Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.05.1995 - 11 C 15.94 = BVerwGE 98, 230= RdL 1995 S. 207

Aktenzeichen 11 C 15.94 Entscheidung Urteil Datum 17.05.1995
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen BVerwGE 98, 230 = RdL 1995 S. 207  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Für die Beurteilung der rechtlichen Qualität von Grundstücken im Unternehmensverfahren ist maßgeblicher Zeitpunkt der Flurbereinigungsbeschluß.
2. Fischereirechte, die ein Teilnehmer während eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens nach der Besitzeinweisung an einem durch das Unternehmen auf seinen Einlagegrundstücken entstandenen Gewässer begründet hat, sind ihm und nicht dem Unternehmensträger zuzuordnen. Es ist nicht Aufgabe der Flurbereinigung, die zivilrechtliche wirksame Bestellung von Fischereirechten zu korrigieren.
3. Die Regelung in § 68 Abs. 1 Satz 2 FlurbG für örtlich gebundene öffentliche Lasten gilt über den Gesetzeswortlaut hinaus im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG auch für örtlich gebundene privatrechtliche Lasten.

Aus den Gründen

Die Revision des Beigeladenen zu 1 ist zulässig und begründet. Das Flurbereinigungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist zwar zulässig, jedoch unbegründet; denn der vom Kläger angegriffene Widerspruchsbescheid vom 07.07.1992 in der Fassung des Bescheides vom 19.05.1993 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger demzufolge nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Spruchausschuß des Beklagten hat dem Widerspruch des Beigeladenen zu 1 zu Recht stattgegeben. Der Widerspruch war nämlich zulässig und begründet. Die Aufhebung der Fischereirechte des Beigeladenen zu 1 im Flurbereinigungsplan war rechtswidrig und verletzte den Begeladenen zu 1 in seinen Rechten. Für die Aufhebung dieser Fischereirechte im Flurbereinigungsverfahren gab es keine Rechtsgrundlage. Weder § 49 FlurbG, auf den sich die Beigeladene zu 2 im Flurbereinigungsplan gestützt hat, noch § 44 FlurbG, wie das Flurbereinigungsgericht gemeint hat, stellen eine Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung der fraglichen Fischereirechte dar.

Das Fischereirecht mit dem Rechtsinhalt, den das Flurbereinigungsgericht ihm beigemessen hat, ist kein Grundstück im Sinne des § 44 FlurbG. Hierzu gehören nach Wortsinn, Regelungszusammenhang und Zweck dieser Vorschrift nur räumlich abgegrenzte Teile der Erdoberfläche ("Land"), nicht aber Rechte (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.05.1985 - BVerwG 5 C 38.82 - <Buchholz 424.01 § 41 FlurbG Nr. 4 S. 8>). Daran ändert auch nichts, daß das bayerische Landesrecht in Art. 9 Abs. 1 des Fischereigesetzes für Bayern vom 15.08.1908 (GVBl. S. 527) für selbständige Fischereirechte die Geltung der sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften anordnet. Denn der Regelungsgehalt des dem Bundesrecht angehörenden § 44 FlurbG kann im Hinblick auf Art. 72 Abs. 1 GG durch das Landesrecht nicht erweitert werden. Abgesehen davon wurden schon nach bayerischem Landesrecht die selbständigen Fischereirechte durch die Flurbereinigung in der Regel nicht berührt und insbesondere nicht als Einlagegrundstücke behandelt (vgl. Art. 17 Abs. 1 Halbs. 2, Art. 20 Abs. 1 des bayerischen Flurbereinigungsgesetzes i. d. F. vom 11.02.1932 <GVBl. S. 73>).

Auch eine Anwendung des § 49 Abs. 1 Satz 1 FlurbG auf Fischereirechte (vgl. BVerwG, Beschluß vom 22.01.1980 - BVerwG 5 B 28.78 - <Buchholz 424.01 § 37 FlurbG Nr. 15 S. 5>) könnte der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Denn jedenfalls sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 49 Abs. 1 Satz 1 FlurbG für eine Aufhebung der Fischereirechte des Beigeladenen zu 1 nicht gegeben. Der Zweck der Flurbereinigung erfordert die Aufhebung dieser Rechte nicht.

Der Zweck der Flurbereinigung ergibt sich im vorliegenden Fall aus dem Flurbereinigungsbeschluß vom 29.01.1975. Er bestand zum einen in der Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung und der allgemeinen Landeskultur gemäß § 1 und § 4 FlurbG, zum anderen in der Beseitigung der durch den Bau des F.-Speichers entstehenden Nachteile für die allgemeine Landeskultur und in der Verteilung des den Betroffenen entstehenden Landverlustes auf einen größeren Kreis von Eigentümern gemäß § 87 FlurbG. Diese Zwecke werden als solche. durch ein Fortbestehen der Fischereirechte des Beigeladenen zu 1 nicht beeinträchtigt. Insbesondere ist durch den Bau des F.-Speichers kein zu verteilender Landverlust eingetreten, da die für dieses Unternehmen benötigten Flächen vollständig durch freihändigen Landerwerb aufgebracht wurden.

Fraglich könnte nur sein, ob der für das Flurbereinigungsverfahren auch im Falle des § 87 FlurbG geltende Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Gestaltung der Abfindung die Aufhebung der Fischereirechte rechtfertigt. Dies wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn anders dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht genügt würde (vgl. BVerwGE 40, 143 <146>). Davon ist hier jedoch nicht auszugehen. Ob der Kläger, der zugleich Träger des Unternehmens ist und bei dem deshalb unternehmensbedingte Nachteile seiner Abfindung - z. B. die Überflutung wertvollen Ackerlands - durch entsprechende Vorteile für das Unternehmen ausgeglichen werden, wertgleich abgefunden und damit wirtschaftlich mit den übrigen, für nicht zu behebende unternehmensbedingte Nachteile gemäß § 88 Nr. 5 FlurbG zu entschädigenden Teilnehmern gleichbehandelt wurde, hängt nicht von der fischereirechtlichen Ordnung im Bereich des von den Fischereirechten des Beigeladenen zu 1 betroffenen Grundstücks ab. Denn die Möglichkeit fischereilicher Nutzung der entsprechenden Flächen wurde bei der der Bemessung der Landabfindung zugrunde gelegten Wertermittlung ausweislich der im angefochtenen Urteil in Bezug genommenen Behördenakten weder zugunsten noch zu Lasten eines Teilnehmers berücksichtigt. Das entsprach auch dem bei der Bemessung der Abfindung gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 FlurbG zugrunde zu legenden Wertermittlungsgrundsatz des § 28 Abs. 1 FlurbG. Dieser war hier anzuwenden, da die entsprechenden Flächen in dem für die Beurteilung ihrer rechtlichen Qualität maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung der Flurbereinigung (vgl. Seehusen/Schwede, FlurbG, 6. Aufl. 1992, § 88 RdNr. 29) landwirtschaftlich bzw. forstwirtschaftlich genutzt wurden.

Fischereilichen Nutzen konnten diese Flächen bei gemeinüblicher ordnungsgemäßer Bewirtschaftung nicht jedem Besitzer gewähren. Vielmehr hing diese Art der Nutzbarkeit ausschließlich davon ab, daß gerade der Kläger durch Übertragung des Besitzes die Möglichkeit erhielt, die Flächen mit dem durch die Talsperre entstehenden Gewässer zu bedecken.

War hiernach der Widerspruch des Beigeladenen zu 1 gegen die Aufhebung der betreffenden Fischereirechte begründet, so ist auch die Entscheidung des Spruchausschusses, diese Rechte im bisherigen Umfang und in der bisherigen örtlichen Lage im Flurbereinigungsplan zu beschreiben, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar gehen gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG die Belastungen der Einlagegrundstücke grundsätzlich auf die Abfindungsgrundstücke über. Anderes gilt jedoch gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 FlurbG bei örtlich gebundenen Lasten, die auf den alten Grundstücken ruhen, und zwar im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG über den Wortlaut des Gesetzes hinaus nicht nur bei öffentlichen, sondern auch bei privatrechtlichen Lasten. Kann eine solche örtlich gebundene privatrechtliche Belastung nicht ohne Wegfall ihrer Substanz auf die für das belastete Grundstück ausgewiesenen Abfindungsgrundstücke übergehen, so muß sie durch den Flurbereinigungsplan auf das ursprünglich belastete Grundstück übertragen werden (vgl. Seehusen/Schwede, a.a.O., § 68 RdNr. 20). Eine dingliche Surrogation hinsichtlich der Fischereirechte scheitert folglich daran, daß die Abfindungsgrundstücke des Beigeladenen zu 1 keine "Gewässer-", sondern reine "Landgrundstücke" sind, so daß dort Fischereirechte nicht bestehen können. Sie gehen deshalb entsprechend § 68 Abs. 1 Satz 2 FlurbG auf das in der örtlichen Lage der von ihnen betroffenen Einlagegrundstücke ausgewiesene neue Grundstück über und sind im Flurbereinigungsplan deklaratorisch, also ohne Veränderung ihres Inhalts und Umfangs, zu beschreiben. Einer Entschädigung für den Kläger, zu dessen Landabfindung dieses Grundstück gehört, bedarf es für diese Belastung nicht; denn die Möglichkeit fischereilicher Nutzung der betreffenden Flächen wurde - wie dargelegt - bei der Bemessung der Abfindung zu Recht nicht werterhöhend in Ansatz gebracht, so daß auch eine Beschränkung dieser Möglichkeit nicht als auszugleichende Wertminderung angesetzt werden kann.

Daß das Flurbereinigungsrecht hiernach nicht dazu dienen kann, die zivilrechtlich wirksame Bestellung selbständiger Fischereirechte an einem aufgrund vorläufiger Anordnungen nach § 36 FlurbG aufgestauten Gewässer im Ergebnis zu korrigieren, verstößt schließlich auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Es ist aus der Sicht des Flurbereinigungsrechts weder unredlich noch schlechthin untragbar, wenn der Beigeladene zu 1 in der privatrechtlichen Rechtsstellung verbleibt, deren Erwerb ihm der Kläger selbst dadurch ermöglicht hat, daß er auf Grundstücken, die ihm noch nicht gehörten, sondern erst vorläufig zum Besitz zugewiesen waren, ohne dingliche oder vertragliche Absicherung bereits ein zur Begründung von Fischereirechten durch den Grundstückseigentümer geeignetes Gewässer geschaffen hat.