Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 05.10.1972 - 136 XIII 70 = AgrarR 1972 S. 503

Aktenzeichen 136 XIII 70 Entscheidung Urteil Datum 05.10.1972
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen AgrarR 1972 S. 503  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Erstellung eines Zonenplanes ist weder für die Schätzung noch für die Abfindung erforderlich.
2. Die Vernehmung von Zeugen zur Beschaffung neuer, bisher nicht bekannter Tatsachen (sog. Ausforschungsbeweis) ist unzulässig.
3. Einwände gegen Planierungen, welche nach der Feststellung der Schätzungsergebnisse durchgeführt wurden, können nicht im Rahmen der Schätzungsbeschwerde geltend gemacht werden. Sie stellen einen Angriff auf den Flurbereinigungsplan dar.
4. Zur Änderung des Acker-Grünlandverhältnisses.
5. Die Lage eines Abfindungsgrundstücks im Bereich einer Wasserschutzzone bedeutet keine nennenswerte Wertminderung.
6. Zur Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen nach § 51 FlurbG.

Aus den Gründen

Zwar ist im Vorstandsbeschluß vom 10.04.1962 die Aufstellung eines sogenannten Zonenplans als Projektshilfe beschlossen worden. Doch kann nicht gerügt werden, daß es dazu nicht kam. Denn im Bewertungsverfahren bedarf es einer solchen Ausarbeitung nicht (§ 28 Abs. 1 Satz 1 FlurbG). Auch für die Ausweisung der Landabfindung ist - wie noch später darzulegen sein wird - ein Zonenplan im Gegensatz zum früheren bayerischen Flurbereinigungsrecht nicht erforderlich, um die Wertgleichheit der Abfindung nachzuweisen.

Dem Gericht liegt die Schätzungskarte vor, auf welche sich die Feststellung vom 06.06.1967 bezieht. Diese besteht aus acht Teilen. Sie enthält die Ergebnisse der Einzelschätzungen und die zusammengezogenen Bodenwertzahlen mit Angabe der Abschläge. Bei genauer Überprüfung ergaben sich keine Unstimmigkeiten, auch nicht in Bezug auf die Beschwerdekarte (obgleich das unerheblich wäre). Aus der Bestätigung der Gemeinde W. vom 02.07.1967 geht hervor, daß die Schätzungskarte - 8 Teile - vom 15. bis 30.06.1967 in der Gemeindekanzlei aufgelegen ist. Die klägerische Behauptung, die dem Gericht vorliegende Schätzungskarte stimme nicht mit der seinerzeit ausgelegten Karte überein, ist - da offensichtlich nicht zwei Ausfertigungen vorhanden sind - urkundlich widerlegt. Überdies gab der Kläger die angeblich bestehenden Abweichungen nicht an, so daß sein in der mündlichen Verhandlung gestellter Antrag auf Einvernahme des Schätzers E. W. und des A. V. zu diesem Punkt als sogenannter Ausforschungsbeweis unzulässig ist (vgl. Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, Anmerkung 2 zu § 282).

Soweit der Kläger sich mit der Behauptung, Planierungen hätten sich nachteilig auf seine Abfindungsflurstücke 376, 490 und 620 ausgewirkt, gegen die Schätzwertfeststellung wendet, kann darauf hier nicht sachlich eingegangen werden. Denn eine solche nach der Schätzwertfeststellung durchgeführte Maßnahme stellt ausschließlich einen Angriff auf den Flurbereinigungsplan dar. Weder behauptet worden noch ersichtlich ist, daß die Bodenwerte der im neuen Flurstück 376 liegenden Einlagengrundstücke vor der Einebnung fehlerhaft waren. Bezüglich der erwähnten anderen Zuteilungen ist noch festzustellen:

Die klägerische Rüge, das Acker-Wiesen-Verhältnis der Abfindung entspreche nicht dem der Einlage, geht fehl. Verkannt wird, daß nach § 44 Abs. 4 FlurbG die Landabfindung eines Teilnehmers u. a. in der Nutzungsart und Beschaffenheit seinen alten Grundstücken gleichkommen soll, soweit es mit einer großzügigen Zusammenlegung des Grundbesitzes nach neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen vereinbar ist. Demnach hängen Abweichungen vom alten Stand wesentlich vom Grad der Zusammenlegung ab. Da der Kläger - wie bereits erwähnt - mit seinem Land gesetzmäßig zusammengelegt wurde, kann er nicht verlangen, genau die gleiche, in die Flurbereinigung eingebrachte Wiesenfläche wieder zu erhalten.

Unhaltbar ist der Vorwurf des Klägers, die Entfernungsverhältnisse der Abfindung entsprächen nicht denen der Einlage. Das wurde bei der gerichtlichen Ortsbesichtigung festgestellt. Der Kläger verkennt völlig, daß seine 61 über die Ortsflur verstreuten Einlagengrundstücke im teils hängigen Gelände wegemäßig nicht oder nur schlecht erschlossen waren. Die Abfindungsgrundstücke andererseits ziehen aus zweckmäßig ausgebauten Wegen großen Nutzen. Es bedarf keiner besonderen Ausarbeitung, um das an Hand der Neuverteilungskarte oder in der Natur zu erkennen. Der früher in Bayern übliche sogenannte Zonenplan hat unter der Geltung des neuen Flurbereinigungsrechts seine Berechtigung verloren, zumal § 44 Abs. 4 FlurbG entfernungsmäßige Veränderungen zugunsten einer großzügigen Zusammenlegung zuläßt. Soweit er in alter Form, aber lediglich noch als Projektshilfe oder für Beschwerdefälle erstellt wird, ist seine Verwendung höchst problematisch. Denn einmal kommt es heute nicht wie noch vor etwa zwei Jahrzehnten auf die metrische Entfernung an; bei der derzeitigen Motorisierung der Landwirtschaft spielen auch Umwege - einen guten Ausbauzustand und eine zweckmäßige Linienführung angemessen breiter Wege vorausgesetzt - keine ausschlaggebende Rolle mehr. Zudem kann nicht - wie beim sogenannten Zonenplan üblich - allein von der neuen Situation ausgehend das alte Wegenetz außer Betracht gelassen werden. Es wird nämlich, wie die von der beklagten Teilnehmergemeinschaft ausgearbeitete und dem Gericht vorliegende, als Zonenplan bezeichnete Karte für das Flurbereinigungsverfahren W. zeigt, nur das entfernungsmäßige Verhältnis der alten sowie neuen Grundstücke in Bezug auf die neuen Wege nachgewiesen und durch Ausweisung von Zonen festgelegt. Die für den klägerischen Besitzstand auf solcher Grundlage ermittelten Ergebnisse (Bl. 56/57 des Beschwerdeakts) haben deshalb keinen Beweiswert bei der Prüfung hinsichtlich § 44 Abs. 4 FlurbG. Aus diesem Grund kommt es auch auf die vom Kläger aufgeworfene Frage der Zonentoleranz nicht an. Hingewiesen werden soll jedoch darauf, daß insoweit kein Widerspruch mit der neueren Literatur ersichtlich ist (vgl. Prof. Dr. Gamperl: Ländliche Neuordnung, Band IV b des Handbuchs der Vermessungskunde Seiten 175 f., 377 ff. sowie 461 und das dort aufgeführte Schrifttum).

Nach der Verordnung des Landkreises M. vom 29.5.1970 fällt das Flurstück 620 in die engere Schutzzone einer Wasserversorgungsanlage auf Flurstück 626. Dieser Bereich unterliegt gemäß § 5 der genannten Kreisverordnung bestimmten Beschränkungen; verboten sind Handlungen, die sich nachteilig auf die Reinheit des Grundwassers auswirken können (z.B. Errichtung baulicher Anlagen, dauerndes Abstellen von Kraftfahrzeugen, Veränderung der Oberfläche, Lagern grundwassergefährdender Stoffe, Verwendung von amtlich nicht anerkannten chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln und natürliche sowie mineralische Düngung insoweit, als der Dungstoff nach der Anfuhr nicht sofort ausgebreitet und die verteilten Stoffe oberirdisch in den Quellfassungsbereich abgeschwemmt werden können). Soweit behördliche Maßnahmen im Vollzug dieser Verordnung eine Enteignung darstellen, muß eine Entschädigung gewährt werden; im Streitfalle müßte der Zivilrechtsweg beschritten werden (vgl. Bundesverwaltungsgericht in DÖV 1972, 646 = DVBl. 1972, 803 und RdL 1972, 165). Deshalb und weil Nutzungsbeschränkungen der erwähnten Art nach der ständigen Rechtsprechung des Senats keine nennenswerte Wertminderungen des Grundstücks bewirken (vgl. unveröffentlichte Urteile vom 29.10.1965 Nr. 96 VII 64 und vom 18.11.1971 Nr. 2 VII A 70), entfällt die Notwendigkeit für einen besonderen Ausgleich.

Soweit der Kläger einen Ausgleich für vorübergehende Nachteile gemäß § 51 Abs. 1 FlurbG begehrt, kann darauf sachlich nicht eingegangen werden. Ein solcher öffentlich-rechtlicher Anspruch ist nicht Bestandteil der im Flurbereinigungsplan ausgewiesenen Abfindung (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 28.10.1960 in RdL 1961, 26). Er muß bei der hierfür allein zuständigen Teilnehmergemeinschaft geltend gemacht werden (vgl. Art. 3 BayAGFlurbG). Das unterließ der Kläger nach den Unterlagen des Flurbereinigungsverfahrens W. Zwar geht aus dem Gesetz selbst nicht hervor, daß ein ausdrücklicher Antrag gestellt werden muß. Doch ist ein solcher unerläßlich, weil die Teilnehmergemeinschaft von etwaigen ausgleichsberechtigten Nachteilen nicht stets Kenntnis hat oder haben kann. Es liegt im Interesse der Teilnehmer, zunächst im Verwaltungs- und Beschwerdeverfahren und notfalls durch das Flurbereinigungsgericht prüfen zu lassen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Ausgleich gegeben sind. Nur eine solche Anwendung des § 51 Abs. 1 FlurbG wird dem beschleunigten Ablauf der Flurbereinigung gerecht. Angenommen muß werden, daß Ausgleichsanträge regelmäßig baldmöglich gestellt werden. Das entspräche auch der Mitwirkungspflicht der an einem Flurbereinigungsverfahren Beteiligten (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.7.1959 in BVerwGE 9, 93). Die Behauptung der klägerischen Bevollmächtigten, ein Ausgleich sei bei jeder sich bietenden Möglichkeit gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden der beklagten Teilnehmergemeinschaft beantragt worden und dieser habe von der Aufnahme einer Niederschrift in gesetzwidriger Weise abgesehen, begegnet im Hinblick auf das ärztliche Gutachten des Dr. G. vom 4.3.1972 erheblichen Zweifeln. Denn nach diesem war der Kläger seit seiner zweiten Hirnembolie am 12.7.1965 stark sprachgestört und seit deren Wiederholung am 11.9.1969 im wesentlichen sprachlos. Wegen der Frist in § 76 VwGO - Klageerhebung innerhalb eines Jahres bei unterbliebener Antragsbescheidung - hätte überdies der genaue Tag angegeben werden müssen, an dem der Ausgleichsanspruch gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden angeblich erhoben worden war. Nur dann wären nämlich nach einer etwaigen Beweiserhebung Feststellungen über die Einhaltung dieser Anschlußfrist möglich gewesen.

Bei dieser Sachlage bleibt dem Kläger vorbehalten, sich auch heute noch an die beklagte Teilnehmergemeinschaft zu wenden und die Gewährung eines Ausgleichs im Sinne des § 51 Abs. 1 FlurbG für zeitlich befristete Nachteile durch Planierungen, Bodenablagerungen oder sonstige Flurbereinigungsmaßnahmen und für die Wiesenansaat zu beantragen. Sollte über diesen Antrag nicht entschieden werden, so kann nach Maßgabe der §§ 75 und 76 VwGO das Gericht angerufen werden.