Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.01.1975 - V B 98.72 = Buchholz FlurbG § 28 Nr. 3= RdL 1975 S. 127

Aktenzeichen V B 98.72 Entscheidung Beschluss Datum 22.01.1975
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen = Buchholz FlurbG § 28 Nr. 3 = RdL 1975 S. 127  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Heranziehung der Ergebnisse einer Schätzung nach dem Bodenschätzungsgesetz für das Bewertungsverfahren (§ 27 ff. FlurbG) ist unbedenklich, wenn die Feststellung in einem einheitlich geregelten Verfahren erfolgt und dabei von den natürlichen Ertragsbedingungen des Bodens und seiner Lage ausgegangen wird.
2. Wird unter Zugrundelegung dieses gesetzlich vorgesehenen Schätzungsrahmens die produktionstechnische und betriebswirtschaftliche Leistungsfähigkeit der verschiedenartigen Böden des Verfahrensgebiets durch entsprechende Zu- und Abschläge bei der Einschätzung berücksichtigt, dann genügt die Schätzung rechtsstaatlichen Anforderungen.
3. Da die Schätzung der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke nach § 27 bis § 33 FlurbG der Ermittlung des landwirtschaftlichen Nutzungswertes der einzelnen Grundstücke dient, die nach § 44 Abs. 1 FlurbG erforderliche Anspruchsberechnung dagegen die Feststellung des Gesamttauschwertes von Einlage und Abfindungen bezweckt, ergibt sich aus der Anwendung dieser Vorschriften keine mit den Zielen der Flurbereinigung unvereinbare Interessenlage.

Aus den Gründen

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Die Rechtssache kommt wegen der Frage, ob und inwieweit im Bewertungsverfahren nach § 27 ff. FlurbG die Ergebnisse nach dem Bodenschätzungsgesetz vom 16.10.1934 (RGBl. l S. 1050) herangezogen werden dürfen, keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). In § 28 Abs. 1 Satz 2 FlurbG ist ausdrücklich bestimmt, daß bei der landwirtschaftlichen Nutzwertermittlung die Ergebnisse einer nach dem Bodenschätzungsgesetz durchgeführten Bewertung zugrunde zu legen sind, wobei Abweichungen für zulässig erachtet werden. Die Heranziehung der Schätzungsergebnisse einer Schätzung nach dem Bodenschätzungsgesetz kann danach für das Bewertungsverfahren nicht fraglich sein. Wenn dabei, wie das Flurbereinigungsgericht festgestellt hat, von den natürlichen Ertragsbedingungen des Bodens und seiner Lage ausgegangen wird, die in einem einheitlich geregelten Verfahren festgestellt werden, dann ist ein Verstoß gegen die anerkannten Grundsätze der Wertermittlung von Grundstücken - auf deren Einhaltung nicht verzichtet werden kann (vgl. BVerwGE 8, 343 <350>) - nicht ersichtlich. Ob und inwieweit das Bodenschätzungsgesetz bei der landwirtschaftlichen Nutzwertermittlung zutreffend Anwendung gefunden hat, inwieweit Abweichungen hiervon zulässig oder gar geboten sind, ist von den örtlichen Verhältnissen der Grundstücke im jeweiligen Flurbereinigungsgebiet abhängig und deshalb der Prüfung im konkreten Fall unterworfen. Die mögliche Relevanz im konkreten Fall verhilft der vorliegenden Sache nicht zu einer die Zulassung der Revision rechtfertigenden grundsätzlichen Bedeutung. Inwieweit über die natürlichen Ertragsbedingungen des Bodens und die topographische Lage hinaus betriebswirtschaftliche und örtliche Verhältnisse beim Bewertungsverfahren eine besondere Berücksichtigung erfordern, ist gleichfalls von den besonderen örtlichen Gegebenheiten des jeweiligen Flurbereinigungsgebietes abhängig und deshalb einer grundsätzlichen und für eine Mehrzahl von Verfahren verbindlichen Aussage entzogen.

Im übrigen haben die für das Bewertungsverfahren bedeutsamen Fragen durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine hinreichende Klärung erfahren, die für den vorliegenden Fall keiner Vertiefung bedarf. Danach ist der Wert landwirtschaftlich genutzter Grundstücke regelmäßig nach dem Nutzen zu bestimmen, den sie - auf den Zeitpunkt der Schätzung bezogen - bei gemeinüblicher ordnungsmäßiger Bewirtschaftung jedem Besitzer nachhaltig gewähren können (Beschluß vom 31.07.1970 - BVerwG IV B 188.68 <RdL 1971, 41>). Die auf der Grundlage des Nutzungswertes vorzunehmende Ermittlung des Wertverhältnisses erfordert die Feststellung der Beschaffenheit der im Verfahrensgebiet vorhandenen Böden und die Festlegung des Wertes der jeweiligen Böden. Das Ergebnis dieser Prüfung und die generelle Festlegung für das gesamte Verfahrensgebiet werden im Schätzungsrahmen niedergelegt, der als Ordnungssystem für die Eingliederung der im Verfahrensgebiet vorgefundenen Böden mit annähernd gleicher Nutzungsfähigkeit in die entsprechenden Gruppen dient (Urteil vom 23.08.1962 - BVerwG l C 130.56 <RdL 1963, 107>). Durch den Schätzungsrahmen und die konkret angewandte Schätzungsmethode können die im Boden selbst liegenden Ertragsbedingungen und damit die generellen Fruchtbarkeitsfaktoren Berücksichtigung finden. Wie bereits betont, kann eine nach dem Bodenschätzungsgesetz vorgenommene landwirtschaftliche Nutzwertermittlung schon deswegen nicht als unzulänglich angesehen werden, weil dies der im § 28 Abs. 1 Satz 2 FlurbG niedergelegten Regelung widersprechen würde. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn dabei die eine oder andere nicht zu vernachlässigende wirtschaftliche Ertragsbedingung nicht erfaßt worden sein sollte, weil diesem Umstand durch entsprechende Ergänzung des Rahmens abgeholfen werden kann. Ob daneben eine in Ertragsmaßzahlen ausgedrückte Vergleichsschätzung vorgenommen wird oder unter Zugrundelegung der Ergebnisse der Bewertung nach dem Bodenschätzungsgesetz etwa für erforderlich gehaltene Zu- und Abschläge gemacht werden, ist dann unerheblich, wenn durch die nach dem Schätzungsrahmen durchgeführte Schätzungsmethode alle Beteiligten in gleicher Weise erfaßt werden und somit für einzelne Betroffene keine besonderen Nachteile entstehen. Wenn sonach - wie im vorliegenden Falle - durch das Flurbereinigungsgericht aufgrund der vorgenommenen Ortsbesichtigung und der Begutachtung durch die hinzugezogenen Sachverständigen eine spezielle Überprüfung der durch Zu- und Abschläge angepaßten Ergebnisse der Bewertung nach dem Bodenschätzungsgesetz stattgefunden hat, dann kann sich die als bedeutsam aufgeworfene Frage, ob die Ergebnisse der Feststellungen nach dem Schätzungsrahmen des Bodenschätzungsgesetzes für die Entscheidung über die Gleichwertigkeit grundsätzlich ungeeignet oder unbrauchbar seien, nicht stellen (vgl. Beschluß vom 14.08.1970 - BVerwG IV B 183.68 <RdL 1971, 70>). Wurden, wie die Überprüfung des Bewertungsverfahrens durch das Flurbereinigungsgericht ergeben hat, der gesetzlich vorgesehene Schätzungsrahmen zugrunde gelegt und die produktionstechnische und betriebswirtschaftliche Leistungsfähigkeit der verschiedenartigen Böden des Verfahrensgebietes durch entsprechende Zu- und Abschläge bei der Einschätzung berücksichtigt, dann genügt die Schätzung rechtsstaatlichen Anforderungen (Beschluß vom 10.08.1961 - BVerwG l CB 133.60).

Die weiter aufgeworfene Frage, ob die natürlichen Ertragsbedingungen, die in der Schätzung nach dem Bodenschätzungsgesetz nicht enthalten sind, in die Flurbereinigungsschätzung nach § 28 FlurbG gehören oder nach § 44 FlurbG zu berücksichtigen sind, bedarf nach den vorangestellten Erkenntnissen ebenfalls keiner Klärung mehr, weil die durch den Schätzungsrahmen des Bodenschätzungsgesetzes nicht erfaßbaren Ertragsbedingungen durch zulässige Abweichungen mitbewertet werden können. Irgendeine Konkurrenz zwischen den § 28 und § 44 FlurbG besteht insoweit nicht, weil alle wesentlichen Faktoren, die bei der Feststellung des Wertes eines Grundstücks von Bedeutung sind und in einem förmlichen Schätzungsverfahren ermittelt werden können, möglichst im Rahmen der Schätzung zu berücksichtigen sind (Urteil vom 23.06.1959 - BVerwG l C 78.58 und Beschlüsse vom 30.09.1960 - BVerwG l B 90.60 und vom 31.08.1965 - BVerwG IV B 53.65). Im Rahmen der Prüfung darüber, ob ein Teilnehmer wertgleich abgefunden ist, kommt es entscheidend darauf an, daß durch die im Rahmen der Schätzung vorgenommenen Zu- und Abschläge die Wertverschiebungen der einzelnen Bodenarten erfaßt werden und die Auswirkungen auf den Wirtschaftserfolg hinreichend Berücksichtigung finden (Urteil vom 26.03.1962 - BVerwG l C 24.61).