Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 26.09.2011 - AN 10 K 10.00805 (Lieferung 2013)
Aktenzeichen | AN 10 K 10.00805 | Entscheidung | Urteil | Datum | 26.09.2011 |
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Gericht | Verwaltungsgericht Ansbach | Veröffentlichungen | Lieferung | 2013 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die öffentlichen Straßen und Wege, welche im Flurbereinigungsverfahren einbezogen wurden und als gemeinschaftliche Anlagen ausgewiesen wurden, werden auch Teil des gemeinschaftlichen Erschließungskonzeptes des Flurbereinigungsgebietes, auch wenn sie lediglich übernommen und (baulich) unverändert belassen werden. |
2. | Teilnehmer der Flurbereinigung können sich grundsätzlich darauf berufen, dass sie Teil der Gemeinschaft sind, in der Individualinteressen gleichsam gebündelt werden und in deren "gemeinschaftlichem" Individualinteresse etwa die Erschließung im Flurbereinigungsgebiet durch gemeinschaftliche Anlagen geschaffen wurde. |
3. | Mögen die Erschließungsvorteile durch die gemeinschaftlichen Anlagen auch für einzelne Teilnehmer der Flurbereinigung unterschiedlich ausfallen können, so sind alle Teilnehmer der Flurbereinigung grundsätzlich selbst betroffen, wenn in das "Erschließungssystem" eingegriffen wird. Dies gilt umso mehr bei Berücksichtigung der Tatsache, dass die Teilnehmer einer Flurbereinigung regelmäßig diese Erschließungsvorteile durch Landabzüge (siehe § 47 FlurbG) "erkauft" haben. |
Aus den Gründen
24 Die zulässige Klage ist begründet, da die angefochtene Einziehungs- und Umstufungsverfügung der Beklagten rechtswidrig ist, weil sie gegen den als Gemeindesatzung wirkenden Flurbereinigungsplan verstößt, welcher den streitgegenständlichen Weg als gemeinschaftliche Anlage festsetzt, und die Kläger dadurch in ihren eigenen Rechten als Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens verletzt.
1.
25 Die Klage richtet sich gemäß der in der mündlichen Verhandlung gestellten Fassung gegen die (Umstufungs- und) Einziehungsverfügung der Beklagten vom 2. März 2010. Deren sachlicher Inhalt wurde durch die öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt 4/2010 der Beklagten vom 22. April 2010 bekannt gegeben.
...
27 Bedenken hinsichtlich der Klagebefugnis der Kläger bestehen nicht, da sie allesamt unstreitig Teilnehmer der Flurbereinigung waren und auch keine Sondergestaltung vorgetragen oder ersichtlich ist, dass alle oder einzelne Kläger ausnahmsweise und sicher nicht in - flurbereinigungsrechtlichen - Rechtspositionen, insbesondere ihren Erschließungsinteressen berührt sein können.
2.
28 Die Einziehungsverfügung vom 2. März 2010 ist jedoch rechtswidrig, da sie gegen die in Bezug auf die im gemeinschaftlichen Interesse der Teilnehmer (im Flurbereinigungsverfahren) getroffenen Festsetzungen, hier die Ausweisung des streitgegenständlichen Weges als gemeinschaftliche Anlage im Sinne von § 39 Flurbereinigungsgesetz (FlurbG), welche gemäß § 58 Abs. 4 Satz 1 FlurbG die Wirkung einer Gemeindesatzung hat, verstößt.
2.1
29 Es ist unter den Beteiligten unstreitig, dass der streitgegenständliche Weg im Flurbereinigungsplan Teil II vom 25. September 1995 (siehe Bl. 168 ff. der Gerichtsakten) als gemeinschaftliche Anlage im Sinne von § 39 FlurbG ausgewiesen wurde.
30 Da gemeinschaftliche Anlagen nach der Definition des § 39 FlurbG der gemeinschaftlichen Benutzung oder gemeinschaftlichen Interessen dienen, unterfallen sie auch der Regelung des § 58 Abs. 4 Satz 1 FlurbG.
31 Mag auch das streitgegenständliche Weggrundstück im Eigentum und der Weg in der Baulast der Beklagten stehen, verstößt die hier angefochtene straßenrechtliche (teilweise) Einziehung und (teilweise) Umstufung des streitgegenständlichen Weges gegen die insoweit normativ geltenden Festsetzungen des Flurbereinigungsplanes, denn (insbesondere) durch die Einziehung würde die gemeinschaftliche Anlage "Weg" ihrer Funktion beraubt und das in der Flurbereinigung geschaffene Erschließungssystem tangiert.
2.2
32 Soweit die Beklagte eingewandt hat, der streitgegenständliche Weg sei nicht im Rahmen der Flurbereinigung "geschaffen" worden und unterliege deshalb nicht den Rechtsgrundsätzen, welche das Bundesverwaltungsgericht insbesondere in seiner Entscheidung vom 18. November 2002 (Az. 9 CN 1/02 <= RzF - 14 - zu § 58 Abs. 4 FlurbG>) aufgestellt habe, ist dies nach Ansicht des Gerichts nicht zutreffend bzw. kommt es hierauf streng genommen nicht an.
2.2.1
33 Zum einen werden durch die öffentlichen Straßen und Wege, welche im Flurbereinigungsverfahren einbezogen wurden und als gemeinschaftliche Anlagen ausgewiesen wurden, auch Teil des gemeinschaftlichen Erschließungskonzeptes des Flurbereinigungsgebietes, wenn sie lediglich übernommen und (baulich) unverändert belassen werden. Hierfür spricht einerseits § 39 Abs. 2 FlurbG, welcher festsetzt, dass (im Flurbereinigungsverfahren) "vorhandene Anlagen" (also auch Wege und Straßen) "geändert, verlegt oder eingezogen werden" können, was im Gesamtzusammenhang aber nach Ansicht des Gericht auch beinhaltet, dass sie - unverändert - übernommen und in das Gesamtsystem integriert werden können.
34 Andererseits erscheint es auch als unmittelbar einsichtig, dass eine im oben genannten Sinne "übernommene" Straße dem flurbereinigungsrechtlichen Regime auch dann weiter unterworfen bleiben muss, wenn sie zwar ihrerseits nicht geändert wird, aber etwa auf ihre Existenz weitere, neu geschaffene Erschließungssysteme aufbauen, denn dann könnte ihre Herausnahme eventuell die neu geschaffenen Wege funktionslos machen.
2.2.2
35 Zum anderen sind die Grundsätze der vorgenannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hier nur mittelbar anwendbar, denn diese Entscheidung bezog sich auf die Anforderungen an eine Satzung nach § 58 Abs. 4 Satz 2 FlurbG. Eine derartige Satzung fehlt im vorliegenden Falle jedoch unstreitig, so dass die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung hier schon aus dem Verstoß gegen die rechtssatzmäßige Verbindlichkeit der Festsetzungen des Flurbereinigungsplanes folgt.
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36 Die Kläger sind auch in ihren eigenen Rechten betroffen, denn als Teilnehmer der Flurbereinigung können sie sich grundsätzlich darauf berufen, dass sie Teil der Gemeinschaft sind, in der Individualinteressen gleichsam gebündelt werden und in deren "gemeinschaftlichem" Individualinteresse etwa die Erschließung im Flurbereinigungsgebiet durch gemeinschaftliche Anlagen geschaffen wurde.
37 Mögen die Erschließungsvorteile durch die gemeinschaftlichen Anlagen auch für einzelne Teilnehmer der Flurbereinigung unterschiedlich ausfallen können, so sind alle Teilnehmer der Flurbereinigung grundsätzlich selbst betroffen, wenn in das "Erschließungssystem" eingegriffen wird. Dies gilt umso mehr bei Berücksichtigung der Tatsache, dass die Teilnehmer einer Flurbereinigung regelmäßig diese Erschließungsvorteile durch Landabzüge (siehe § 47 FlurbG) "erkauft" haben.