Flurbereinigungsgericht Münster, Urteil vom 21.11.1968 - IX G 2/67 = RdL 1969 S. 272
Aktenzeichen | IX G 2/67 | Entscheidung | Urteil | Datum | 21.11.1968 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Münster | Veröffentlichungen | = RdL 1969 S. 272 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | "Rechnung tragen" im Sinne des § 37 Abs. 2 FlurbG heißt, je nach Lage des Einzelfalles die im § 37 Abs. 2 FlurbG erwähnten öffentlichen Belange dann mit berücksichtigen und entsprechende Planungen anderer Stellen ganz oder teilweise mit verwirklichen, wenn dabei gleichwohl eine gesetzesgerechte Abfindung (§ 44 ff. FlurbG) aller Beteiligten des Flurbereinigungsverfahrens (§ 10 FlurbG) möglich bleibt und wenn dadurch die Durchführung des Flurbereinigungsverfahrens nicht oder nur unwesentlich verzögert wird. |
2. | Zum "Zweck der Flurbereinigung" im Sinne des § 45 FlurbG gehören, auch in einem nach § 1 FlurbG eingeleiteten und durchzuführenden Flurbereinigungsverfahren, nicht nur die in den § 1 und § 37 Abs. 1 FlurbG festgelegten Aufgaben und Ziele, sondern auch die, die durch ein vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren nach § 86 und durch eine nach den § 87 ff. FlurbG als sogenannte Unternehmensflurbereinigung durchzuführende Bodenneuordnung verwirklicht werden. |
3. | Das Ziel eines nach den § 87 ff. FlurbG durchzuführenden Flurbereinigungsverfahrens, nämlich die Vermeidung der Enteignung einzelner durch das Unternehmen Betroffener, kann jedoch in einem regulär nach den § 1 ff. FlurbG eingeleiteten Flurbereinigungsverfahren nur im Rahmen der § 40 und § 47 FlurbG und nur dann verwirklicht werden, wenn für die in den § 37 Abs. 2 und § 40 FlurbG erwähnten, dem öffentlichen Interesse dienenden Anlagen nur Land in verhältnismäßig geringem Umfange im Flurbereinigungsverfahren benötigt wird und zur Vermeidung der Enteignung einzelner Betroffener nach § 47 FlurbG bereitgestellt werden muß. |
Aus den Gründen
Eine Gemeinde hat jedoch keinen unbedingten Anspruch darauf, daß ihre ein Flurbereinigungsgebiet betreffenden gemeindlichen Planungen durch den Flurbereinigungsplan mit verwirklicht werden.
Nach § 37 Abs. 2 FIurbG hat die Flurbereinigungsbehörde bei der Neugestaltung des Flurbereinigungsgebiets zwar die rechtlichen Verhältnisse zu ordnen, die öffentlichen Interessen, vor allem die Interessen der allgemeinen Landeskultur, zu wahren und den Erfordernissen der Landesgestaltung und Landesplanung, des Naturschutzes und der Landschaftspflege, der Wasserwirtschaft, einschließlich Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, der Fischerei, der Energieversorgung, des öffentlichen Verkehrs, der landwirtschaftlichen Siedlung, der Kleinsiedlung, des Kleingartenwesens und anderen Aufbaumaßnahmen sowie einer möglichen bergbaulichen Nutzung Rechnung zu tragen. Der von der Gemeinde H. aufgestellte, rechtskräftig gewordene Bebauungsplan stellt auch eine andere Aufbaumaßnahme im Sinne der vorgenannten Vorschrift (§ 37 Abs. 2 FlurbG) dar, dem die Flurbereinigungsbehörde Rechnung zu tragen hatte. "Rechnung tragen" im Sinne der genannten Vorschrift bedeutet jedoch nur, daß auf all diese im § 37 Abs. 2 FlurbG erwähnten, der Wahrung öffentlicher Interessen dienenden Planungen im Rahmen der im Flurbereinigungsgebiet durchzuführenden Neuordnung des Grund und Bodens, wenn irgend möglich, Rücksicht genommen werden soll und daß diese Planungen, wenn und soweit sie sich am sinnvollsten im Rahmen einer Flurbereinigung verwirklichen lassen, dann auch mit durchgeführt werden müssen, allerdings nur insoweit, als dadurch die Interessen aller Teilnehmer auch nach durchgeführter Flurbereinigung nicht beeinträchtigt bleiben, allen Teilnehmern also gleichwohl eine gesetzesgerechte Abfindung (§ 44 ff. FlurbG) gegeben werden kann und wenn dadurch das Flurbereinigungsverfahren in seiner Durchführung nicht oder nur unwesentlich aufgehalten wird. Wegen dieses letzteren Erfordernisses, d.h. des Gebots größtmöglichster Beschleunigung der Flurbereinigungsverfahren, wird auf die nachfolgend zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen verwiesen. (Vgl. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 12.7.1962 - BVerwG I C 89.61 -, Recht der Landwirtschaft (RdL) 1962, 328; Urteil des BVerwG vom 25.5.1961, RdL 1961, 274 und Beschluß des BVerwG vom 12.2.1963 - BVerwG I B 141.61 - in Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 15, 271 ff. und Urteil des BVerwG vom 7.5.1965 - BVerwG IV C 78.65 -, RdL 1965, 244 = Zeitschrift für Innere Kolonisation (InnKol) 1966, 122).
Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, haben die Flurbereinigungsbehörden nach ihrem pflichtgemäßen, durch das Flurbereinigungsgericht in den Fällen des § 146 Ziff. 2 FlurbG nachprüfbaren Ermessen zu entscheiden.
Diese Auslegung des Begriffs "Rechnung tragen" im Sinne des § 37 Abs. 2 FlurbG folgert das Gericht aus den nachfolgenden Umständen:
a) Der Zweck einer jeden Flurbereinigung ist es, in dem von ihr erfaßten Raume (Flurbereinigungsgebiet, § 7) eine Neuordnung des Grund und Bodens und aller Grundstücksverhältnisse zu schaffen, die von möglichst langer Dauer sein und die deshalb, wenn irgendmöglich, auf Jahrzehnte und mehr Bestand haben soll. Das trifft auch für bebaute und künftig der Bebauung zuzuführende Gebiete zu. (Vgl. dazu die Entscheidungen des BVerwG vom 28.12.1959 - BVerwG I B C 170.59 -, RdL 1960, 166 ff. insbesondere 167 und vom 28.12.1960 - BVerwG I B C 159.60 -, RdL 1961, 80 ff., insbesondere 81.).
Denn nach § 37 Abs. 1 ist das Flurbereinigungsgebiet unter Beachtung der jeweiligen Landschaftsstruktur neu zu gestalten, wie es den gegeneinander abzuwägenden Interessen der Beteiligten entspricht und wie es das Wohl der Allgemeinheit erfordert. Dabei sind die Ortslagen aufzulockern. In Satz 3 des § 37 Abs. 1 ist ferner festgelegt, daß die Zuziehung der Ortslage zur Flurbereinigung durch Baugebietspläne, Bebauungspläne und ähnliche Planungen nicht ausgeschlossen ist. Darüber hinaus bestimmen die § 40 und § 47 FlurbG, daß für Anlagen, die dem öffentlichen Verkehr oder einem anderen öffentlichen Interesse dienen, wie öffentliche Wege, Einrichtungen von Eisenbahnen, Straßenbahnen und sonstigen Unternehmungen des öffentlichen Verkehrs, Wasserversorgungs-, Energieversorgungs-, Abwasserverwertungs-, Abwasserbeseitigungs-, Windschutz-, Klimaschutz- und Feuerschutzanlagen, Land in verhältnismäßig geringem Umfange im Flurbereinigungsverfahren bereitgestellt werden kann. Durch den Flurbereinigungsplan wird in diesen Fällen bestimmt, wem das Land zu Eigentum zugeteilt wird. Soweit eine Anlage nicht zugleich den wirtschaftlichen Interessen der Teilnehmer dient, hat der Eigentümer der Anlage für das Land und entstehende Schäden einen angemessenen Kapitalbetrag an die Teilnehmergemeinschaft zu leisten. Den zu den gemeinschaftlichen Anlagen und zu öffentlichen Anlagen der soeben erwähnten Art (§ 40 FlurbG) erforderlichen Grund und Boden haben alle Teilnehmer nach dem Verhältnis des Werts ihrer alten Grundstücke zu dem Wert aller Grundstücke des Flurbereinigungsgebiets aufzubringen, soweit er nicht durch vor der Flurbereinigung vorhandene Anlagen gleicher Art oder durch einen bei Neumessung des Flurbereinigungsgebiets sich ergebenden Überschuß an Fläche gedeckt oder von einzelnen Teilnehmern hergegeben wird; in gleicher Weise ist ein bei Neumessung sich ergebender Mangel an Fläche aufzubringen. Darüber hinaus kann der von den Teilnehmern aufzubringende Anteil für unvorhergesehene Zwecke, für Mißformen und zum Ausgleich mäßig erhöht werden.
Aus diesen Vorschriften folgt, daß in jedem Flurbereinigungsverfahren allen in § 37 Abs. 2 und § 40 FlurbG erwähnten öffentlichen Interessen nach Möglichkeit unter den vorher bereits erwähnten Einschränkungen (gesetzesgerechte Abfindung aller Teilnehmer, keine oder keine wesentliche Verzögerung) Rechnung getragen werden soll. Es wäre sinnwidrig und für die dem Verwaltungshandeln von Staat und Gemeinden unterliegenden Grundeigentümer unverständlich, wenn sie sich, wie beispielsweise die Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens, nach dem Abschluß dieses ersten Verfahrens mit ihrem Grundbesitz sofort wieder einem weiteren Bodenneuordnungsverfahren, etwa nach dem Bundesbaugesetz (Umlegung, Grenzänderung, oder Enteignung), unterwerfen müßten, obwohl dies durch die Maßnahmen der Flurbereinigungsbehörde bei der Aufstellung des Flurbereinigungsplans ohne jegliche Beeinträchtigung der Interessen und Rechte der Teilnehmer und ohne Verzögerung im Ablauf des Flurbereinigungsverfahrens hätte vermieden werden können. Jede Bodenneuordnung in einem Gebiet soll und muß deshalb im Interesse der davon betroffenen Grundstückseigentümer möglichst geschlossen allen im Bodenneuordnungsgebiet vorkommenden Plänen Rechnung tragen und sie nach Möglichkeit auch mit verwirklichen. Insoweit wird deshalb im Zweifel von einer Konzentrationswirkung eines jeden Bodenneuordnungsplans, jedenfalls des Flurbereinigungsplans, gesprochen werden müssen.
b) Es kommt noch folgendes hinzu: Auch der § 86 FlurbG bestimmt, daß ein sogenanntes vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren in Teilen einer oder mehrerer Gemeinden durchgeführt und zu diesem Zwecke sogar besonders eingeleitet werden kann, um neben anderen Aufgaben u.a. auch die durch die Anlegung, Änderung und Beseitigung öffentlicher Anlagen, beispielsweise von Straßen und Wegen, entstehenden oder bereits entstandenen Nachteile zu beseitigen oder um die Durchführung anderer Ausbaumaßnahmen, wozu auch die Verwirklichung von Bebauungsplänen gehört, zu erleichtern. Auch aus dieser Vorschrift folgt, daß - wenn im Einzelfall bei gesetzesgerechter Abfindung aller Teilnehmer ein Flurbereinigungsverfahren durch die Miterledigung und Mitverwirklichung öffentlicher Aufgaben keine oder keine nennenswerte Verzögerung erfährt - die Flurbereinigungsbehörden diesen öffentlichen Interessen im weitestgehenden Umfange Rechnung tragen sollen. (Vgl. dazu: Die Entscheidungen des BVerwG vom 28.12.1959 - BVerwG I C B 170.59 - RdL 1960, 166 ff., insbesondere S. 167 und vom 28.12.1960 - BVerwG I B 159.60 -, RdL 1961, 80 ff., insbesondere S. 81).
Das erscheint auch um deswillen geboten, weil auf diese Weise einzelne Grundstückseigentümer, deren Grundstücke sonst durch eine Enteignung oder durch ein weiteres Bodenneuordnungsverfahren bedroht bzw. beeinträchtigt werden würden, nur durch die Flurbereinigung vor einem solchen Eingriff bzw. einer solchen Maßnahme bewahrt werden können. Ein weiterer Zweck der Flurbereinigung ist es aber, derartige sonst einzelne Teilnehmer treffende Verluste an Land auf einen möglichst großen Kreis von an der Flurbereinigung teilnehmenden Eigentümern zu verteilen (§ 37, § 40, § 47, § 86 und § 87 FlurbG).
Wegen des Verhältnisses zwischen Flurbereinigung, Straßenplanung, Bauleitplanung und dergleichen mehr wird in diesem Zusammenhang auf die nachfolgenden Abhandlungen verwiesen:
1."Flurbereinigung, Dorfauflockerung, Bauleitplanung" von Dipl-Ing. Geissler, Kommunalpolitische Blätter, 1955 S. 516 ff.;
2. "Fragen zur Verwirklichung eines Bauleitplans im Flurbereinigungsplan" von Regierungsrat Dr. Günter Kaiser, RdL 1966, 173 ff.;
3. "Flurbereinigung und Bauleitplanung" von Felix Zillien, Zeitschrift für Innere Kolonisation 1967 S. 240 ff..
Auf den in diesem Rechtsstreit zu entscheidenden Fall bezogen, bedeutet dies im einzelnen folgendes:
Die Flurbereinigungsbehörde und die Beklagte waren, entgegen ihrer Rechtsauffassung, an und für sich grundsätzlich berechtigt, bei der Neuordnung der Rechtsverhältnisse am Grund und Boden im Gebiet des schon seit Jahren rechtskräftigen Durchführungsplans Nr. 5 (Bebauungsplan) der Gemeinde H. mit dafür zu sorgen, daß dieser Bebauungsplan, der u.a. auch eine Erbreiterung der einen öffentlichen Gemeindeweg darstellenden Verbindungsstraße vorsieht, mit verwirklicht wurde (§ 37, § 39, § 40, § 47 FlurbG).
Auch die Vorschriften des § 45 FlurbG standen dem grundsätzlich nicht entgegen und zwar auch dann nicht, wenn - wie hier - im Zuge und Verlauf der im Durchführungsplan Nr. 5 festgesetzte Straßenfluchtlinie von dem Haus- und Hofgrundstück (Hof- und Gebäudefläche) der Klägerin, unter Wahrung einer gesetzesgerechten Abfindung für alle Beteiligten des Flurbereinigungsverfahrens, ein Teil zur Erbreiterung des öffentlichen Gemeindeweges (Verbindungsstraße) abgetrennt wurde. Falls dabei auch Gebäude mit durchschnitten wurden, hätte dem dadurch Rechnung getragen werden können, daß durch eine Festsetzung im Flurbereinigungsplan mit der Wirkung von Gemeindesatzungen (§ 58 Abs. 4 FlurbG) dem betroffenen Gebäudeeigentümer, hier: der Klägerin, die Nutzung - notfalls gegen Festsetzung einer Überbaurente zu Lasten der Gebäudeinhaberin - bis zur Abgängigkeit oder vollständigen Vernichtung des Gebäudes gewährleistet wurde.
Allerdings sind Veränderungen und Verlegungen der im § 45 Abs. 1 FlurbG erwähnten Grundstücke nur unter erschwerten Bedingungen im Flurbereinigungsverfahren dann zulässig, wenn bei einer Veränderung der Zweck der Flurbereinigung es erfordert und wenn bei einer Verlegung der Zweck der Flurbereinigung in anderer Weise nicht erreicht werden kann.
Zu den Zwecken der Flurbereinigung gehören nicht nur die in den § 1 und § 37 Abs. 1 FlurbG erwähnten Ziele, sondern auch diejenigen Aufgaben, die einer Flurbereinigung nach dem § 86 FlurbG, also in einem vereinfachten Flurbereinigungsverfahren, und nach den § 87 ff. FlurbG, also in einer sogenannten Unternehmungsflurbereinigung, gestellt sind. Es gehört mithin u.a. auch zum Zweck der Flurbereinigung, den öffentlichen Interessen auch nur bei Gelegenheit der Flurbereinigung mit nachzugehen, sie - wenn irgendmöglich - mit zu verwirklichen, die dadurch etwa entstehenden oder bereits früher entstandenen Nachteile, z.B. etwaige Zerschneidungsschäden bei der Ausweisung von Straßenführungen und anderen öffentlichen Anlagen, mit zu beseitigen, die Durchführung von Aufbaumaßnahmen, also auch von Bebauungsplänen, zu erleichtern und von solchen Teilnehmern, die sonst erforderlich werdende Enteignung abzuwenden, deren Grundbesitz durch öffentliche Maßnahmen kleineren oder größeren Umfangs der in den § 37, § 39, § 40, § 86 und § 87 FlurbG erwähnten Art unmittelbar betroffen wurde. Das kann im Flurbereinigungsverfahren dadurch geschehen, daß der den Betroffenen entstehende Landverlust auf einen möglichst großen Kreis von Eigentümern verteilt wird. Bei nur verhältnismäßig geringem Flächenbedarf wird dieses Ziel in einem regulären Flurbereinigungsverfahren (§ 1 ff. FlurbG) und in einem vereinfachten Flurbereinigungsverfahren (§ 86 FlurbG) dadurch erreicht, daß der nach § 47 FlurbG allen Teilnehmern nach dem Verhältnis des Werts ihrer alten Grundstücke zu dem Wert aller Grundstücke des Flurbereinigungsgebiets aufzuerlegende Landabzug für die im § 40 FlurbG erwähnten öffentlichen Anlagen in verhältnismäßig geringem Umfange erhöht wird. Werden hingegen aus besonderem Anlaß für ein öffentlichen Zwecken dienendes Unternehmen ländliche Grundstücke in großem Umfange im Wege einer Enteignung in Anspruch genommen, so kann diese Enteignung von den davon unmittelbar betroffenen Beteiligten, also insbesondere von den Grundstückseigentümern, nur dann durch eine Flurbereinigung abgewandt werden, wenn unter den in den § 87 ff. FlurbG festgelegten Voraussetzungen eine sogenannte Unternehmensflurbereinigung eingeleitet worden ist. Auch hier erfolgt das Abwenden der drohenden Enteignung von den unmittelbar betroffenen Teilnehmern dadurch, daß die für das Unternehmen benötigten Flächen nach dem Verhältnis des Werts ihrer alten Grundstücke zu dem Wert aller Grundstücke des Flurbereinigungsgebiets aufzubringen sind (§ 88 Ziff. 4 FlurbG).
Allen Flurbereinigungsverfahren, gleich welcher Art, ob ein Verfahren nach den §§ 1 ff., nach § 86 oder nach den §§ 87 ff., ist mithin u.a. auch die Aufgabe gestellt, unmittelbar von öffentlichen Unternehmen durch Enteignung bedrohte Grundeigentümer vor dieser Enteignung zu bewahren. Ist das aber auch ein Zweck der Flurbereinigung, wie dies der erkennende Senat annimmt, so hätte die zuständige Flurbereinigungsbehörde bzw. die Beklagte auch den Durchführungsplan Nr. 5 der Gemeinde H. mit verwirklichen dürfen und nach Möglichkeit auch mit verwirklichen müssen.
Vgl. dazu: 1. Die andere Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in der Entscheidung vom 25.10.1962 - BVerwG I C 212.58 -, RdL 1963, 106 ff. = BVerwGE 15, 72 ff., der nach Meinung des Senats nicht gefolgt werden kann;
2. die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.12.1959 und 28.12.1960, a.a.O., die beide offenbar ebenfalls von einer weitergehenden Auslegung des Begriffs "Zweck der Flurbereinigung" ausgehen.
Gleichwohl konnte dem Begehren der Klägerin, den gemeindlichen Durchführungsplan Nr. 5 im Flurbereinigungsverfahren B. mit zu verwirklichen, um ihrem dadurch zu verändernden Grundstück (Abgabe einer Fläche an die Verbindungsstraße) durch die Zuteilung des kleinen Gartengrundstücks der Beigeladenen G., Gemarkung H. Flur 26 Nr. 20, zugleich eine besser bebauungsfähige Form zu geben, nicht entsprochen werden, und zwar aus folgenden Gründen:
a) Die Flurbereinigungsbehörde und die Beklagte befanden sich wegen des Begriffs "Zweck der Flurbereinigung" in der nach Meinung des Senats irrigen Rechtsauffassung, daß sie Hof- und Gebäudeflächen nur dann "verändern" oder "einem anderen geben" könnten, wenn dadurch die land- und forstwirtschaftliche Erzeugung und die allgemeine Landeskultur durch Zusammenlegung und wirtschaftliche Gestaltung zersplitterten oder unwirtschaftlich geformten ländlichen Grundbesitzes nach neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten gefördert und durch andere landeskulturelle Maßnahmen verbessert wird (§ 1 FlurbG) oder wenn durch die Bodenneuordnung im Flurbereinigungsverfahren die Grundlagen der Wirtschaftsbetriebe verbessert, der Arbeitsaufwand vermindert und die Bewirtschaftung erleichtert wird (§ 37 Abs. 1 FlurbG). Im Hinblick auf die zu dieser Frage bisher erlassene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.10.1962 kann der Beklagten und der Flurbereinigungsbehörde daraus kein Vorwurf gemacht werden. Sie haben deshalb, dieser Auffassung folgend, die gesamte Grundkonzeption des Flurbereinigungsplanes, von dieser Rechtsauffassung ausgehend, gestaltet, den nach den § 40 und § 47 FlurbG zu ermittelnden Beitrag für die gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen errechnet und festgesetzt und vor allem auch die Einzelabfindungsansprüche aller Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens nach dem darauf abgestellten prozentualen Flächenbeitrag errechnet und im Flurbereinigungsplan (Abfindungsnachweis) die dementsprechenden neuen Grundstücke ausgewiesen. Der Flurbereinigungsbehörde kann es deshalb nicht mehr zugemutet werden, bei dem derzeitigen Stande des Flurbereinigungsverfahrens die wahrscheinlich sonst ohne wesentliche Verzögerung des Flurbereinigungsverfahrens möglich gewesene Erbreiterung der Verbindungsstraße heute noch vorzunehmen: denn das würde bedeuten, daß wesentliche Teile des Flurbereinigungsplans umgestaltet und damit erneut in die Besitzstände vieler Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens eingegriffen werden müßte, für die der Flurbereinigungsplan durch die nach § 63 FlurbG erlassene Ausführungsanordnung bereits rechtskräftig geworden ist und die sich bereits seit dem 16.7.1963 durch die damals erlassene vorläufige Besitzeinweisung (§ 65 und insbesondere § 66 FlurbG) wie ein Eigentümer im Besitz und in der Nutzung der ihnen neu zugeteilten Abfindungsgrundstücke befinden.
Bei einem Abwägen der Interessen dieser Beteiligten an der Erhaltung der ihnen nun schon seit über 5 Jahren zugeteilten neuen Grundstücke einerseits und dem Interesse einzelner Teilnehmer an der sofortigen Verwirklichung des gemeindlichen Durchführungsplans Nr. 5 andererseits mußte deshalb bei dem derzeitigen Stande des Verfahrens dem zuerst erwähnten Interesse der Vorzug gegeben werden.
b) Wie die Ortsbesichtigung durch den Senat am 21.11.1968 und die mündliche Verhandlung vom gleichen Tage ergeben hat, sind von sämtlichen an die Verbindungsstraße anstoßenden Haus- und Hofgrundstücken die von diesen Grundstücken zur Erbreiterung der Verbindungsstraße einmal herzugebenden Grundstücksteile ebenfalls noch nicht dem Straßengelände der Verbindungsstraße zugeschlagen und mithin auch noch nicht in das Eigentum der Gemeinde H. überführt worden. Die Gemeinde H., deren Vertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung auf ausdrückliches Befragen auch keine diesbezüglichen Anträge gestellt hat, wird nach alledem ohnehin nicht umhin können, sich zu gegebener Zeit der im Bundesbaugesetz vorgesehenen Hilfsmittel zur Durchführung ihres Bebauungsplans (Grenzausgleich, Umlegung, Enteignung usw. ) bedienen oder auf andere Weise die Verwirklichung ihres Durchführungsplanes anzustreben.
Bei dieser Sachlage kann nach Auffassung des Flurbereinigungsgerichts auch nicht davon gesprochen werden, daß ein Erfordernis im Sinne des § 45 FlurbG vorläge, die Erbreiterung der Verbindungsstraße bereits jetzt im Flurbereinigungsverfahren mit durchzuführen. Darüber hinaus könnte von allen anderen Teilnehmern des Flurbereinigungsverfahrens, hier insbesondere von der Beigeladenen G., zu Recht eingewandt werden, daß die Berücksichtigung der Straßenerbreiterung und die Beseitigung der dadurch am Grundbesitz der Klägerin später einmal entstehenden Nachteile (Verkleinerung ihres Hausgrundstücks durch Abgabe an die Verbindungsstraße) eine durch nichts gerechtfertigte Bevorzugung gegenüber allen denjenigen Teilnehmern darstelle, bei denen ohne die Zustimmung aller davon Betroffenen die Verwirklichung des Bebauungsplans unterlassen worden ist.
c) Für die Klägerin stellt das Unterlassen der Neuordnung auch keine unbillige Härte dar. Sie hat durch die Flurbereinigung kostenlos eine sichere Vermessung und Festlegung ihrer Grenzen erhalten. Dabei ist der in die Verbindungsstraße hineinragende Teil ihres Wohnhauses in einer Größe von etwa 2 bis 3 qm mit in ihr Eigentum gebracht worden. Da sie vorerst noch keinen Neubau ihres in seiner jetzigen Form und Größe nicht wieder bebaubaren Grundstücks ins Auge gefaßt hat, muß auch ihr das Abwarten der Durchführung der gemeindlichen Planung zu einem späteren Zeitpunkt zugemutet werden.