Flurbereinigungsgericht Mannheim, Beschluss vom 09.04.1986 - 7 S 3361/85 = VBlBW 1986 S. 263
Aktenzeichen | 7 S 3361/85 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 09.04.1986 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Mannheim | Veröffentlichungen | = VBlBW 1986 S. 263 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Für eine Besitzregelung durch eine vorläufige Anordnung gemäß § 88 Nr. 3 in Verbindung mit § 36 FlurbG, die der Verwirklichung eines landverbrauchenden Unternehmens im Sinne von § 87 FlurbG dient, müssen dringende Gründe gegeben sein. Dringend wird eine solche Anordnung, wenn die Flurbereinigungsbehörde aufgrund des Verfahrensstandes und nach Abwägung aller hier erheblichen Umstände, insbesondere der Interessen der Teilnehmer zu dem Ergebnis kommen darf, daß die vorgezogene Besitzregelung schon zu dem in der Anordnung festzusetzenden Zeitpunkt dem - beschleunigten - Erreichen des angestrebten Verfahrenszwecks dient. |
Aus den Gründen
Es entspricht der herrschenden Auffassung (vgl. Hegele in Seehusen/Schwede, 4. Aufl., § 88 RdNr. 11 m. w. N.) und ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, daß auch für eine der Verwirklichung des Unternehmens dienende vorläufige Anordnung dringende Gründe gegeben sein müssen. Das versteht sich aus dem für das Flurbereinigungsrecht allgemein geltenden Grundsatz, daß Neuregelungen, also Ergebnisse des Verfahrens, im Interesse der Teilnehmer normalerweise durch den Flurbereinigungsplan festgesetzt werden. Allerdings wird es bei einer Unternehmensflurbereinigung oft sowohl im Interesse des Unternehmensträgers als auch in dem der Gesamtheit der Teilnehmer liegen, daß das Unternehmen bereits vor Erlaß und Ausführung des Flurbereinigungsplans ins Werk gesetzt wird, damit die Eingriffe, die das Unternehmen verursacht, im Plan sachgerecht bewältigt werden können. Diese Notwendigkeit macht es erforderlich, von der gesetzlichen Reihenfolge der Planungs- und Ausführungsschritte des Flurbereinigungsverfahrens abzuweichen und die Ausführung des Unternehmens vorzuziehen. Unter diesem Gesichtspunkt muß das Unternehmen "Prüfgelände" ohne Zweifel vor Erlaß und Ausführung des Flurbereinigungsplans ins Werk gesetzt werden. Daraus ergibt sich aber nur, daß die gesetzliche Reihenfolge der Planungs- und Ausführungsschritte geändert werden muß und insofern ist der Vorausbau des Prüfgeländes "dringlich" i. S. v. § 36 Abs. 1 FlurbG. Damit ist aber noch nicht die weitere Frage entschieden, wann der richtige Zeitpunkt für den Vorausbau gekommen ist. Die Bestimmung dieses Zeitpunktes steht im gebundenen Ermessen der Behörde: Die Anordnung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FlurbG kann erst getroffen werden, wenn sie - im Laufe des Verfahrens - erforderlich wird.
Ein Flurbereinigungsverfahren wird stets im Interesse der Teilnehmer angeordnet und durchgeführt (vgl. § 4 FlurbG), die Unternehmensflurbereinigung auch im Interesse des Unternehmens und seines Trägers. Dabei haben die Fachbehörden ebenfalls im Interesse aller Beteiligten bei ihren Entscheidungen zu beachten, daß die Flurbereinigung unter dem Gebot größtmöglicher Beschleunigung des Verfahrens steht (vgl. § 2 Abs. 2 FlurbG). Dringend wird deshalb eine vorläufige Anordnung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FlurbG, wenn die Flurbereinigungsbehörde aufgrund des Verfahrensstandes und nach Abwägung aller hier erheblichen Umstände, insbesondere der Interessen aller Teilnehmer zu dem Ergebnis kommen darf, daß die vorgezogene Besitzregelung schon zu dem in der Anordnung festzusetzenden Zeitpunkt dem - beschleunigten - Erreichen des angestrebten Verfahrenszwecks dient. Das setzt vor allem anderen aber voraus, daß der bereits erreichte Verfahrensstand die durch die vorläufige Anordnung verfügte Besitzregelung rechtfertigt. Daran bestehen im vorliegenden Fall deshalb Zweifel, weil die Anordnung vom 10.12.1985 irreparable Eingriffe in die Agrarstruktur des betroffenen Raumes und in den ländlichen Grundbesitz einer Vielzahl von Teilnehmern ermöglicht, obwohl das nach §§ 90 ff. BVerfGG angerufene Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden hat, ob es verfassungsrechtlich zulässig ist oder nicht, das Prüfgelände der Beigeladenen Nr. 3 im Wege einer Unternehmensflurbereinigung nach § 144 f Abs. 1 Satz 1 BBauG i. V. m. § 87 Abs. 1 FlurbG überhaupt zu verwirklichen.