Flurbereinigungsgericht Lüneburg, Urteil vom 18.08.2015 - 15 KF 1/14 = Entscheidungsdatenbank der Niedersächsischen Rechtsprechung: www.rechtsprechung.niedersachsen.de= RdL 2016, S. 16 ff.= LSK 2016, 020197 (Leitsatz) (Lieferung 2017)
Aktenzeichen | 15 KF 1/14 | Entscheidung | Urteil | Datum | 18.08.2015 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Lüneburg | Veröffentlichungen | = Entscheidungsdatenbank der Niedersächsischen Rechtsprechung: www.rechtsprechung.niedersachsen.de = RdL 2016, S. 16 ff. = LSK 2016, 020197 (Leitsatz) | Lieferung | 2017 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Auch in einem vereinfachten Flurbereinigungsverfahren bedarf es grundsätzlich einer Wertermittlung. |
2. | Es gibt auch keine Rechtsgrundlage, um an Stelle einer Wertermittlung nach §§ 27 ff. FlurbG nach Wahl der Flurbereinigungsbehörde oder der Teilnehmergemeinschaft einen reinen Flächenmaßstab - wie hier erfolgt - anzuwenden. |
3. | Zu den Voraussetzungen für die Höherbewertung einer Fläche - als begünstigtes Agrarland - im Hinblick auf die beabsichtigte Errichtung einer Windenergieanlage. |
Aus den Gründen
1. Die Rechtswidrigkeit des Flurbereinigungsplans, soweit er die Abfindung des Klägers betrifft, ergibt sich hier schon daraus, dass ohne notwendige Rechtsgrundlage auf eine Wertermittlung nach den §§ 27 ff. FlurbG verzichtet worden ist und ohne eine solche Wertermittlung die Wertgleichheit der Abfindung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG als oberster Grundsatz der Flurbereinigung (vgl. Senatsurteil v. 17.12.2013 - 15 KF 10/12 -, RdL 2014, 239 ff.; AUR 2014, 470 ff.; juris, Rn. 22, m. w. N.) nicht festgestellt werden kann.
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a) Es gibt auch keine Rechtsgrundlage, um an Stelle einer solchen Wertermittlung nach Wahl der Flurbereinigungsbehörde oder der Teilnehmergemeinschaft einen reinen Flächenmaßstab - wie hier erfolgt - anzuwenden.
Denn für die vereinfachte Flurbereinigung bestehen zwar Sondervorschriften. Wie sich dem Wortlaut des § 86 Abs. 2 Nr. 4 FlurbG entnehmen lässt, ist eine Abweichung allerdings nur hinsichtlich des Zeitpunktes der Bekanntgabe der Ergebnisse der Wertermittlung (§ 32) zulässig, nicht aber der vollständige Verzicht auf eine solche Ermittlung. Die Systematik des FlurbG, d.h. der Vergleich mit den Sonderregelungen für die Wertermittlung in § 96 im beschleunigten Zusammenlegungsverfahren sowie in § 103b Abs. 2 für den freiwilligen Landtausch, unterstreicht dieses Verständnis. Denn nur in der letztgenannten Verfahrensart werden die Vorschriften der §§ 27 ff. für nicht anwendbar erklärt und in der erstgenannten eine Ermittlung in "einfacher Weise" vorgegeben. Wenn danach "in gleichartigen, ebenen Gebieten ein Grundstückstausch nur nach Fläche" (vgl. Wingerter/Mayr, FlurbG, 9. Aufl., § 96, Rn. 1) möglich sein soll, so bildet diese Annahme aber auch die Grenze, und zwar schon für die beschleunigte Zusammenlegung. Weder ist ein solcher "Flächenmaßstab" in anderen Verfahrensarten - wie hier der vereinfachten Flurbereinigung - ohne entsprechende Ermächtigung zulässig noch allgemein in Gebieten - wie hier - mit sehr unterschiedlichen Einlageflächen von Sumpf, Straßen- bis hin zu Ackerland. Denn ersichtlich widerspricht es dem Sinn und Zweck der wertgleichen Abfindung, nach dem vom Beklagten gewählten Flächenmaßstab etwa für eine Einlage von 1 ha Sumpf eine Abfindung mit 1 ha Acker oder umgekehrt als wertgleich anzusehen. Hierauf baut zudem die Ermittlung des Wertes einer Mehr- oder Minderabfindung auf. Ein einseitiger behördlicher Verzicht auf eine Wertermittlung nach den §§ 27 ff. FlurbG ist daher in der vereinfachten Flurbereinigung, auch durch Beschluss der Teilnehmergemeinschaft, nicht möglich.
b) Dies wäre allenfalls einvernehmlich durch eine Abfindungsvereinbarung möglich, soweit man eine solche überhaupt ohne Bindung an den Grundsatz der wertgleichen Abfindung für zulässig erachtet (vgl. Wingerter/Mayr, a. a. O., Vorb. § 44, Rn. 4 f.). Eine solche Vereinbarung (vgl. Senatsurt. v. 18.2.2014 - 15 KF 33/11 - S. 12; Senatsbeschl. v. 6.7. 2010 - 15 KF 25/09 -, juris, Rn. 9, m. w. N.) ist jedoch im vereinfachten Flurbereinigungsverfahren mit dem Kläger nicht geschlossen worden - wie sich aus den wiederholten vergeblichen Bemühungen des Funktionsvorgängers des Beklagten zeigt, den Kläger zum Abschluss einer solchen (Plan-)Vereinbarung zu bewegen.
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c) Das Flurbereinigungsgericht ist nach dem in § 144 Satz 1 Alt. 1 FlurbG enthaltenen Gebot der Verfahrensbeschleunigung zwar grundsätzlich gehalten, selbst den Flurbereinigungsplan zu ändern, darf davon aber nach § 144 Satz 1 Alt. 2 FlurbG absehen, wenn es wegen der Schwierigkeit der Änderung den Mangel in Anbetracht seiner Arbeitsmöglichkeiten nicht beheben kann (vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 10.5.2007 - 10 B 71/06 -, RdL 2007, 274 f.; NL-BzAR 2007, 417; juris, Rn. 4 <= RzF - 21 - zu § 144 FlurbG>; Beschl. v. 19.2.1998, a. a. O., Rn. 4, m. w. N.; Senatsurt. v. 25.2.2015 - 15 KF 5/11 -, a. a. O., juris, Rn. 49 f.). Da der Senat die unterbliebene notwendige Wertermittlung nicht im Rahmen seiner Möglichkeiten, etwa durch Aufstellung eines eigenen Wertermittlungsrahmens, an Stelle der Flurbereinigungsbehörde beheben kann, macht er von der genannten Befugnis nach § 144 Satz 1 Alt. 2 FlurbG Gebrauch.
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Eine solche Höherbewertung käme allenfalls unter dem Gesichtspunkt des sog. begünstigten Agrarlandes in Betracht (zum Folgenden Senatsurt. v. 17.12.2013 - 15 KF 10/12 -, juris , unter Bezug auf das Senatsurt. v. 25.4.2013 - 15 KF 12/08 -, RdL 2013, 217 ff., juris, Rn. 58, m. w. N.). Darunter sind im Gegensatz zum sog. reinen Agrarland diejenigen land- oder forstwirtschaftlich genutzten oder nutzbaren Flächen zu verstehen, die sich, insbesondere durch ihre landschaftliche oder verkehrliche Lage, durch ihre Funktion oder durch ihre Nähe zu Siedlungsgebieten geprägt, auch für andere Nutzungen eignen, sofern im gewöhnlichen Geschäftsverkehr eine dahin gehende Nachfrage besteht und auf absehbare Zeit keine Entwicklung zu einer Bauerwartung bevorsteht. Dieser unterschiedliche Entwicklungszustand wirkt sich im Regelfall auch wertmäßig aus: Begünstigtes Agrarland liegt im Allgemeinen im Wert über dem Wert von reinem Agrarland. Deshalb kann, wenn ein landwirtschaftlich genutztes oder nutzbares Grundstück die Merkmale von begünstigtem Agrarland erfüllt, eine von der Regel des § 28 Abs. 1 Satz 1 FlurbG abweichende Grundstücksbewertung geboten sein. Dies war hier jedoch zum maßgebenden Stichtag nicht der Fall.
aa) Windenergieanlagen können zwar auch weiterhin nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB als untergeordnete, "mitgezogene" Anlagen eines landwirtschaftlichen Betriebes privilegiert zulässig sein (vgl. auch zum Folgenden: BVerwG, Beschl. v. 4.11.2008 - 4 B 44.08 -, juris = Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 377). Dazu muss sich der Standort der Anlage aufgrund der vorhandenen örtlichen Gegebenheiten noch in angemessener räumlicher Nähe zu dem mit Energie zu versorgenden Betrieb befinden; außerdem muss der betriebsbezogene Anteil der Energieversorgung überwiegen. Dass diese Voraussetzungen hier bei Errichtung einer Windenergieanlage zur überwiegenden Eigenversorgung des Klägers, dessen Hofstelle sich nach Aktenlage an der im Rubrum angegebenen Anschrift in erheblicher Entfernung zu seinem o.a. Einlageflurstück befindet, gegeben wären, hat der Kläger schon nicht substantiiert dargelegt und ist auch nicht zu erkennen. Dies gilt auch für die nicht näher bezeichneten Wirtschaftsgebäude, die nach seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung ggf. mit eigener Windenergie zu versorgen wären.
Im Übrigen kommt es für die Wertermittlung insoweit ohnehin auf den objektiven Wert, also den Wert an, den das Grundstück für jedermann hat (BVerwG, Urt. v. 14.2.1963 - 1 C 56/61 -, RdL 1963, 249 <= RzF - 4 - zu § 27 FlurbG>). Das schließt es aus, die Wertermittlung eines Grundstücks von der Nützlichkeit - hier hinsichtlich der Energieversorgung - für ein ggf. nahegelegenes weiteres Grundstück desselben Eigentümers als subjektiven Faktor abhängig zu machen.
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bb) Auch die Errichtung (mindestens) einer - hier nach dem Klagevorbringen im Mittelpunkt des klägerischen Interesses stehenden - nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB eigenständig privilegierten Anlage zur Fremdversorgung mit Windenergie kommt jedenfalls planungsrechtlich im hier maßgebenden Zeitpunkt nicht (mehr) in Betracht.