Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.02.1967 - BVerwG IV C 43.65 = BVerwGE 26, 173= Buchholz BVerwG 424.01 § 37 FlurbG Nr. 2= RdL 1967 S. 186= IK 1968 S. 24

Aktenzeichen BVerwG IV C 43.65 Entscheidung Urteil Datum 10.02.1967
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen BVerwGE 26, 173 = Buchholz BVerwG 424.01 § 37 FlurbG Nr. 2 = RdL 1967 S. 186 = IK 1968 S. 24  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. § 37 Abs. 1 FlurbG bestimmt richtlinienmäßig die Neugestaltungsaufgaben in der Flurbereinigung.
2. § 37 Abs. 2 Satz 1 FlurbG ist keine selbständige Grundlage für die anderweitige Gestaltung der rechtlichen Verhältnisse, so daß diese Vorschrift z.B. die Bestellung einer Grunddienstbarkeit allein nicht rechtfertigt.
3. Zur Ordnung der rechtlichen Verhältnisse im Sinne von § 37 Abs. 2 FlurbG kann in Verbindung mit § 37 Abs. 1 FlurbG auch die Begründung eines öffentlich-rechtlichen Wasserbezugsrechts und dessen dingliche Sicherung durch eine Grunddienstbarkeit gehören, wenn dies im wirtschaftlichen Interesse eines Teilnehmerbetriebes ist. Dabei ist in der Regel für den Betroffenen eine Entschädigung vorzusehen.
4. Der Planungshoheit der Flurbereinigungsbehörden sind in Flurbereinigungsverfahren auch Gewässer unterworfen. Die Flurbereinigungsbehörde ist Planfeststellungsbehörde im Sinne des § 14 des WHG.
5. Das Flurbereinigungsgericht ist nach § 144 FlurbG ebenfalls ermächtigt, wasserrechtliche Erlaubnisse und Bewilligungen zu erteilen.

Aus den Gründen

Das Flurb.Gericht hat von der Entscheidungsbefugnis in § 144 FlurbG durch Ergänzung des Flurb.Plans in der Weise Gebrauch gemacht, daß es den Klägern sowohl öffentlich-rechtlich als auch privatrechtlich das Wasserbezugsrecht in dem zum Betrieb der Schrotmühle erforderlichen Umfange zu sichern beabsichtigt hat. Da durch die Ergänzung des Planes die Rechte der Beigeladenen berührt werden, bedarf es einer besonders sorgfältigen Prüfung, ob diese Maßnahmen sich als "Flurbereinigung" im Sinne des § 1 FlurbG rechtfertigen lassen.

Ziel der Flurbereinigung ist die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung und der allgemeinen Landeskultur. Als geeignete Mittel bezeichnet das Gesetz die wirtschaftliche Verbesserung der im Flurb.Gebiet liegenden Grundstücke, die Zusammenlegung und Neugestaltung ländlichen Grundbesitzes sowie die Anwendung anderer landeskultureller Maßnahmen. Den "sonstigen Maßnahmen" sind insoweit Grenzen gesetzt, als sie in unmittelbarem Zusammenhang mit den klassischen Flurbereinigungsmaßnahmen stehen müssen, nämlich der Zusammenlegung zersplitterten oder unwirtschaftlich geformten ländlichen Grundbesitzes, der Verbesserung der Agrarstruktur in dem zu bereinigenden Gebiet, wobei neuzeitliche betriebswirtschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen sind. Aus der ständigen Rechtsprechung des BVerwG ergibt sich, daß durch § 1 FlurbG nur gedeckt ist, was im Interesse der Förderungsmaßnahmen im Sinne des § 1 FlurbG in Verbindung mit § 37 Abs. 1 FlurbG liegt. Nur insoweit dienen die Maßnahmen der Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung und damit dem allgemeinen Wohl, und nur mit dieser Begrenzung lassen sich Eingriffe, die die Rechtssphäre Dritter berühren, wie sie das Flurbereinigungsgesetz im einzelnen vorsieht, rechtfertigen. Auszuschließen sind solche Maßnahmen, die lediglich im Eigeninteresse eines einzelnen Teilnehmers liegen. Was an Maßnahmen zulässig ist, wird in § 37 Abs. 1 FlurbG richtlinienmäßig bestimmt. In diesem Zusammenhang sind die Flurbereinigungsbehörden ermächtigt, in Durchführung der "Flurbereinigung" im Sinne des § 1 FlurbG, wie sich aus § 37 Abs. 2 FlurbG ergibt, "dabei" auch die rechtlichen Verhältnisse zu ordnen. Die Ordnung rechtlicher Verhältnisse ist hiernach nur im Rahmen der den Flurbereinigungsbehörden gestellten Neugestaltungsaufgaben im Sinne des § 37 Abs. 1 FlurbG zulässig. Die Vorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 FlurbG ist mithin keine selbständige Grundlage für die anderweitige Gestaltung der rechtlichen Verhältnisse. Jede Neuordnung setzt also voraus, daß sie zur zweckentsprechenden Verbesserung der Grundlagen der Wirtschaftsbetriebe und zu deren Bestandssicherung unerläßlich ist.

Der erkennende Senat folgt dem Flurbereinigungsgericht bei seinen Erwägungen, daß die Sicherung des Wasserbezugsrechts zugunsten der Kläger eine den Zwecken der Flurbereinigung dienende "sonstige Maßnahme" zur Erhaltung und Verbesserung der Grundlagen des Wirtschaftsbetriebes durchaus sein kann. Wie sich aus den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils ergibt, wird das Recht zur Bestellung der Dienstbarkeit nicht ausschließlich aus § 37 Abs. 2 FlurbG hergeleitet, sondern nur in Verbindung mit § 37 Abs. 1 Satz 2 FlurbG. Dies entspricht der Auffassung des BVerwG, dessen ständige Rechtsprechung dahin geht, daß § 37 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz FlurbG die Bestellung einer Grunddienstbarkeit allein nicht rechtfertigt, sondern nur im Zusammenhang mit sonstigen Maßnahmen, wie sie in § 37 Abs. 1 Satz 2 FlurbG aufgeführt sind (vgl. hierzu Urt. vom 23.6.1959 - BVerwG I C 78.58 - (Buchholz BVerwG 424.01, § 44 FlurbG Nr. 2) und Urt. vom 13.11.1958 - BVerwG I C 132.57 - (Buchholz BVerwG 424.01, § 37 FlurbG Nr. 1 = NJW 1959, 643)).

Der Senat vermißt aber erschöpfende tatsächliche Feststellungen darüber, daß der "Fortgang der Schrotmühle" nur bei Benutzung der Wasserkraft aus der Quelle gesichert ist, daß die Rentabilität des Betriebes der Schrotmühle schlechthin diejenige des Gesamtbetriebes der Kläger gewährleistet und in welchem betriebswirtschaftlichen Verhältnis Schrotmühle und Landwirtschaft der Kläger zueinanderstehen. Sollte die Schrotmühle Futterschrot überwiegend für fremde Betriebe erzeugen, könnte es sich um einen gewerblichen Betrieb handeln, demgegenüber dann die Schroterzeugung für die Landwirtschaft der Kläger nur von untergeordneter Bedeutung wäre. Außerdem hängt die Frage, ob sich die Einräumung des Wasserbezugsrechts als Flurbereinigungsmaßnahme rechtfertigen läßt, auch davon ab, ob nicht etwa die völlige Einstellung des Schrotmühlenbetriebes in absehbarer Zeit zu erwarten ist, da es sich um einen Betrieb handelt, der den technischen Anforderungen der heutigen Zeit nicht mehr entsprechen dürfte. Zu berücksichtigen ist hierbei nämlich, daß die Flurbereinigungsmaßnahmen Dauerwirkung erzeugen. Weiterhin fehlen auch tatsächliche Feststellungen darüber, inwieweit die im Flurbereinigungsgebiet liegenden sonstigen Betriebe auf die Erzeugung von Futterschrot durch die Kläger angewiesen sind. Wie die Revisionskläger mit Recht rügen, hätte es hierzu der Zuziehung eines Sachverständigen bedurft.

Vorausgesetzt, daß die weiteren tatsächlichen Feststellungen zugunsten der Kläger ausfallen, würde der erkennende Senat keine Bedenken haben, der Ansicht des Flurbereinigungsgerichts zu folgen, daß das Recht zur Bestellung der Dienstbarkeit aus § 37 Abs. 2 FlurbG hergeleitet werden kann. Er ist der Auffassung, daß die Belastung eines ländlichen Grundbesitzes innerhalb des Flurbereinigungsgebietes nicht nur zu Abfindungszwecken, sondern auch dann zulässig ist, wenn sich eine solche Belastung als notwendige Maßnahme zur Verbesserung der Grundlagen des Wirtschaftsbetriebes eines Flurbereinigungsteilnehmers im Sinne des § 37 Abs. 1 Satz 2 FlurbG erweist; an der im Urteil vom 7.5.1965 - BVerwG IV C 7.65 - (RdL 1965, 329) geäußerten Ansicht wird nicht festgehalten.

Zutreffend ist das Flurbereinigungsgericht der Ansicht, daß auch Gewässer der Planungshoheit der Flurbereinigungsbehörde unterworfen sein können. Es hat nur insoweit auf § 45 FlurbG verwiesen, als es ausführt, die Quelle sei ein Gewässer im Sinne des FlurbG. In diesem Zusammenhang sei bemerkt, daß auch den weiteren Ausführungen im angefochtenen Urteil beizutreten ist, wenn es darin heißt, daß sich die Beigeladenen nicht auf die Schutzvorschrift des § 45 FlurbG berufen können, da Gewässer nur dann den besonderen Schutz dieser Sondervorschrift genießen, wenn der gewerbliche Betrieb, dem das Gewässer dient, auch dem Eigentümer des Gewässers gehört. Dies trifft aber für die Beigeladenen nicht zu.

Zu beanstanden ist jedoch, daß das Flurbereinigungsgericht die Belastung des Grundstücks der Beigeladenen mit der Grunddienstbarkeit für den jeweiligen Eigentümer des Mühlengrundstücks vorgesehen hat, ohne sich gründlich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob und inwieweit diese Beigeladenen zu entschädigen sind. Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Beigeladenen rechtliche und möglicherweise auch nicht unerhebliche wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen müßten, wenn es zur Belastung ihres Grundstücks mit der Grunddienstbarkeit käme. Besondere Umstände, die eine Nichtzubilligung der Entschädigung von vornherein rechtfertigen könnten, sind nach dem bisher festgestellten Sachverhalt nicht zu ersehen. Die Tatsache, daß der jeweilige Eigentümer der Mühle seit jeher das Wasser aus der Quelle bezog, beruht auf irrigen Vorstellungen über den Verlauf der Grundstücksgrenze. Die Kläger können sich daher für die weitere unentgeltliche Quellennutzung nicht hierauf berufen. Hinzu kommt, daß aus einem rein tatsächlichen Zustand nunmehr eine rechtliche Belastung würde, die sich bei der Veräußerung des Anwesens der Beigeladenen möglicherweise nachteilig auswirken könnte.

Auszugehen ist daher von dem Grundsatz wertgleicher Abfindung, aus dem herzuleiten ist, daß Wertminderungen durch im Flurbereinigungsplan neu vorgesehene dingliche Belastungen eines Grundstücks zu berücksichtigen sind. Die allgemeinen Umlegungsvorteile stellen regelmäßig kein Entgelt für Eigentumsbeschränkungen dar (vgl. u.a. die bereits zitierte Entscheidung des BVerwG vom 13.11.1958).

Schließlich ist auch aus dem Rechtsgedanken des § 49 FlurbG nichts zu entnehmen, was Anlaß sein könnte, von der Regel abzugehen, daß jeder Nachteil, der einem Teilnehmer entsteht, im Flurbereinigungsplan auszugleichen ist. Die Vorschrift des § 49 FlurbG besagt, daß die Wertminderung eines Grundstücks durch ein im Zuge der Flurbereinigung aufzuhebendes Recht nur dann berücksichtigungsfähig ist, wenn sie erheblich ist. Es handelt sich also um eine Sonderregelung für bestimmte Tatbestände, die nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar ist. Jedenfalls bedarf es sorgfältiger Prüfung - schon im Hinblick auf Art. 14 Abs. 3 GG -, ob und in welcher Weise eine Entschädigung für die etwa neu zu schaffende Grundstücksbelastung vorzusehen wäre.

Das angefochtene Urteil gibt auch insoweit zu Bedenken Anlaß, als das Flurbereinigungsgericht die Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes unbeachtet gelassen hat. Zwar will mit Recht das Flurbereinigungsgericht von der Plangestaltungsbefugnis des § 144 Satz 1 FlurbG auch dann Gebrauch machen, wenn es sich um die Einräumung eines öffentlich-rechtlichen Wasserbezugsrechts handelt. Die im Interesse der Beschleunigung des Flurbereinigungsverfahrens liegende rechtsgestaltende Planänderungsbefugnis des Flurbereinigungsgerichts umfaßt sicherlich auch die Zuständigkeit in wasserwirtschaftlicher Hinsicht, die § 14 WHG der Flurbereinigungsbehörde einräumt, soweit für ein Vorhaben mit dem die Benutzung eines Gewässers verbunden ist, ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt wird. Planfeststellungsbehörde ist dann grundsätzlich die Flurbereinigungsbehörde. Die Entscheidung des Flurbereinigungsgerichts ist aber insofern bedenklich, als die Vorschrift des § 14 Abs. 3 WHG unbeachtet geblieben ist. Es ist nicht ersichtlich, daß sich das Gericht jemals mit der zuständigen Wasserbehörde in Verbindung gesetzt hat. Es geht auch nicht aus den Urteilsgründen hervor, weshalb sich das Flurbereinigungsgericht für eine Bewilligung nach § 8 WHG entschieden hat. Aus guten Gründen unterscheidet das WHG zwischen "Erlaubnis" nach § 7 WHG und "Bewilligung" nach § 8 WHG. Es hätte geprüft werden müssen, ob für das Recht, das Gewässer zu dem hier bestimmten Zweck zu benutzen, die Erteilung einer widerruflichen Befugnis im Sinne des § 7 WHG ausgereicht hätte. Der Gedanke, hier eine Erlaubnis genügen zu lassen, ist bei dem unbedeutenden und auf lange Sicht wohl kaum lebensfähigen Betrieb durchaus naheliegend. § 8 WHG gewährt gegenüber § 7 a.a.O. ein wesentlich stärkeres Recht, das - wie aus Abs. 2 hervorgeht -, nur dann eingeräumt werden darf, wenn dem Unternehmer nur eine gesicherte Rechtsstellung zumutbar ist und die Benutzung einem bestimmten Zweck dient, der nach einem bestimmten Plan verfolgt wird. Für Bewilligungen kommen demnach insbesondere Fälle in Betracht, in denen Unternehmer für die Benutzung von Gewässern zu hohen Aufwendungen "nach einem bestimmten Plan" gezwungen sind und eine lediglich widerrufliche Befugnis billigerweise dem Antragsteller nicht zumutbar wäre (vgl. BVerwGE, 20, 219 Leitsätze 3 und 4).

Anmerkung

so auch BVerwG, Urteil vom 2.11.1972 - VB 10.72