Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 10.10.1985 - 13 A 84 A. 1769

Aktenzeichen 13 A 84 A. 1769 Entscheidung Urteil Datum 10.10.1985
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Jeder Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens hat das Recht auf pflichtgemäße Abwägung seiner Interessen bei der Festlegung der Landabfindung.
2. Ein rechtzeitiger Gestaltungswunsch auf rückwärtige Erschließung des Anwesens ist in die Abwägung zur Gestaltung des Flurbereinigungsplanes einzubeziehen.

Aus den Gründen

Der Spruchausschuß bei der Flurbereinigungsdirektion B. hat mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.1984 den Flurbereinigungsplan dahin geändert, daß "zur Schaffung der bodenordnerischen Voraussetzungen für eine rückwärtige Erschließung des Hofgrundstückes Flurstück 126/8 der Beigeladenen S. vom südöstlichen Ende des Weges Flurstück 137 bis zur Süd-West-Ecke des Flurstücks 126/8 eine etwa 3 - 4 m breite Fläche (neue Flurstücksnummer 127)" den Beigeladenen S. zugeteilt wurde. Die von den Abfindungsflurstücken 126 und 136 des Klägers hierzu insgesamt abgetrennten 280 Wertverhältniszahlen - WVZ - wurden diesem durch entsprechende Vergrößerung seines Abfindungsflurstücks 950 wieder zugeteilt. Zur Begründung dieser Planänderung hat der Spruchausschuß ausgeführt, die Flurbereinigungsbehörde habe in die bei der Aufstellung des Flurbereinigungsplanes vorzunehmende Interessenabwägung auch die rechtzeitig vorgebrachten Gestaltungswünsche der Teilnehmer einzubeziehen. Dies gelte auch für die bereits am 15.07.1975 an den Vorstand der Teilnehmergemeinschaft herangetragene Bitte der Beigeladenen S. um rückwärtige Erschließung des Hofgrundstücks 126/8. Die von der beigeladenen Teilnehmergemeinschaft ohne überzeugende Gründe gegen die Beigeladenen S. vorgenommene Abwägung könne sich der Spruchausschuß nicht zu eigen machen.

Wie im Widerspruchsbescheid vom 29.06.1984 zutreffend ausgeführt ist, hat jeder Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens das Recht auf pflichtgemäße Abwägung seiner Interessen bei der Festlegung seiner Landabfindung. In diese von der Flurbereinigungsbehörde sachgerecht vorzunehmende Interessenabwägung sind auch die rechtzeitig vorgebrachten Gestaltungswünsche einzubeziehen, soweit sie am Zwecke der Flurbereinigung, die Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft zu verbessern (§ 1, § 37 FlurbG), orientiert sind. Damit hatte die beigeladene Teilnehmergemeinschaft die Pflicht, die Bitte der Beigeladenen S. um eine rückwärtige Erschließung ihres Hofgrundstücks bei der Neugestaltung des Flurbereinigungsgebietes sachgerecht zu berücksichtigen.

Die beigeladene Teilnehmergemeinschaft hat die Ausweisung der beantragten rückwärtigen Erschließung abgelehnt, weil die Beigeladenen S. "die Probleme mit der Futterlagerung durch geringe Umbaumaßnahmen lösen könnten" und "zudem die vorhandene Hofstelle für den landwirtschaftlichen Betrieb ausreichend groß genug zu sein scheine". Diese Überlegungen stellen eine fehlerhafte Abwägung der Interessen der Beigeladenen S. dar. Es geht diesen ersichtlich nicht um eine Vergrößerung oder bauliche Veränderung ihrer Hofstelle, sondern um eine rückwärtige Erschließung. Wie der sachverständig besetzte Senat beim Augenschein vom 08.10.1985 festgestellt hat, ist die Hofstelle so beengt, daß das Rangieren mit den in der Landwirtschaft üblichen Maschinen und Anhängern auf den hierfür zur Verfügung stehenden Flächen kaum möglich ist, zumindest jedoch unangemessen viel Zeit- und Arbeitsaufwand erfordert. Selbst wenn die Beigeladenen S. ihren landwirtschaftlichen Betrieb teilweise umorganisieren, insbesondere die Futterlagerung anders gestalten würden, stünden für Wendevorgänge keine genügend großen Flächen auf der Hofstelle zur Verfügung. Die Schaffung einer zusätzlichen Zu- und Abfahrtsmöglichkeit für die bislang nur von der Ortsstraße her erschlossene Hofstelle stellt daher - wie vom Spruchausschuß zutreffend festgestellt wurde - eine erhebliche Erleichterung und Verbesserung für die betriebswirtschaftlichen Abläufe der Beigeladenen S. und somit eine Maßnahme dar, durch die die Grundlage eines Wirtschaftsbetriebes verbessert und die Bewirtschaftung erleichtert wird (§ 37 Abs. 1 Satz 2 FlurbG).

Der Schaffung der rückwärtigen Zu- und Abfahrtsmöglichkeit stehen auch weder öffentliche Interessen noch schützenswerte Belange anderer Teilnehmer entgegen. Bei den vom Kläger gegen die im Widerspruchsbescheid getroffene Lösung angeführten Gründen wird übersehen, daß durch die geschehene Zuteilung der Wegfläche weder der Teilnehmergemeinschaft die nicht unerheblichen Kosten der tatsächlichen Herstellung des Weges mit der erforderlichen Rampe erwachsen noch für die Grundstücke des Klägers unmittelbar Nachteile zu befürchten sind. Nachteilige Auswirkungen wie eine Verhinderung oder Verzögerung des Hochwasserabflusses oder eine Beeinträchtigung der Dränanlage in den Grundstücken des Klägers können erst auftreten, wenn die Beigeladenen S. den Weg und die Rampe unsachgemäß und ohne die erforderliche Einschaltung der zuständigen Behörden herstellen. Da die rückwärtige Erschließung ihrer Hofstelle den Beigeladenen S. ohne Beeinträchtigung der Belange der Kläger auch tatsächlich möglich ist, war somit die Nichtausweisung der beantragten rückwärtigen Zufahrt in dem von der beigeladenen Teilnehmergemeinschaft erstellten Flurbereinigungsplan fehlerhaft und der deswegen erhobene Widerspruch der Beigeladenen S. begründet.