist ein Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum, der nur verhältnismäßig erfolgen darf (vgl. für Inhalts- und Schrankenbestimmungen: BVerfG, Beschluss vom 9. Januar 1991, BVerfGE 83, 201 [212]). Ob die von § 40 FlurbG erlaubte Bereitstellung von Land im öffentlichen Interesse darüber hinaus noch den besonderen Anforderungen an die Enteignung genügen muss, kann hier dahingestellt bleiben. Für die Annahme einer Enteignung könnte sprechen, dass dieser Zugriff auf das Eigentum des Einzelnen nicht privatnützig, das heißt im wechselseitigen privaten Interesse der Gemeinschaft der Flurbereinigungsteilnehmer geschieht, sondern zu einem von der Interessenlage der betroffenen Grundstückseigentümer abgelösten öffentlichen Zweck, mithin fremdnützig, erfolgt (vgl. zum Begriff der Enteignung: BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2001 – Bau-landumlegung –, BVerfGE 104, 1 [9 f]). Die Landbereitstellung für öffentliche Anlagen nach § 40 FlurbG – im Unterschied zum ebenfalls fremdnützigen Eigentumszugriff im Rahmen der Unternehmensflurbereinigung nach § 87 FlurbG (vgl. hierzu: BVerfG, Urteil vom 24. März 1987, BVerfGE 74, 264 – Boxberg – <= RzF - 38 - zu § 87 Abs. 1 FlurbG>) – nicht als Enteignung zu werten (so: Schwantag/Wingerter, a.a.O., § 40 Rn. 8), könnte mit der Einbettung der Maßnahme in ein allgemeines Flurbereinigungsverfahren und mit deren Beschränkung auf einen "verhältnismäßig geringen Umfang" begründet werden. Aber auch bei der Einordnung dieses Eigentumszugriffs als Teil einer insgesamt und einheitlich als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums zu wertenden Maßnahme dürfte ihre Fremdnützigkeit bei deren verfassungsrechtlichen Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. ähnlich: BVerfG, Beschluss vom 9. Januar 1991, BVerfGE 83, 201 [213]).
Im vorliegenden Flurbereinigungsverfahren stand die Zulässigkeit der Inanspruchnahme der Grundstücke des Klägers zur Durchführung der von der Beigeladenen zu 2) zu verwirklichenden Ausgleichsmaßnahmen noch nicht mit verbindlicher Wirkung fest. In der Plangenehmigung vom 22. Juni 2003 war lediglich die Notwendigkeit von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach Maßgabe des landespflegerischen Maßnahmenpaketes festgestellt, die Ausführungsplanung mit Bestimmung der konkret in Anspruch zu nehmenden Grundstücke jedoch einem qualifizierten Planungsbüro in Abstimmung mit der oberen Landespflegebehörde überantwortet worden (vgl. S. 7 der Plangenehmigung).
Ob die Landbereitstellung zu dem naturschutzrechtlichen Ausgleichszweck gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig war, hatte demnach die Flurbereinigungsbehörde auf der Grundlage der Ausführungsplanung zu beurteilen.
Es kann offenbleiben, ob der Zugriff auf die Grundstücke des Klägers schon deshalb nicht erforderlich war, weil Alternativen in anderen Lagen zur Verfügung standen, wie der Kläger meint. Denn die Plangenehmigung enthält die Vorgabe, dass der naturschutzrechtliche Ausgleich nicht gegen den Willen der betroffenen Grundstückseigentümer umgesetzt werden soll. So wird der Beigeladenen zu 2) zunächst auferlegt, die erforderlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in zeitlichen Zusammenhang mit der Baumaßnahme zu realisieren. Weiterhin heißt es aber ausdrücklich: "Für den Fall, dass die Realisierung von Ersatzmaßnahmen aus privatrechtlichen Gründen nachweislich nicht oder nicht vollständig möglich ist, wird der Vorhabenträger verpflichtet, im Benehmen mit den zuständigen Naturschutzbehörden andere Maßnahmen festzulegen und im Rahmen des Planänderungsverfahrens feststellen zu lassen." (vgl. S. 7 der Plangenehmigung). Damit wird deutlich, dass nach der Plangenehmigung ein Zugriff auf Grundstücke gegen den Willen des jeweiligen Eigentümers als nicht gerechtfertigt angesehen wird. Diese Regelung in der dem öffentlichen Vorhaben zugrundeliegenden Planungsentscheidung ist auch für die Flurbereinigungsbehörde bei ihrer Entscheidung nach § 40 FlurbG bindend. Vor diesem Hintergrund hätte es nahegelegen, bereits im Rahmen der Ausführungsplanung das Einverständnis der betroffenen Eigentümer zu erfragen und bei Ablehnung die Planung entsprechend anzupassen. Angesichts der klaren Regelung in der Plangenehmigung ist es dabei unerheblich, dass die vorgesehenen Entbuschungsmaßnahmen den jeweiligen Eigentümer nicht merklich belasten, ihm vielmehr sogar zugutekommen, weshalb sich auch die überwiegende Zahl der Eigentümer hiermit einverstanden erklärt hat.