Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 27.10.1971 - 78 VII A 71

Aktenzeichen 78 VII A 71 Entscheidung Urteil Datum 27.10.1971
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Anordnung nach § 36 FlurbG muß auf den Einzelfall bezogen sein. Ein Pauschalbeschluß ist unzulässig.
2. Die Anordnung kann erst ergehen, wenn der Wege- und Gewässerplan vorläufig festgestellt ist.

Aus den Gründen

Der angefochtene Beschluß vom 13.9.1968 kann bereits aus formalen Gründen keinen Bestand haben. Er weist Mängel auf, die zu seiner Aufhebung führen müssen:

a) Die Flurbereinigungsbehörde kann nach § 36 FlurbG aus dringenden Gründen vor der Ausführung des Flurbereinigungsplanes den Besitz oder die Nutzung von Grundstücken oder die Ausübung anderer Rechte durch eine vorläufige Anordnung regeln. In Bayern steht diese Befugnis auch dem Vorstand der Teilnehmergemeinschaft zu (Art. 2 Abs. 1 Ziff. 6 AGFlurbG). Seine Entscheidung trifft er nach pflichtgemäßem Ermessen. Sie kann nur rechtmäßig sein, wenn hierbei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten werden oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wird (vgl. § 114 VwGO). Daran fehlt es, wenn bei dieser Entscheidung überhaupt keine Ermessenserwägungen angestellt werden.

Nach den Feststellungen des Gerichts hat der Vorstand der Beklagten bei seiner Beschlußfassung am 13.9.1968 die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen für seine Ermessensbetätigung nicht getroffen und einen Pauschalbeschluß ohne Kenntnis seiner Grundlagen gefaßt. Er hat damit davon abgesehen, Ermessenserwägungen anzustellen. Für einen Eingriff in die Rechte Dritter im Wege einer Anordnung nach § 36 FlurbG sind sie unerläßliche Voraussetzungen. Ihr Fehlen macht den Verwaltungsakt rechtswidrig. Dazu ist auszuführen:

Eine Besitzregelung für den Ausbau des Wege- und Grabennetzes kann ohne Kenntnis des Wege- und Gewässerplanes nicht getroffen werden. Weder Zweck und Ziel der Anordnung noch dessen Adressaten sind bekannt. Nach dem Beschlußtext wird daher auch der vorläufig festgestellte Wege- und Gewässerplan als Grundlage des neuen Wege- und Gewässernetzes bezeichnet. Dieser Plan bestand jedoch im Zeitpunkt der Beschlußfassung nicht. Die für seine Ausformung erforderlichen Termine nach den § 38 und § 41 Abs. 2 FlurbG standen noch bevor. Die vorläufige Feststellung des Wege- und Gewässerplanes - und nur diese festgestellte Planung ist maßgebend - folgte sogar erst am 19.11.1969. Der Vorstand konnte daher im Zeitpunkt seiner Entscheidung keine Ermessenserwägungen anstellen. Sie unterblieben auch nach Kenntnis der Grundlagen. Nach den Aussagen des Vorstandsvorsitzenden fand vor Bekanntgabe des Beschlusses an die Klägerin keine weitere Behandlung der Anordnung nach § 36 FlurbG statt. Der Mangel haftete dem Beschluß daher noch im Zeitpunkt seines Wirksamwerdens an. Er konnte nicht durch den Nichtabhilfebeschluß der Beschwerde im Vorstand geheilt werden, der sich zudem nur auf den Ausbau des Weges Nr. 22 beschränkte. Vielmehr bedurfte und bedarf es der erneuten Beschlußfassung über die Anordnung nach § 36 FlurbG.

b) Ein weiterer seine Aufhebung rechtfertigender Mangel ergibt sich aus der inhaltlichen Unbestimmtheit und Unvollständigkeit des Beschlusses. Verwaltungsakte müssen klar, bestimmt und eindeutig sein (Wolf, Verwaltungsrecht 50 II d, Forsthoff, Verwaltungsrecht 9. Auflage S. 241 ff.). Diesen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit verpflichtenden Anforderungen genügt der angefochtene Beschluß nicht.

Eine wirksame Besitzentziehung setzt die Bestimmung der Grundstücksfläche und des Zeitpunktes der Besitzentziehung voraus. Beides ergibt der Beschluß nicht. Selbst die flächenmäßige Bestimmung der entzogenen Fläche bleibt unklar. Dem Hinweis auf den vorläufig festgestellten Wege- und Gewässerplan als der Grundlage des neuen Wege- und Gewässernetzes kann keine konkretisierende Wirkung zugesprochen werden, da dieser Plan nicht bekanntgegeben ist. Eine kartenmäßige Darstellung und Bekanntgabe der entzogenen Fläche unterblieb. Der Beschluß ist demnach in sich unverständlich und unvollständig; er bleibt es, denn auch eine Teilkonkretisierung (z.B. durch die inzwischen durchgeführten Wegebaumaßnahmen) nimmt ihm nicht seine Unbestimmtheit, da nach seinem Wortlaut alle von der neuen Weg- und Grabenführung betroffenen Grundstücksteile ergriffen sind.