Flurbereinigungsgericht Mannheim, Beschluss vom 31.08.2016 - 7 S 1325/16 (Lieferung 2018)

Aktenzeichen 7 S 1325/16 Entscheidung Beschluss Datum 31.08.2016
Gericht Flurbereinigungsgericht Mannheim Veröffentlichungen Lieferung 2018

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Es kann auch in einem Eilverfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes geboten sein, weitere Verwaltungsvorgänge (die bisher nicht vorgelegt wurden) beizuziehen. Dies setzt aber voraus, dass die sich aus den betroffenen Verwaltungsvorgängen ergebenden Erkenntnisse für die Entscheidung erheblich sein können.
2. Für die Rechtmäßigkeit der heute angeordneten Flurbereinigung ist nicht maßgebend, ob das Flurbereinigungsgebiet in früheren Flurbereinigungen nach damaligen Vorgaben für eine rentable Nutzung, Erschließung sowie geordnete Wasserableitung neu geordnet worden ist, sondern allein, ob der Grundbesitz im Gebiet und das dortige Wegenetz auch nach den heutigen neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geformt und gestaltet sind und ob die Wasserableitung auch heute noch geordnet erscheint.

Aus den Gründen

1.


Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen den teilweisen Sofortvollzug der Anordnung einer Flurbereinigung ... .


...


1.    Der Senat kann über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes entscheiden, obwohl der Antragsteller die von ihm angekündigte ergänzende Begründung nach Einsichtnahme in die von ihm bezeichneten Verwaltungsvorgänge bislang nicht vorgelegt hat.


Der Senat hat dem Begehren des Antragstellers, Einsicht in die vom Antragsgegner vorgelegten Akten zu erhalten, im Juli 2016 im Hauptsacheverfahren stattgegeben. Weitere Akten hat der Senat - auch in diesem Eilverfahren - nicht beigezogen. Damit hatte der Antragsteller - auch zeitlich - hinreichend Gelegenheit, seinen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes unter Berücksichtigung des Inhalts der beigezogenen Akten ergänzend zu begründen und sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern (§ 108 Abs. 2 VwGO).


Der Senat hat auch keine Veranlassung, vor einer Sachentscheidung zunächst dem weiteren Begehren des Antragstellers nachzugehen, die Akten über das Flurbereinigungsverfahren aus den 1960er Jahren beizuziehen und dem Antragsteller zu überlassen. Zwar gilt die gerichtliche Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO), auch in einem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. StGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.03.2015 - 1 VB 56/14 - NVwZ 2015, 1286, juris Rn. 44 m.w.N.), so dass es auch in einem solchen Eilverfahren unter Beachtung der Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG im Einzelfall geboten sein kann, weitere Verwaltungsvorgänge beizuziehen, welche die für das Verwaltungsverfahren und dessen Ergebnis maßgeblichen Sachverhalte und behördlichen Erwägungen dokumentieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.10.1999 - 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106, juris Rn. 65). Dies setzte aber voraus, dass die sich aus den betreffenden Verwaltungsvorgängen ergebenden Erkenntnisse für die Entscheidung im Eilverfahren erheblich sein können. Dafür ist hier unter Berücksichtigung aller Darlegungen des Antragstellers nichts ersichtlich (siehe auch nachfolgend 2.). Eine Verpflichtung des Senats, dem Antragsteller gleichsam "ins Blaue hinein" die Möglichkeit zu eröffnen, seinen Eilantrag mit Erkenntnissen aus diesen Akten weitergehend zu begründen, folgt weder aus § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO noch aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Sollte sein diesbezügliches Begehren - auch - als Beweisantrag gemeint und zu verstehen sein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.08.1987 - 5 B 95.87 - Buchholz 310 § 146 VwGO Nr. 3), wäre er unzulässig. Ein zulässiger Beweisantrag liegt nur vor, wenn bestimmte, konkrete Tatsachen als Beweisthema benannt und bestimmte Beweismittel dafür angeboten werden (BVerwG, Urteil vom 29.08.1963 - 8 C 248.63 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 78, st. Rspr.). Das ist nicht der Fall. Der Antragsteller bietet nur ein bestimmtes Beweismittel an. Er benennt weder ausdrücklich noch sinngemäß bestimmte, konkrete Tatsachen als Beweisthema, die für die Entscheidung über seinen Eilantrag erheblich sein könnten.


Der Senat war auch nicht verpflichtet, über den Antrag auf Beiziehung weiterer Akten vorab zu entscheiden. Eine solche Pflicht gilt nach § 86 Abs. 2 VwGO grundsätzlich nur für in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisanträge, nicht dagegen für (nur) in vorbereitenden Schriftsätzen enthaltene (Beweis-)Anträge; eine Ausnahme gilt nur für Beweisanträge, wenn zuvor auf eine erforderliche mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO verzichtet worden ist (BVerwG, Beschluss vom 10.10.2013 - 1 B 15.13 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 72, juris Rn. 7 m.w.N.). Da der Senat über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch Beschluss entscheidet (vgl. § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO), ist eine mündliche Verhandlung grundsätzlich nicht geboten (§ 101 Abs. 3 VwGO). § 86 Abs. 2 VwGO ist folglich nicht anwendbar.


2.    Der nach § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist nicht begründet.


a)    Die Anordnung der - teilweisen - sofortigen Vollziehung im Bescheid des Landesamts vom 20.06.2016 ist formell rechtmäßig. Insbesondere sind die formellen Begründungsanforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gewahrt. Danach ist das besondere Interesse, das die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes voraussetzt (Dringlichkeitsinteresse), schriftlich zu begründen. Das ist in der Begründung des Bescheids geschehen. Darin wird ausgeführt, ohne die Anordnung steige die Gefahr der Vermehrung von Rebschädlingen und Rebkrankheiten und deren Ausbreitung auf benachbarte Weinberge. Zudem drohe der Verfall von Wiederbepflanzungsrechten, was den Zweck der Rebflurbereinigung gefährde. Mit diesen Ausführungen, die sich nicht nur in pauschalen oder nichts sagenden formelhaften Wendungen erschöpfen (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 24.06.2002 - 10 S 985/02 - VBIBW 2002, 441), hat das Landesamt formell hinreichend begründet, warum seiner Ansicht nach ein Dringlichkeitsinteresse i. S. des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO besteht.


...


Ungeachtet dessen greift der Einwand des Antragstellers, die Flächen im Flurbereinigungsgebiet seien bereits Gegenstand früherer Flurbereinigungen gewesen und demzufolge damals nach allen Vorgaben für eine rentable Nutzung, Erschließung sowie geordnete Wasserableitung neu geordnet worden, weshalb auch die allgemeine Landeskultur und die Landentwicklung nicht mehr förderungsbedürftig seien, auch im Übrigen nicht durch. Denn für die Rechtmäßigkeit der heute angeordneten Flurbereinigung ist allein maßgebend, ob der Grundbesitz im Gebiet "XXXXXXXXXXXXX" und das dortige Wegenetz auch nach den heutigen neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geformt und gestaltet sind und ob die Wasserableitung auch heute noch geordnet erscheint.