Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 14.04.1966 - F III 96 - 134/64 = RdL 1966 S. 306
Aktenzeichen | F III 96 - 134/64 | Entscheidung | Urteil | Datum | 14.04.1966 |
---|---|---|---|---|---|
Gericht | Flurbereinigungsgericht Kassel | Veröffentlichungen | = RdL 1966 S. 306 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Begriffsbestimmung Bauerwartungsland - Industrieerwartungsland. |
Aus den Gründen
Das Flurbereinigungsgericht hat bereits mehrfach zu den damit im Zusammenhang stehenden Fragen Stellung genommen, soweit es sich um die Qualität von Grundstücken als Bauland oder als Bauerwartungsland handelt. Ob ein Grundstück einen über den landwirtschaftlichen Nutzungswert hinausgehenden Verkehrswert hat, hängt von den örtlichen Verhältnissen ab. Einen erhöhten Verkehrswert werden regelmäßig solche Grundstücke haben, die nach ihrer Lage, insbesondere innerhalb einer Ortschaft, wahrscheinlich in absehbarer Zeit bebaut werden. Je nach dem Grad der Baureife ist dabei baureifes Land oder Rohbauland und Bauerwartungsland zu unterscheiden. Baureifes Land ist nach seinen tatsächlich erkennbaren Merkmalen festzustellen, z.B. nach seiner Erschließung für Wohn- und Industriezwecke, der Festsetzung von Baulinien, Anlagen von Straßen oder Errichtung von Bauten auf nächstgelegenen Grundstücken. Bei unerschlossenem Baugelände wird es darauf ankommen, ob für Grundstücke gleicher oder ähnlicher Art über den landwirtschaftlichen Nutzungswert hinausgehende Kaufpreise allgemein und nicht nur im einzelnen Falle gezahlt werden. Dabei müssen Spekulationsgesichtspunkte außer Betracht bleiben (vgl. dazu BVerwG., Urt. vom 9.6.1959, NJW 1959, 1649 = RdL 1959, 308).
Ferner müssen auch Nutzungsmöglichkeiten außer Betracht bleiben, deren Verwirklichung nicht in greifbarer Nähe liegt und die mithin den Verkehrswert nicht beeinflussen können (vgl. BGH, Urteil vom 25.9.1958, BGHZ Bd. 28, 160; Urteil vom 9.11.1959, RdL 1960, 49). Die Tatsache, daß ein Grundstück außerhalb der Bebauungsgrenze oder außerhalb eines durch einen Bauleitplan ausgewiesenen Gebietes liegt, besagt allerdings noch keineswegs, daß es in absehbarer Zeit nicht Bauland werden kann und daher nicht bereits heute einen entsprechenden Verkehrswert hat, wenn andere Umstände die Bejahung eines erhöhten Verkehrswertes notwendig erscheinen lassen. Die Planung ist zwar ein wesentliches Indiz, für sich allein aber noch nicht entscheidend. Auch Grundstücke außerhalb einer Baugebietsgrenze können jetzt einen entsprechenden Verkehrswert haben (vgl. BVerwG., Urt. v. 9.6.1959 a.a.O.). Dafür ist insbesondere die Lage des Grundstücks von entscheidender Bedeutung. Es müssen in diesen Fällen aber konkrete Umstände dafür sprechen. Die Ortsnähe eines Grundstücks reicht dafür allein nicht aus. Es empfiehlt sich auch, die Entwicklungstendenzen über Jahre hinaus zu verfolgen (vgl. Schütz-Frohberg, BBauG. 1960 zu § 93 Anm. 7). Als Bauerwartungsland muß daher solches Land angesehen werden, das in absehbarer Zeit Verwendung zur Bebauung finden wird. Diese künftige Zweckbestimmung muß, wenn nicht durch die Planung, dann aus äußeren Umständen erkennbar sein (vgl. OLG. Celle, Urt. v. 1.2.1963, RdL 1964, 50). Diese Grundsätze finden auf die Frage, ob der Altbesitz der Kläger als Industrieland oder als Industrieerwartungsland einen höheren Wert hat, entsprechende Anwendung.
Anmerkung:Unter absehbarer Zeit wird bei der Beurteilung eines Geländes als Bauerwartungsland ein Zeitraum bis zu etwa 6 Jahren verstanden (Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 19.5.1967 - 95 VII 66).