Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 08.11.1973 - V C 19.72 = BVerwGE 44, 164= RdL 1974 S. 37= IKO 1974 S. 135= BayVBl. 1975 S. 51
Aktenzeichen | V C 19.72 | Entscheidung | Urteil | Datum | 08.11.1973 |
---|---|---|---|---|---|
Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = BVerwGE 44, 164 = RdL 1974 S. 37 = IKO 1974 S. 135 = BayVBl. 1975 S. 51 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Ein Teilnehmer am Flurbereinigungsverfahren ist nicht verpflichtet, seine nach § 21 Abs. 3 FlurbG erfolgte Bestellung zum Vorstandsmitglied anzunehmen. |
Aus den Gründen
Das angefochtene Urteil verletzt nicht Bundesrecht. Zutreffend ist das Flurbereinigungsgericht davon ausgegangen, daß eine Verpflichtung des Klägers, seine Bestellung zum stellvertretenden Vorstandsmitglied der Teilnehmergemeinschaft L. anzunehmen, aus einer bundesrechtlichen Vorschrift nicht hergeleitet werden kann. Der Beklagte meint ebenso wie der Oberbundesanwalt, eine solche Verpflichtung dem § 21 Abs. 3 FlurbG entnehmen zu können. Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Zwar berechtigt § 21 Abs. 3 FlurbG die Flurbereinigungsbehörde, Mitglieder des Vorstandes zu bestellen, wenn eine Wahl in dem zu diesem Zweck anberaumten Termin nicht zustande kommt und ein neuer Wahltermin keinen Erfolg verspricht. Daß diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben waren, nachdem in dem auf den 10. April 1968 anberaumten Wahltermin eine Wahl nicht zustande gekommen war und ein neuer Wahltermin angesichts der gegen die Durchführung des Flurbereinigungsverfahrens gerichteten Haltung der Mehrheit der Teilnehmer keinen Erfolg versprach, hat das Flurbereinigungsgericht überzeugend ausgeführt. Eine Pflicht zur Annahme der Bestellung wird jedoch durch § 21 Abs. 3 FlurbG nicht begründet. Er sagt ebenso wie die frühere Regelung des § 27 Abs. 2 RUO weder etwas darüber aus, ob der Betroffene der Bestellung nachkommen muß, noch nennt er umgekehrt Gründe, bei deren Vorliegen die Bestellung abgelehnt werden darf.
Sonstige Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes, die eine generelle Pflicht zur Übernahme von Ehrenämtern im Rahmen des Flurbereinigungsverfahren normieren, bestehen ebenfalls nicht. In § 2 Abs. 1 FlurbG ist lediglich bestimmt, daß die Flurbereinigung unter Mitwirkung der Gesamtheit der beteiligten Grundeigentümer durchgeführt wird. Die den Teilnehmern hierdurch auferlegte Pflicht zur Mitwirkung am Verfahren hat nicht zur Folge, daß ein Teilnehmer seine Bestellung zum Vorstandsmitglied hinnehmen muß und nur bei Vorliegen sachgerechter Gründe ablehnen darf. Die Mitwirkungspflicht gebietet dem einzelnen Teilnehmer nur, im Rahmen der für alle geltenden Pflicht zu sachgerechter Mitwirkung im Rahmen seiner Möglichkeiten zu einem erfolgreichen Abschluß des Verfahrens beizutragen (vgl. hierzu BVerwG, Beschluß vom 28.10.1960 - BVerwG I B 99.60- (RdL 1961, 26); Beschluß vom 6.3.1961 - BVerwG I B 141.60 - (RdL 1961, 136)). Sie verlangt jedoch von ihm keine Leistungen persönlicher oder sachlicher Art, die über das Maß dessen hinausgehen, was auch die übrigen Teilnehmer erbringen müssen. Eine Verpflichtung des einzelnen Teilnehmers zur Übernahme des Amtes eines Vorstandsmitgliedes der Teilnehmergemeinschaft kann deshalb aus der durch § 2 Abs. 1 FlurbG begründeten allgemeinen Mitwirkungspflicht nicht hergeleitet werden.
Dies wird bestätigt durch die Regelung des § 21 Abs. 2 und 3 FlurbG, die gerade davon ausgeht, daß die Teilnahme am Flurbereinigungsverfahren keine Verpflichtung mit sich bringt, sich für die Wahl als Vorstandsmitglied zur Verfügung zu stellen oder eine Wahl anzunehmen.
Schließlich vermag der Senat nicht der Auffassung des Beklagten und des Oberbundesanwalts beizupflichten, die Regelung des § 21 Abs. 3 FlurbG impliziere eine Verpflichtung des Betroffenen, seine Bestellung als Vorstandsmitglied hinzunehmen. Es kann dahinstehen, ob eine solche Auslegung überhaupt mit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit vereinbar ist, demzufolge eine Vorschrift eindeutig erkennen lassen muß, welche Pflichten dem von ihr Betroffenen auferlegt werden. Sie kann schon deswegen nicht Platz greifen, weil die der Flurbereinigungsbehörde in den Fällen des § 21 Abs. 3 FlurbG eingeräumte Befugnis zur Bestellung von Vorstandsmitgliedern nicht notwendig ein Ablehnungsrecht des Bestellten ausschließt. Zutreffend weist das angefochtene Urteil darauf hin, daß die Teilnehmergemeinschaft nicht handlungsunfähig wird, wenn sich aus dem Kreis der Teilnehmer niemand zur Übernahme des Amtes eines Vorstandsmitgliedes bereit findet. Ebensowenig wie die Teilnehmergemeinschaft bei der Wahl ist die Flurbereinigungsbehörde bei der Bestellung von Vorstandsmitgliedern auf den Kreis der Teilnehmer beschränkt. Das Flurbereinigungsgesetz enthält keine Bestimmung darüber, wer Vorstandsmitglied einer Teilnehmergemeinschaft werden kann. Daraus folgt, daß wählbar außer den Teilnehmern auch Nebenbeteiligte und überhaupt nicht am Verfahren beteiligte Personen sind. Dasselbe trifft für die Bestellung nach § 21 Abs. 3 FlurbG zu. Es ist deshalb durchaus zulässig, bei Nichtzustandekommen einer Wahl und Ablehnung der Bestellung durch die betroffenen Teilnehmer etwa Landwirte aus anderen Gemeinden, landwirtschaftlich erfahrene Mitarbeiter bäuerlicher Organisationen oder als letzten Ausweg Angehörige der Landwirtschaftsverwaltung zu Mitgliedern des Vorstandes zu bestellen (vgl. hierzu auch Steuer, Komm. z. FlurbG, 2. Aufl., Anm. 2 zu § 21). Auf diesen Personenkreis muß auch die Flurbereinigungsdirektion zurückgreifen, falls sich unter den Teilnehmern der Flurbereinigung L. niemand zur Annahme des von dem Kläger abgelehnten Amtes eines stellvertretenden Vorstandsmitgliedes bereit findet. Den Interessen der Teilnehmer, den Vorstand mit Personen ihres Vertrauens zu besetzen, ist dadurch Rechnung getragen, daß die Versammlung der Teilnehmer jederzeit gemäß § 23 Abs. 1 FlurbG den durch die Behörde bestellten Vorstand abberufen und an seine Stelle gewählte Mitglieder setzen kann. Die Bildung des Vorstandes und damit das Tätigwerden der Teilnehmergemeinschaft kann jedenfalls nicht durch die Weigerung der Teilnehmer verhindert werden, der Bestellung als Vorstandsmitglieder nachzukommen.