Bayer. Verwaltungsgericht München, Urteil vom 20.02.1968 - 1252/67
Aktenzeichen | 1252/67 | Entscheidung | Urteil | Datum | 20.02.1968 |
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Gericht | Bayer. Verwaltungsgericht München | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Wird durch ein Bauvorhaben im Außenbereich der Erfolg einer Flurbereinigung gemindert, so handelt es sich um eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange (§ 35 Abs. 2 und 3 BBauG). |
Aus den Gründen
Nach § 35 Abs. 3 BBauG ist auf Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur besonders Rücksicht zu nehmen. Die Aufnahme dieser Bestimmung in die beispielhafte Aufzählung von Tatbeständen, in denen die Beeinträchtigung öffentlicher Belange gesehen wird, wird zu Recht als etwas zusammenhanglos empfunden, wenn man allein die Begründung des federführenden Ausschusses bei der Gesetzesberatung zugrundelegt, wonach die Baubeschränkung im Außenbereich nicht Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur behindern soll (vgl. Heizer - Oestreicher Anm. 4 c zu § 35 BBauG). Es mag nun zweifellos auch dieser Aspekt zur Aufnahme dieser Bestimmung geführt haben, der auch mit den Privilegierungstatbeständen des § 35 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 BBauG in enger Beziehung steht. Das Gericht erachtet diese Sinngebung jedoch nicht als abschließend.
Ziel der Agrarpolitik ist es seit langem, die Agrarstruktur zu verbessern, um den landwirtschaftlichen Betrieben gesunde und leistungsfähige Produktionsgrundlagen zu schaffen. Dieses Ziel wird mit beträchtlichem finanziellen Einsatz der öffentlichen Hand verfolgt und verwirklicht, wie das Beispiel der seit langer Zeit betriebenen Flurbereinigung zeigt. Nicht nur die zu erreichenden Vorteile liegen im Interesse der Allgemeinheit, sondern auch die Erhaltung dieser Vorteile. Diese im öffentlichen Interesse liegende Rücksichtnahme auf eine gute Agrarstruktur ist ein öffentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 2 BBauG. Damit gewinnt die Bestimmung des § 35 Abs. 3 letzter Satz ein im Rahmen dieses Absatzes auch verständliches Gewicht, nämlich die Beeinträchtigung von Vorteilen aus agrarstrukturellen Verbesserungsmaßnahmen nach § 35 Abs. 2 auszuschließen. Die Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich unterliegt dem § 35 BBauG zugrundeliegenden Gedanken, den Außenbereich grundsätzlich von einer Bebauung freizuhalten. Der Außenbereich dient vornehmlich der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung. Es wäre verfehlt, zu glauben, daß bei der Prüfung, ob öffentliche Belange einem Bauvorhaben entgegenstehen, der Rücksicht auf die Agrarstruktur keine Bedeutung zukäme. Die für die städtebauliche Entwicklung maßgebliche Leitlinie des § 1 BBauG sieht u.a. auch vor, daß die Bauleitpläne die Bedürfnisse der Landwirtschaft zu beachten haben und landwirtschaftlich genutzte Flächen nur in dem notwendigen Umfang für andere Nutzungsarten vorgesehen und in Anspruch genommen werden sollen (§ 1 Abs. 5 BBauG). Es liegt in der Konzeption des Bundesbaugesetzes, daß Fragen der Agrarstruktur, soweit bauliche Anlagen auf sie einwirken, auch als maßgebliche Ordnungsvorstellungen im Rahmen des § 35 BBauG in Betracht zu ziehen sind.
Erkennt man aber die Wahrung der Agrarstruktur als ein im Rahmen des § 35 Abs. 2 BBauG zu berücksichtigenden öffentlichen Belang an, so sind auch im Außenbereich bauliche Vorhaben unzulässig, die eine erhaltenswürdige agrarstrukturelle Konzeption - mag sie nun traditionell gewachsen oder durch besondere Maßnahmen geschaffen sein - beeinträchtigen.