Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.04.1983 - 5 C 60.80
Aktenzeichen | 5 C 60.80 | Entscheidung | Urteil | Datum | 14.04.1983 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Nach dem Wirksamwerden der vorzeitigen Ausführungsanordnung steht der Flurbereinigungsbehörde eine über den Rahmen der Abhilfebemühungen nach § 60 Abs. 1 Satz 1 FlurbG hinausgehende, auf § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG gestützte originäre Befugnis nicht mehr zu. Zu nachbarrechtlichen Grenzänderungen an Hofflächen, die zur Herstellung der Gleichwertigkeit der Landabfindung nicht erforderlich sind, ist die Flurbereinigungsbehörde nicht mehr befugt. |
2. | Ein Teilnehmer hat im Rahmen einer Abhilfeentscheidung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 FlurbG, über seinen Anspruch auf wertgleiche Abfindung hinaus, keinen Anspruch auf Verbesserung seiner situationsgebundenen, räumlich beengten Verhältnisse. |
3. | Für die Flurbereinigungsbehörde besteht keine allgemeine ordnungsbehördliche Verpflichtung zur Behebung von Mißständen aufgrund beengter Wohn- und Grundstücksverhältnisse. |
Aus den Gründen
Das Flurbereinigungsgericht hat dabei zu Recht darauf hingewiesen, daß auch im Rahmen der Abhilfebemühungen nach § 60 Abs. 1 Satz 1 FlurbG auf förmliche Rechtsmittel hin kein Teilnehmer einen Anspruch auf eine bestimmte Gestaltung seiner Abfindungsflurstücke erheben kann und auch keine besonderen Vorteile aus der Flurbereinigung verlangen, sondern nur die Zuweisung einer seiner Einlage gleichwertigen Gesamtabfindung beanspruchen darf und gerichtlich geltend machen kann. Es ist deshalb folgerichtig, daß das Flurbereinigungsgericht einen Anspruch der Beigeladenen auf eine Verbesserung ihrer beengten räumlichen Verhältnisse ablehnte, weil diese nicht auf Maßnahmen der Plangestaltung beruhten oder zurückzuführen waren, sondern situationsgebunden bereits ihrem Einlagegrundstück anhafteten. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Flurbereinigungsbehörde aus Anlaß eines anhängigen Verfahrens nicht jedwede Maßnahme treffen, die sie im Rahmen ihres weitgespannten Tätigkeitsbereichs für notwendig und zweckdienlich erachtet. Sie muß sich vielmehr jeweils auf eine konkrete Vorschrift des Flurbereinigungsgesetzes stützen können, die die einzelne Maßnahme zuläßt (BVerwGE 47, 133 (136) und die dort angeführten Entscheidungen). Dementsprechend ist im angefochtenen Urteil zutreffend eine Verpflichtung der Beklagten verneint worden, im Rahmen ihrer Abhilfebefugnis nach § 60 Abs. 1 Satz 1 FlurbG eine Planänderung im streitbefangenen Umfang zugunsten der Beigeladenen vorzunehmen, nachdem unter Berücksichtigung der überprüften Gestaltung im bekanntgemachten Flurbereinigungsplan von einer Gleichwertigkeit der Gesamtabfindung der Beigeladenen auszugehen war.
Zu Recht hat das Flurbereinigungsgericht auch eine Befugnis der Beklagten zur Änderung des Flurbereinigungsplanes im streitbefangenen Umfang aus Gründen der Dorferneuerung nach Maßgabe des § 37 Abs. 1 Satz 3 FlurbG verneint. Eine Befugnis, nach Bekanntmachung des Flurbereinigungsplans noch Maßnahmen zur Auflockerung der Ortslage oder Verbesserung der Wohnverhältnisse zu ergreifen, hätte die Beklagte allenfalls aus § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG herleiten können, wenn ein Dorferneuerungsplan erstellt und in den Flurbereinigungsplan mit einbezogen worden wäre und dementsprechende Änderungen des Flurbereinigungsplanes erforderlich gewesen wären. Nach dem Wirksamwerden der vorzeitigen Ausführungsanordnung stand der Beklagten jedoch eine über den Rahmen der Abhilfebemühungen nach § 60 Abs. 1 Satz 1 FlurbG hinausgehende, auf § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG gestützte originäre Befugnis, auch andere Änderungen des Flurbereinigungsplanes vorzunehmen, die sie noch für erforderlich hielt, nicht mehr zu. Denn nach Wirksamwerden der (vorzeitigen) Ausführungsanordnung dürfen Planänderungen und Ergänzungen nur unter den Voraussetzungen des § 64 FlurbG durchgeführt werden (BVerwGE 49, 176 (181)). Für eine nach § 64 FlurbG zulässige nachträgliche Änderung des Flurbereinigungsplanes wäre die Beklagte aber nach der vom Flurbereinigungsgericht vorgenommenen Auslegung der einschlägigen landesrechtlichen Zuständigkeitsregelungen nicht befugt gewesen.
Es bedarf deshalb keines Eingehens darauf, ob die angefochtene Planänderung nach § 64 FlurbG hätte vorgenommen werden können, wenn die Beklagte hierfür zuständig gewesen wäre. Denn die Beklagte hat die angefochtene Planänderung vom 17. März 1977 selbst nicht auf § 64 FlurbG gestützt, sondern im Rahmen der Abhilfebemühungen es für vertretbar und zweckmäßig angesehen, den Beigeladenen den abgetrennten Streifen zuzuweisen, nachdem der Kläger eine Hoferweiterung von 0,086 ha erhalten habe, die bereits baulich in Anspruch genommen werde (vgl. Stellungnahme des Vorstandsvorsitzenden vom 31. Mai 1977 zum Widerspruch des Klägers, Bl. 22 der Widerspruchsakte). Hinzu kommt, daß auch der Widerspruchsausschuß - der nur auf Rechtsmittel hin tätig wird - bei der Widerspruchsentscheidung ersichtlich keine Änderungsermächtigung nach § 64 FlurbG für sich in Anspruch nehmen wollte, sondern im Widerspruchsbescheid vom 17. November 1977 in den Gründen unter B. auf Seite 4 darauf abgestellt hat, daß der Vorstand der Beklagten gemäß § 60 Abs. 1 FlurbG berechtigt gewesen sei, "den Flurbereinigungsplan auch hinsichtlich des nicht von den Wf. angegriffenen Teils ihrer Abfindung zu ändern, da er dem begründeten Widerspruch der Eheleute H. abhelfen mußte". Aus der Bestätigung der angegriffenen Planänderung der Beklagten in der Widerspruchsentscheidung kann deshalb nicht die Inanspruchnahme einer originären Entscheidungsbefugnis seitens des Spruchausschusses entnommen werden.
Das übrige Revisionsvorbringen ist danach unerheblich. Infolgedessen ist nach der vom Flurbereinigungsgericht aufgrund der nicht angegriffenen Sachverhaltsfeststellung von der Gleichwertigkeit der Abfindung der Beigeladenen auszugehen. Da darüber hinaus aber aus den in § 44 ff. FlurbG niedergelegten Grundsätzen für die Gewährleistung einer plangerechten gleichwertigen Gesamtabfindung kein Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens Ansprüche auf Einräumung von Strukturverbesserungsvorteilen oder Verbesserung seiner Wohn- und Lebensverhältnisse zur Vermeidung oder Behebung von Nachbarschwierigkeiten herleiten kann, kann korrespondierend damit auch eine quasiordnungsbehördliche Verpflichtung der Flurbereinigungsbehörde (Teilnehmergemeinschaft) zur Behebung von Mißständen aufgrund beengter Wohn- und Grundstücksverhältnisse nicht bestehen, sofern diese nicht auf Maßnahme der Flurneugestaltung beruhen oder zurückzuführen sind, sondern in den situationsgebundenen Verhältnissen der Einlageflurstücke ihre Wurzel haben. Das Flurbereinigungsgericht hat danach der Klage auf Aufhebung der flurbereinigungsrechtlich nicht erforderlichen, den Kläger benachteiligenden Planänderung vom 17. März 1977 zu Recht stattgegeben.