Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.04.1976 - V C 36.75 = BVerwGE 50, 333= RdL 1977 S. 66

Aktenzeichen V C 36.75 Entscheidung Urteil Datum 29.04.1976
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen BVerwGE 50, 333 = RdL 1977 S. 66  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Zum Rechtscharakter der Entschädigung nach § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG.
2. Streitigkeiten aus der Ausgleichsregelung nach § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG bleiben auch dann flurbereinigungsrechtlicher Natur, für die die Flurbereinigungsgerichte zuständig sind, wenn die vorläufige Anordnung in Verbindung mit § 88 Nr. 3 FlurbG ergeht.

Aus den Gründen

Die Revisionen sind begründet und führen zur Zurückverweisung der Sache an das Flurbereinigungsgericht.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß für Streitigkeiten über einen Härteausgleich nach § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG im unmittelbaren Anwendungsbereich dieser Vorschrift die Flurbereinigungsgerichte zuständig sind. An dieser Zuständigkeit ändert sich auch nichts, wenn die zuständige Flurbereinigungsbehörde nach § 36 Abs. 1 FlurbG eine vorläufige Anordnung mit Festsetzung eines Härteausgleichs im Rahmen einer Unternehmensflurbereinigung aufgrund der Sonderbestimmung des § 88 Nr. 3 FlurbG trifft.

Im vorliegenden Fall ist unter den Beteiligten unstreitig, daß die höhere Entschädigung im Rahmen eines solchen Härteausgleichs nach § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG in Verbindung mit § 88 Nr. 3 FlurbG beansprucht wird, wobei die von den Klägern im Revisionsverfahren vorgenommene rechtliche Qualifizierung dieses Anspruchs zunächst dahinstehen kann. Aus der vorläufigen Anordnung und dem Inhalt des Beschwerdebescheids ergibt sich, daß von der Flurbereinigungsbehörde ein Härteausgleich nach § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG vorgenommen werden sollte, und nicht an eine Abschlagszahlung auf eine spätere Enteignungsentschädigung gedacht war. Im Beschwerdebescheid ist deshalb hierzu ausgeführt, daß mit der Festsetzung angemessener Ausgleichsbeträge die durch die vorläufige Anordnung vorübergehend eintretenden Nachteile soweit ausgeglichen werden sollten, wie es zur Vermeidung von Härten erforderlich sei. Demgegenüber kommt der daneben vertretenen Auffassung, daß die Härteausgleichsentschädigung auf die nach dem Flurbereinigungsplan endgültig zu gewährende Enteignungsentschädigung anzurechnen sei, keine verbindliche Bedeutung zu; jedenfalls nicht dergestalt, daß die fragliche Zuwendung selbst als Enteignungsentschädigung (oder im Vorgriff darauf) gewährt sei. Der Erlaß des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Weinbau und Forsten Baden-Württemberg vom 14.2.1968, auf den die getroffene Regelung gestützt wird, enthält selbst keinerlei Hinweis auf eine Anrechnungspflicht der gewährten Härteausgleichsentschädigungen. Für die Annahme einer Härteausgleichsregelung spricht auch, daß die Ausgleichsleistungen danach im allgemeinen zu pauschalieren sind mit der eingeräumten Möglichkeit, besondere Nachteile im Einzelfall auch gesondert zu ermitteln und auszugleichen. Hiervon zu unterscheiden sind die Folgen einer vorläufigen Besitzeinweisung, beispielsweise nach § 65 FlurbG. Wenn dabei die Sache auch nur wirtschaftlich auf den Begünstigten übergeht, so steht der Umfang des Eingriffs auf seiten des Betroffenen doch in diesem Zeitpunkt bereits fest und ist deshalb auch für die Enteignungsentschädigung maßgebend (BGH in RdL 1967, 241).

Konsequenterweise bezeichnet die vorläufige Anordnung den Härteausgleich als Nutzungsentschädigung, die bis zur vorläufigen Besitzeinweisung (nach § 65 FlurbG) in doppelter Höhe des ortsüblichen Pachtzinses für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke gezahlt wird. Maßgebend ist danach, was die Flurbereinigungsbehörde bei verständiger Würdigung des konkreten Sachverhalts hat regeln wollen und auch tatsächlich geregelt hat. Die in den angegriffenen Bescheiden verwirklichte Vorstellung ergibt, daß die Flurbereinigungsbehörde einen Härteausgleich nach § 88 Nr. 3 FlurbG in Verbindung mit § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG gewähren wollte.

Der Ansicht des Flurbereinigungsgerichts, § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG sei "nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit § 88 Nr. 3 FlurbG und der damit in wesensmäßigem Zusammenhang stehenden Rechtswegregelung des § 88 Nr. 7 zu würdigen", kann nicht beigepflichtet werden, weil ein wesensmäßiger Zusammenhang nicht erkennbar ist. In den § 87 ff. FlurbG sind die in der Reichsumlegungsordnung - RUO - verstreut gewesenen Vorschriften zusammengefaßt worden; § 88 FlurbG enthält überdies die durch Art. 14 Abs. 3 GG erforderlich gewordenen Bestimmungen.

Der nach § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG in Verbindung mit § 88 Nr. 3 FlurbG zu gewährende Härteausgleich wird vom Gesetz auch nicht als Teil der Enteignungsentschädigung geregelt. Vielmehr läßt § 88 Nr. 3 FlurbG die in § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG getroffene Regelung des Härteausgleichs unberührt; § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG erfährt hierdurch keine wesensmäßige Veränderung. Durch § 88 Nr. 3 FlurbG wird nur sichergestellt, daß die vorläufige Anordnung "gemäß § 36" auch zugunsten des Trägers des Unternehmens zulässig ist. Über den Härteausgleich selbst, der auch bei vorläufigen Anordnungen im Rahmen der Unternehmensflurbereinigung festgesetzt werden kann, ist in § 88 Nr. 3 FlurbG nichts bestimmt. Deshalb kann die Vorschrift des § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG über den Härteausgleich nicht in die Rechtswegregelung des § 88 Nr. 7 FlurbG einbezogen sein.

Die Verweisungsnorm läßt die darin angeführte Bezugsnorm in ihrem Wesen unangetastet. In § 88 Nr. 3 FlurbG ist im wesentlichen das übernommen, was in § 41 Abs. 2 RUO schon geregelt war. Während jedoch § 41 Abs. 6 RUO ausdrücklich hervorhob: "Die Entschädigung trägt die Teilnehmergemeinschaft, im Falle des Absatzes 2 der Unternehmer", findet sich in § 36 Abs. 1 Satz 3 FlurbG nur noch der Ausspruch: "Die Entschädigungen trägt die Teilnehmergemeinschaft". Daraus ergibt sich, daß die Festsetzung der angemessenen Härteausgleichsbeträge der Flurbereinigungsbehörde obliegt und Härteausgleichsentschädigungen ihr gegenüber geltend zu machen sind (§ 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG). Träger der Ausgleichsentschädigungen ist die Teilnehmergemeinschaft (§ 36 Abs. 1 Satz 3 FlurbG). Ob und inwieweit der Träger des Unternehmens gegenüber der Teilnehmergemeinschaft hierfür einen Anteil an den Ausführungskosten zu tragen hat (§ 88 Nr. 8 FlurbG), kann hier dahinstehen. Desgleichen bedarf es keiner Entscheidung, inwieweit vorübergehende Nachteile und zeitweilige Beeinträchtigungen, die durch die Bereitstellung der zugeteilten Flächen entstehen, zu den zu behebenden Nachteilen zu rechnen sind. Zweifelsohne hat sich die Besitzeinweisung in die benötigten Flächen auch bei der Unternehmensflurbereinigung nicht nach § 19 Abs. 3 Fernstraßengesetz - FStrG - zu richten, sondern nach § 88 Nr. 3 FlurbG in Verbindung mit § 36 Abs. 1 FlurbG. Da es sich hier um eine Besitzeinweisung nach dem Flurbereinigungsgesetz handelt, bei der den Zielvorstellungen gerade dieses Gesetzes in weitestmöglichem Umfang Rechnung getragen werden soll, sind die damit einhergehenden vorübergehenden Beeinträchtigungen der Art nach den im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens vorgenommenen Maßnahmen zuzurechnen. Ist, wie im vorliegenden Fall, die Besitzeinweisung nicht nach § 19 Abs. 3 FStrG erfolgt, sondern nach § 88 Nr. 3 FlurbG, dann richten sich Entschädigungsansprüche nicht gemäß § 19 Abs. 5 FStrG nach den Enteignungsgesetzen der Länder, sondern nach den im Flurbereinigungsgesetz selbst enthaltenen Bestimmungen oder durch entsprechende Verweisung für maßgeblich erklärte Vorschriften. Da für die durch die Besitzeinweisung nach § 88 Nr. 3 FlurbG entstehenden zeitweiligen Beeinträchtigungen des Eigentums in § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG eine spezielle Ausgleichsregelung enthalten ist, ist danach zu verfahren. Streitigkeiten, die sich hieraus ergeben, sind solche flurbereinigungsrechtlicher Natur, für die der Verwaltungsrechtsweg zu den Flurbereinigungsgerichten eröffnet ist (§ 140 FlurbG).

Nach § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG setzt die Flurbereinigungsbehörde die den Betroffenen zu gewährenden Härteausgleichsentschädigungen fest, während nach § 88 Nr. 6 FlurbG die vom Träger des Unternehmens vorzuschießenden Geldentschädigungen von der Flurbereinigungsbehörde festzustellen sind. Unabhängig davon, daß jede dieser Regelungen einen anderen Adressatenkreis betrifft, handelt es sich im ersten Fall um eine wesensmäßig dem Flurbereinigungsverfahren zugehörige Aufgabe mit der Klagemöglichkeit vor den Flurbereinigungsgerichten nach durchgeführtem Vorverfahren, während die Flurbereinigungsbehörde bei der Feststellung der Geldentschädigung nach § 88 Nr. 6 FlurbG der Natur der Sache nach eine Aufgabe wahrnimmt, die die Enteignungsbehörde zu erledigen hätte, wobei kein Vorverfahren erforderlich ist, soweit sich nicht aus dem für das Unternehmen geltenden Enteignungsgesetz etwas anderes ergibt (vgl. Fink, Zur Ausschlußwirkung bei Feststellung von Geldentschädigungen in der Unternehmensflurbereinigung (Agrarrecht, Beilage I / 1976, S. 21 ff.)).

Auch § 88 Nr. 7 Satz 2 FlurbG, wonach der Anspruch auf die Geldentschädigung für die von einem Teilnehmer aufgebrachte Fläche gerichtlich erst geltend gemacht werden kann, wenn die Landabfindungen aller Teilnehmer rechtskräftig feststehen, kann nicht zur Unterstützung der vom Flurbereinigungsgericht vertretenen Ansicht herangezogen werden, für Härteausgleichsentschädigungen sei der ordentliche Rechtsweg gegeben. Denn diese Vorschrift ist auf die mit der Landabfindung unmittelbar korrespondierenden Geldansprüche anwendbar, während der Anspruch auf angemessenen Härteausgleich daneben besteht und seine Geltendmachung durch § 88 Nr. 7 Satz 2 FlurbG nicht gehindert wird. Diese Vorschrift hat vor allem Bedeutung dafür, nachträglichen Änderungen bei den Landabfindungen Rechnung zu tragen. Von § 88 Nr. 7 Satz 2 FlurbG werden nur die auf Enteignungsentschädigung für den Substanzverlust ("für die von einem Teilnehmer aufgebrachte Fläche") gerichteten Ansprüche erfaßt, deren gerichtliche Geltendmachung hinausgeschoben wird, nicht dagegen darüber hinausgehende Enteignungsansprüche (z. B. Kosten einer Betriebsverlegung, Reisekosten des Betriebsinhabers anläßlich der Verlegung (BGH, NJW 1966, 493)).

Daß der nach § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG beanspruchbare angemessene Härteausgleich nicht als ein Teil der Enteignungsentschädigung zu verstehen ist, wird auch durch folgende Erwägungen unterstützt: Die in § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG der Flurbereinigungsbehörde eingeräumte Befugnis ist ein Sonderfall der in § 51 Abs. 1 FlurbG getroffenen Regelung. Der Ausgleich nach § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG ist kein Teil des Abfindungsanspruchs, auch nicht dessen Surrogat (Beschlüsse vom 6.3.1961 - BVerwG I B 141.60 - (RdL 1961, 136) und 7.6.1963 - BVerwG I B 80.63 - ). Die aus beiden Vorschriften sich ergebenden Ansprüche haben die gleiche Rechtsnatur; sie sind trotz der "Kann"-Formulierung in § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG zwingenden Rechts, bestehen neben der Landabfindung und sind auf diese nicht anzurechnen. Es sind vielmehr Ausgleichsansprüche eigener Art. In beiden Bestimmungen geht es um die Behebung zwischenzeitlicher Beeinträchtigungen, um den Ausgleich unzumutbarer Härten und übermäßiger Nachteile, einmal bei der zeitweiligen Beeinträchtigung des Eigentums an den Altgrundstücken (§ 34, § 36 FlurbG), zum anderen bei vorübergehenden übermäßigen Nachteilen einzelner Teilnehmer in bezug auf eine im übrigen gleichwertige Abfindung (§ 51 FlurbG).

Allerdings ist auch die Enteignungsentschädigung nicht auf den bloßen Substanzverlust beschränkt. Der Bundesgerichtshof hat hierfür den in ständiger Rechtsprechung befolgten Grundsatz aufgestellt, daß neben dem Ersatz des Substanzverlustes auch gewisse Folgeschäden bei der Entschädigung berücksichtigt werden, die zwangsnotwendig und unmittelbar aus der Enteignung folgen. Nicht nur der objektive Wert, sondern auch der sogenannte individuelle Wert wird entschädigt; daneben wird noch ein Ausgleich für alle diejenigen Nachteile gewährt, die den Berechtigten im Zusammenhang mit dem Enteignungsvorgang notwendigerweise treffen (BGH, Urteil vom 6.12.1965 (NJW 1966, 493)). Dazu rechnen auch gewisse Vorwirkungen der späteren Enteignung. Desgleichen kann die Entziehung von Nutzungsmöglichkeiten, die sich als Eingriff in das Objekt darstellt, Enteignung sein (BGHZ 57, 278 (289); 30, 338 (352)). - Danach ist eine solche für besondere Nachteile zu zahlende Entschädigung ein Teil der Gesamtentschädigung und unterliegt den Grundsätzen des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar eine Geldentschädigung für Nachteile, die einem an der Unternehmensflurbereinigung (§ 87 ff. FlurbG) beteiligten Eigentümer durch das Unternehmen entstehen, erst zu leisten, wenn der Eigentümer in bezug auf die derzeit zulässige Nutzbarkeit des Grundstücks konkrete und spürbare Nachteile erleidet, die das nach Nachbarrecht hinzunehmende Maß übersteigen (BGH, Urteil vom 29.3.1976 - III ZR 98/73 -; Betriebsberater 1976, 627). Aus der angeführten zivilgerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich aber jedenfalls, daß vom Wesen und Umfang der Enteignungsentschädigung her es nicht auszuschließen wäre, auch die durch vorläufige Anordnungen (nach Art des § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG) sich ergebenden zeitweiligen Einschränkungen des Eigentums in die Enteignungsentschädigung mit einzubeziehen.

Jedoch ergibt sich daraus für Fälle der vorliegenden Art kein Prinzipienwiderspruch. Denn auch in Verbindung mit § 88 Nr. 3 dient § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG eben nicht der Erfüllung eines Anspruchs aus Enteignung, sondern regelt nur einen Ausgleich hier entstehender Härten. Wenn einerseits auch bei der Enteignungsentschädigung Zumutbarkeit und Schwere des Eingriffs von Bedeutung sind und der Entschädigung durch die Sozialpflichtigkeit des Eigentums Grenzen gesetzt sind, andererseits beim Ausgleich nach § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG ähnlich wie bei § 51 Abs. 1 FlurbG nur von einem bestimmten Ausmaß an Entschädigung gewährt wird, wobei die individuelle Beeinträchtigung des Betroffenen in Vergleich gesetzt werden muß mit dem Maß der den übrigen Teilnehmern entstehenden Nachteile, so unterscheidet sich doch die Enteignungsentschädigung von dem Härteausgleich durch dessen Zweckbestimmung. Denn nach der dem Gesetz zu entnehmenden - finalen - Leistungsbestimmung sind die angemessenen Entschädigungen zum Ausgleich von Härten zu gewähren und sollen damit den Belangen der Flurbereinigung Rechnung tragen. Nach § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG kann die Flurbereinigungsbehörde die angemessenen Entschädigungen - wie nach § 51 Abs. 1 FlurbG - wahlweise in Geld oder in anderer Art festsetzen und deshalb nach ihrem Ermessen auch Ersatzgrundstücke aus dem möglicherweise vorhandenen Massekontingent für die bereitgestellten Grundstücksteile zu Nutzungszwecken zur Verfügung stellen. Bei der Enteignungsentschädigung sind derartige Ermessenserwägungen nicht eingeräumt, und Naturalersatz ist nur ausnahmsweise vorgesehen, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (z. B. §§ 100, 101 BBauG). Die Eigentümlichkeit des Härteausgleichs nach § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG besteht ferner darin, daß es im Ermessen der Flurbereinigungsbehörde steht, ob sie die letztlich im Flurbereinigungsplan auszuweisende Entschädigung bereits vor Ausführung des Plans festsetzt (Beschluß vom 6.3.1961 - BVerwG I B 141.60 - (RdL 1961, 136)). Durch die Einfügung einer Härtevorschrift versucht der Gesetzgeber regelmäßig, einem atypischen Lebenssachverhalt gerecht zu werden (Urteil vom 26.1.1966 - BVerwG V C 88.64). Der Ausgleichsansatz in § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG ergibt sich aus der zeitweiligen Beeinträchtigung derjenigen Teilnehmer, die Land bereitstellen, in Vergleich zu den übrigen Teilnehmern, und nicht aus dem Verhältnis zum Träger des Unternehmens, der Nebenbeteiligter ist (§ 88 Nr. 2 FlurbG). Auch aus diesem Grunde wird die Härteausgleichsentschädigung nach § 88 Nr. 3, § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG nicht gegenüber dem Träger des Unternehmens geltend gemacht. Dagegen richten sich die enteignungsrechtlichen Ansprüche der Teilnehmer gegen den Träger des Unternehmens (§ 88 Nr. 4 Satz 3, Nr. 5 Satz 1 FlurbG), die im ordentlichen Rechtsweg verfolgt werden müssen (§ 88 Nr. 7 Satz 1 FlurbG), wobei die Zahlung der Geldentschädigung "zu Händen der Teilnehmergemeinschaft" zu erfolgen hat (§ 88 Nr. 4 Satz 6, Nr. 5 Satz 2 FlurbG). Die vom Flurbereinigungsgericht beklagte Doppelgleisigkeit des Verfahrens ist vom Gesetzgeber gewollt und muß deshalb in Kauf genommen werden (vgl. Urteil vom 24.4.1970 - BVerwG IV C 47.66 - sowie BGH, Urteil vom 29.3.1976 - vgl. oben -, beide ergangen auf die Entschädigungsansprüche desselben Beteiligten einer Unternehmensflurbereinigung).

Der Auffassung von Maunz-Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Band I RdNr. 118 zu Art. 14, die in der vorzeitigen Besitzeinweisung mancher Enteignungsgesetze eine entschädigungspflichtige Vorwirkung der Enteignung oder eine unmittelbare Enteignung erblicken und unter RdNr. 66 in bezug auf Entschädigungstatbestände in den Notstands- und Sicherstellungsgesetzen die Ansicht vertreten, daß ein Härteausgleich nur den Begriff der Zumutbarkeit ersetze und nichts anderes als eine Enteignungsentschädigung darstelle, kann nach alledem für den Härteausgleich nach § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG nicht beigepflichtet werden. Auch dann, wenn dieser Härteausgleich als ein Teil der aus der Unternehmensflurbereinigung sich ergebenden Gesamtentschädigung anzusehen ist, kann für das vorliegend verfolgte Klagebegehren der zum Flurbereinigungsgericht beschrittene Rechtsweg nicht verneint werden.

Obgleich es hierauf nach dem vorstehend Dargelegten nicht mehr entscheidend ankommt, sei zu der im angegriffenen Beschwerdebescheid vertretenen Ansicht einer Anrechenbarkeit der begehrten Härteausgleichsentschädigung auf eine spätere Enteignungsentschädigung noch bemerkt:

Die Kläger haben 65,70 a Land für Zwecke der Unternehmenflurbereinigung bereitgestellt, ein Flächenanteil, der 5 v.H. ihrer landwirtschaftlichen Nutzfläche nicht übersteigt. Der endgültige Landverlust ist bei der Unternehmensflurbereinigung auf einen größeren Kreis von Eigentümern zu verteilen (§ 87 Abs. 1 Satz 1 FlurbG), und zwar nach dem in § 88 Nr. 4 Satz 1 FlurbG niedergelegten Verhältnismaßstab. Nach der Umlegung des entstandenen Landverlustes auf die Teilnehmer und dem in der Flurbereinigung vorzunehmenden Objekttausch wird die von den Klägern für das Unternehmen aufzubringende Fläche prozentual erheblich geringer sein als die bereitgestellte Fläche. Nur hinsichtlich des aufgebrachten Flächenanteils liegt aber eine Enteignung vor, für den der Unternehmensträger den Klägern Geldentschädigung zu leisten hat (§ 88 Nr. 4 Satz 4 FlurbG). Da die Kläger auf die Nutzung der bereitgestellten Flächen angewiesen sind, wird ihnen hierfür eine Ausgleichsentschädigung gewährt, damit sie sich mit entsprechend geeignetem Pachtland versorgen oder auf sonstige Weise schadlos halten können. Denn dieses Opfer der zeitweiligen Einschränkung des Eigentums an Einlageflächen wird anderen Teilnehmern mangels einer Anordnung nach § 88 Nr. 3, § 36 Abs. 1 FlurbG nicht auferlegt. Diese Entschädigung für den Nutzungsausfall an den bereitgestellten Flächen ist jedoch kein Teil der Enteignungsentschädigung für den aufgebrachten Flächenanteil. Abgesehen von dem schon flächenmäßig geringeren Prozentsatz an Substanzverlust, wird die aufgebrachte Fläche wegen des in der Regel stattfindenden Objekttausches an Einlage und Abfindung auch nicht teilweise identisch sein mit der bereitgestellten Fläche. Würde den Klägern für den bereitgestellten Flächenanteil und die Dauer des damit verbundenen Nutzungsausfalls Ersatzland aus dem Massekontingent zur Verfügung gestellt werden können, dann dürfte die Nutzung des Ersatzlandes auf die Enteignungsentschädigung für den aufgebrachten Flächenanteil nicht anrechenbar sein, weil diese zeitweilige Nutzung des Ersatzlandes nur Ersatz für die zeitweilige Vorenthaltung der Nutzung des bereitgestellten Landes sein könnte. Etwas anderes kann aber schwerlich gelten, wenn anstelle von zeitweilig nutzbarem Ersatzland eine Ausgleichsentschädigung gewährt wird, um den zeitweiligen Nutzungsausfall an einem Flächenanteil der Einlage anderweitig zu kompensieren.

Eine Anrechnung dieser Härteausgleichsbeträge käme allerdings dann in Betracht, wenn nach enteignungsrechtlichen Gesichtspunkten Entschädigungen beansprucht wurden für berücksichtigungsbedürftige "Vorwirkungen" und "entzogene Nutzungsmöglichkeiten", die mit den zeitweiligen Eigentumseinschränkungen nach § 36 Abs. 1 FlurbG schadensidentisch wären. Das wäre aber nur ein Anwendungsfall des Prinzips, daß für ein und denselben Schaden nur einmal Ersatz verlangt werden darf. Soweit sich die Härteausgleichsregelung auf den späteren Anteil an Substanzverlust erstrecken sollte, könnte für den betroffenen Teilnehmer hieraus kein Nachteil erwachsen.

Keinesfalls werden durch die Härteausgleichsentschädigungen im Rahmen der Unternehmensflurbereinigung mögliche enteignungsrechtliche Ansprüche verdrängt. Durch § 36 FlurbG können, wie bereits betont, hinsichtlich der für das Unternehmen bereitgestellten Flächen Nutzungsentschädigungen gewährt, Bearbeitungserschwernisse berücksichtigt und auch Restbetriebsbelastungen ausgeglichen werden. Soweit durch diese Härteausgleichsleistungen die zeitweiligen Einschränkungen des Eigentums an der Einlage nicht voll ersetzt werden sollten, ist es den Klägern nicht verwehrt, mögliche Restbeträge nach enteignungsrechtlichen Gesichtspunkten vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen, soweit die verbleibenden Nachteile durch das Unternehmen entstanden sind. Hierunter könnte auch eine mögliche Verwertungsbeeinträchtigung fallen, obwohl der Grundstücksverkehr auch während des Verfahrens der Unternehmensflurbereinigung nicht unterbunden ist (§ 15 FlurbG und bei einer Veräußerung der bereitgestellten Fläche an das Unternehmen schwerlich weniger erzielt werden dürfte, als durch die Enteignungsentschädigung zu erwarten ist. Ob derartige, im Wege des Härteausgleichs nicht ersetzte Restbeträge und feststellbare finanzielle Auswirkungen der Verwertungsbehinderung, die nach § 88 Nr. 7 Satz 1 FlurbG vor den ordentlichen Gerichten nach dem für das Unternehmen geltenden Gesetz eingeklagt werden müßten, bereits mit der Schadensentstehung beansprucht oder erst nach rechtskräftiger Landabfindung aller Teilnehmer geltend gemacht werden können, ist hier nicht zu entscheiden. Bei Zweifeln, ob die in § 88 Nr. 7 Satz 2 FlurbG festgelegte zeitliche Hinausschiebung der Einklagbarkeit der angesprochenen Geldentschädigungen wegen der Dauer des Flurbereinigungsverfahrens und der damit verbundenen Entwertungsgefahr enteignungsrechtlichen Grundsätzen entspricht und verfassungskonform ist, könnte durch die zuständigen ordentlichen Gerichte eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG herbeigeführt werden. Hingegen ist kein Raum für eine solche Vorlage durch das Bundesverwaltungsgericht, wie sie in der Revisionsverhandlung angeregt worden ist. Für das mit der vorliegenden Klage verfolgte Ziel der Erhöhung der zugedachten Nutzungsentschädigung nach § 88 Nr. 3, § 36 Abs. 1 FlurbG (im Rahmen einer unanfechtbar angeordneten Unternehmensflurbereinigung) ist die Frage der Verfassungswidrigkeit des § 88 Nr. 7 FlurbG nicht erheblich. Nach der Überzeugung des erkennenden Senats läßt sich die durch öffentliche Interessen gerechtfertigte und nach § 36 Abs. 1 Satz 2 FlurbG angemessen entschädigte vorläufige Inanspruchnahme von Land nach § 88 Nr. 3 FlurbG als ein Fall einer flurbereinigungsrechtlichen Regelung der Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG begreifen. Damit entfällt auch das Revisionsargument, daß § 88 Nr. 3 FlurbG wegen unzureichender Entschädigungsregelung im Sinne der Junktim-Klausel des Art. 14 GG als nichtig angesehen werden müsse.

Ob die Änderung des § 88 Nr. 3 FlurbG durch Art. 1 Nr. 58 a) des Gesetzes zur Änderung des Flurbereinigungsgesetzes vom 15.3.1976 (BGBl I S. 533) - wonach der Träger des Unternehmens für die den Beteiligten infolge der vorläufigen Anordnung nach § 36 entstandenen Nachteile Entschädigung in Geld zu leisten hat, soweit nicht diese Nachteile durch die erfolgte vorläufige Bereitstellung von Ersatzflächen ausgeglichen werden - die vorstehend entwickelten Auffassungen mit ihren Konsequenzen für die Rechtswegfrage unberührt läßt, steht für den vorliegenden Fall nicht zur Entscheidung.

Anmerkung

So auch Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.4.1976 - V C 36.75 = DÖV 1976 S. 708