Flurbereinigungsgericht Mannheim, Urteil vom 05.12.1984 - 7 S 2514/84
Aktenzeichen | 7 S 2514/84 | Entscheidung | Urteil | Datum | 05.12.1984 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Mannheim | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Flurbereinigung und Landschaftsschutz widersprechen sich in der Aufgabenstellung nicht. Es hängt von der Art und Weise der Durchführung des Verfahrens ab, ob die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes hinreichend berücksichtigt werden. In Ausnahmefällen können Zielkonflikte aber so grundsätzlicher und schwerwiegender Art sein, daß etwa eine ausgleichende Verbindung zwischen Agrarstrukturverbesserung und Landschaftspflege nicht möglich ist. |
2. | Die obere Flurbereinigungsbehörde handelt ermessensfehlerhaft, wenn sie ökologische und landschaftspflegerische Aspekte bei der Einleitung eines in dieser Hinsicht problematischen Verfahrens völlig außer acht läßt und sich ausschließlich an den ökonomischen Interessen der Teilnehmer orientiert. Auf einen insoweit in Betracht kommenden Ermessensfehlgebrauch könnte sich ein Teilnehmer auch berufen, obwohl er Belange des Natur- und Landschaftsschutzes nicht zu seinen eigenen machen kann. |
Aus den Gründen
Die Klägerin wendet sich gegen den Flurbereinigungsbeschluß in der Hauptsache mit dem Argument, die angeordnete Rebflurbereinigung führe zu unangemessenen Eingriffen in Natur und Landschaft. Diese Argumentation ist nicht von vornherein unschlüssig. Zwar hält der Senat an seiner im Urteil vom 15.08.1984 - 7 S 297/84 - näher begründeten Rechtsansicht fest, daß sich Flurbereinigung und Landschaftsschutz in der Aufgabenstellung nicht widersprechen und es in aller Regel von der Art und Weise der Durchführung des Verfahrens abhängt, ob die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes hinreichend berücksichtigt werden. Die nach § 1 FlurbG im Flurbereinigungsverfahren immer auch zu fördernde allgemeine Landeskultur umfaßt nämlich alle ökonomischen, ökologischen und landschaftspflegerischen Aspekte, die den Bemühungen um die land- und forstwirtschaftlich genutzte und betreute Landschaft zugrunde liegen (vgl. Seehusen-Schwede, FlurbG 3. Aufl., § 1 Rdnr. 4). Es kann jedoch nicht in Abrede gestellt werden, daß es hier Zielkonflikte gibt. Im Ausnahmefall kann ein solcher Konflikt so grundsätzlicher und schwerwiegender Art sein, daß etwa eine ausgleichende Verbindung zwischen Agrarstrukturverbesserung und Landschaftspflege nicht möglich ist. In diesem Fall stellt sich für die Flurbereinigungsbehörde, in deren Ermessen die Anordnung des Verfahrens liegt, die Frage, ob überhaupt für ein bestimmtes Gebiet ein Flurbereinigungsbeschluß erlassen werden kann. Die Behörde handelt ermessenfehlerhaft, wenn sie unter Verkennung ihres Auftrags, mit der Flurbereinigung die allgemeine Landeskultur zu fördern, ökologische und landschaftspflegerische Aspekte bei der Einleitung eines in dieser Hinsicht problematischen Verfahrens völlig außer acht läßt und sich ausschließlich an den ökonomischen Interessen der Teilnehmer orientiert.
Im vorliegenden Fall hat sich für das Landesamt diese Frage gestellt, denn es war von vornherein absehbar, daß eine Rebflurbereinigung im Bereich nur dann ein betriebswirtschaftlicher Erfolg werden kann, wenn man vor stark verändernden Eingriffen in die Landschaft nicht absieht.
Solche Eingriffe in Natur und Landschaft sind nicht schadlos ausgleichbar. Dies ist für die Flurbereinigungsbehörde hier spätestens bei der Anhörung der beteiligten Behörden und Organisationen deutlich geworden.
Auf einen nach alledem hier in Betracht kommenden Ermessensfehlgebrauch könnte sich die Klägerin auch berufen, obwohl sie Belange des Natur- und Landschaftsschutzes nicht zu ihren eigenen machen kann. Wie bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit ihrer Klage festgestellt, greift bereits der Flurbereinigungsbeschluß in das geschützte Eigentum der Klägerin ein. Das Eigentum ist durch die Gesamtheit der hier von der Flurbereinigungsbehörde zu beachtenden Rechtsvorschriften nicht erst vor Eingriffen geschützt, die enteignend wirken würden, sondern schon vor solchen Einwirkungen, die ohne eine solche Eingriffsintensität zu erreichen die im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 und 2 GG gewährleistete Eigentumsnutzung unzulässig schmälern (vgl. BVerwG, Urt. v.14.12.1979, NJW 80, 2369). Zulässig kann in diesem Zusammenhang ein Eingriff aber nur sein, wenn er insgesamt gesetzmäßig ist, denn Inhalt und Schranke des Eigentums werden nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG allein durch die Gesetze bestimmt. Das heißt, der das Eigentum beschränkende und seinen Gebrauch inhaltlich bestimmende Eingriff muß im Rahmen von Ermessensentscheidungen auch ermessensfehlerfrei angeordnet worden sein. Außer Betracht bleiben gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 VwGO nur solche Ermessensfehler, die für eine Rechtsbeeinträchtigung der Klägerin nicht ursächlich gewesen sein können (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.05.1983 - 4 C 39.80 -).
Ist jedoch die Flurbereinigung wegen Nichtbeachtung von Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes ermessensfehlerhaft angeordnet worden, dann betrifft dies das gesamte Verfahren, das ausschließlich als Rebflurbereinigung angeordnet wurde, und somit auch die Klägerin.
Das Landesamt hat jedoch die gesetzlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens bei der Anordnung der Rebflurbereinigung nicht überschritten, sondern zweckmäßig von ihm Gebrauch gemacht (§ 114 VwGO). Es hat die oben angesprochenen Belange des Natur- und Landschaftsschutzes in seine Überlegungen bei Einleitung des Verfahrens einbezogen und gewichtet. Wenn es dabei zu dem Ergebnis gelangte, daß die Interessen der Teilnehmer an dieser Rebflurbereinigung und das Interesse an einer Sicherung der hergebrachten Bodennutzung im Bereich höher zu bewerten sind, als der Schutz der hier gewachsenen Landschaft vor stark verändernden Eingriffen in seine äußere Gestaltung, so ist dieses vertretbare Ergebnis von seiten des Gerichts nicht korrigierbar. Es ist von der in § 1 FlurbG formulierten Zweckbestimmung der Flurbereinigung gedeckt.