Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 25.01.1971 - 3 C 73/70
Aktenzeichen | 3 C 73/70 | Entscheidung | Urteil | Datum | 25.01.1971 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Koblenz | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Bedeutung des Interesses der Gemeinde für das Interesse der Beteiligten an der Flurbereinigung nach § 4 FlurbG. |
Aus den Gründen
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 6.11.1970 - 3 C 42/70 -) kann eine Gemeinde sowohl als Teilnehmerin im Sinne des § 10 Ziff. 1 FlurbG als auch als Nebenbeteiligte im Sinne von § 10 Ziff. 2 a FlurbG durch den Einleitungsbeschluß betroffen und klageberechtigt sein. Zwar kann sie nicht die Belange anderer Teilnehmer wahrnehmen, sondern ist auf den Vortrag beschränkt, ihr eigenes Interesse liege nicht vor (vgl. BVerwG, Entscheidung vom 27.2.1958, RdL 1959, S. 26). Da im vorliegenden Fall die Klägerin bei ihrem Vortrag in erster Linie auf die Interessen der Beteiligten generell abstellt und insbesondere deren finanzielle Belastung nicht für tragbar hält, könnten insoweit Zweifel an der Klageberechtigung aufkommen. Da jedoch das Interesse einer Gemeinde, welches sich aus ihren allgemeinen Verwaltungsaufgaben ergibt, in bezug auf die Ortslagen, die Waldungen und die zu errichtenden und von ihr später unter Umständen zu übernehmenden gemeinschaftlichen Anlagen sehr weit gefaßt verstanden werden muß (vgl. Urteil des Senats vom 6.11.1970 aaO), ist dieses Interesse auch ohne einen speziellen, streng auf die Belange der Gemeinde bezogenen Vortrag, als gegeben anzusehen.
Die Flurbereinigungsbehörde hat die Vorschriften der § 3 ff. FlurbG beachtet und gem. § 5 Abs. 1 FlurbG die voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer in einer Aufklärungsversammlung eingehend über das geplante Flurbereinigungsverfahren, einschließlich der voraussichtlich entstehenden Kosten, aufgeklärt. Die nach § 5 Abs. 2 FlurbG zu hörenden und nach § 5 Abs. 3 FlurbG zu beteiligenden Dienststellen, Körperschaften und Verbände sind gehört worden und haben, mit Ausnahme der Klägerin, positiv zur Durchführung des geplanten Verfahrens Stellung genommen. Die Klägerin irrt, wenn sie annimmt, daß zur Durchführung des Verfahrens ihre Zustimmung erforderlich sei. Wie aus dem Wortlaut und dem Sinn des § 5 Abs. 2 FlurbG eindeutig hervorgeht, soll u.a. auch die Gemeinde "gehört werden", damit diese von Anfang an eingeschaltet ist und Anregungen geben bzw. Gegenvorstellungen (beispielsweise bei der Gebietsabgrenzung) erheben kann. Damit hat die Gemeinde aber keineswegs ein Vetorecht, mit dem sie etwa die Einleitung eines Verfahrens verhindern könnte. Da gelegentlich die kommunalen Vorstellungen den rein landwirtschaftlichen Interessen zuwiderlaufen können, wären bei nicht rein landwirtschaftlich strukturierten Gemeinden in einem solchen Fall ernsthafte Konflikte nicht auszuschließen. Diese bleiben erspart, wenn insoweit nach gewissenhafter Anhörung und ernsthafter Überprüfung der Argumente der Gemeinde die Entscheidung letztlich von der Flurbereinigungsbehörde zu treffen ist.
Bezüglich der erforderlichen Anhörung hat die Klägerin keine Beanstandungen vorgebracht und im übrigen auch nicht bestritten, daß die gesetzlichen Voraussetzungen zur Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens vorliegen. Sie bestreitet lediglich das allgemeine Interesse der Beteiligten, da bei der derzeitigen Lage der Landwirtschaft die geforderten Eigenleistungen finanziell nicht tragbar seien. Diese Einwendung ist jedoch nicht dazu geeignet, ein mangelndes Interesse der Beteiligten an der Durchführung des Verfahrens darzulegen und damit die Voraussetzungen des § 4 FlurbG zu verneinen. Das aufgrund dieser Vorschrift zu ermittelnde Interesse der Beteiligten kann nämlich weder durch eine Abstimmung in der Gemeindevertretung, noch mittels einer allgemeinen Abstimmung, die nur die subjektive Meinung der einzelnen Verfahrensteilnehmer ergeben würde, ermittelt werden, sondern ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.3.1968, RdL 1968 S. 164 = NJW 1968 S. 1737). Es ist also entscheidend, ob zu erwarten ist, daß die anstehende Bereinigung die jeweils vorhandenen agrarstrukturellen Mängel beseitigt und so den Beteiligten die Vorteile bringen wird, auf die sie im Interesse einer rentablen Bewirtschaftung auf die Dauer nicht verzichten können (vgl. Hess.VGH, Urteil vom 9. April 1964, Zeitschrift für Innere Kolonisation 1965 S. 124). Das wohlverstandene Interesse der Beteiligten an der Durchführung eines Flurbereinigungsverfahrens ist also immer dann anzunehmen, wenn nach sachlicher Prüfung, unabhängig von der persönlichen Einstellung der betroffenen Grundstückseigentümer, ein genereller betriebswirtschaftlicher Erfolg, der einer größeren Anzahl von Betrieben zugute kommt, erwartet werden kann (vgl. Urteil des Senats vom 18.6.1970 - 3 C 4/70 -). Auf die Anzahl der Befürworter oder Gegner des Verfahrens kann es nach alledem nicht ankommen. Die Flurbereinigung kann vielmehr auch dann im wohlverstandenen Interesse der Beteiligten im Sinne von § 4 Abs. 1 FlurbG liegen, wenn die Mehrheit der Betroffenen der Einleitung des Verfahrens widerspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.3.1968 aaO; Hess. VGH, Urteil vom 1.4.1968, RdL 1968 S. 272).