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von Anonymer Benutzer

RzF - 3 - zu § 26 Abs. 3 FlurbG

Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 23.01.1985 - 1 U 30/84

Aktenzeichen 1 U 30/84 Entscheidung Urteil Datum 23.01.1985
Gericht Oberlandesgericht Koblenz Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Liegt eine schuldhafte Amtspflichtverletzung des Vorsitzenden des Vorstandes einer Teilnehmergemeinschaft vor, so muß die Teilnehmergemeinschaft hierfür gem. Art. 34 Satz 1 GG in Verbindung mit § 839 Abs. 1 BGB einstehen.
2. Zum Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 852 Abs. 1 BGB gehört die Kenntnis des Verletzten, daß das Verhalten der verantwortlichen Amtsperson widerrechtlich, schuldhaft und schadensverursachend war.

Aus den Gründen

Der Kläger nimmt die beklagte Teilnehmergemeinschaft unter dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung auf Ersatz eines Teilschadensbetrages in Höhe von 7 000,-- DM in Anspruch. Zur Begründung hat er im wesentlichen vorgetragen, der Vorstandsvorsitzende der Beklagten habe ihm in amtspflichtwidriger Weise den Genehmigungsbeschluß der Bezirksregierung vom 16.09.1974 über die Anerkennung weinbauwürdiger Flächen nicht bekanntgegeben. Hierdurch sei ihm ein Schaden von insgesamt 55 395,50 DM entstanden.

Das Landgericht hat zu Recht die Beklagte aus Amtshaftung zur Leistung des zuerkannten Schadensersatzbetrages verurteilt. Der dem Kläger gem. Art. 34 Satz 1 GG i. V. m. § 839 Abs. 1 BGB zustehende Anspruch ist nicht nach § 852 Abs. 1 BGB verjährt.

Eine schuldhafte Amtspflichtverletzung des Vorstandsvorsitzenden der Teilnehmergemeinschaft, für die diese als Körperschaft des öffentlichen Rechts einstehen muß, liegt vor. Auch für die Berufungsinstanz ist davon auszugehen, daß der Vorsitzende des Vorstandes den in Rede stehenden Bescheid der Bezirksregierung vom 16.09.1974 zumindest zum damaligen Zeitpunkt dem Kläger als Mitglied der Teilnehmergemeinschaft trotz des insoweit eindeutigen Hinweises der Bezirksregierung über die Notwendigkeit der Unterrichtung aller Mitglieder der Teilnehmergemeinschaft nicht bekanntgegeben hat.

Der Darstellung der Beklagten, ihr Vorstandsvorsitzender sei schon von Amts wegen nicht verpflichtet gewesen, den in Rede stehenden Bescheid vor Eintritt seiner Rechtskraft der Teilnehmergemeinschaft bekanntzugeben, vermag der Senat nicht beizutreten. Insbesondere geht der Hinweis der Berufung auf die §§ 16 ff. des damals geltenden Flurbereinigungsgesetzes, die im übrigen mit der heutigen Gesetzesfassung übereinstimmen, fehl. Die körperschaftliche Struktur der Teilnehmergemeinschaft (vgl. § 16 FlurbG) ändert nichts daran, daß ihre Mitglieder - also auch der Kläger - gem. § 10 Nr. 1 FlurbG Beteiligte des Verfahrens sind. Zutreffend ist allerdings, daß die Teilnehmergemeinschaft nach § 18 Abs. 1 Satz 1 FlurbG die gemeinschaftlichen Angelegenheiten der Teilnehmer wahrzunehmen hat. Zu diesen gemeinschaftlichen Aufgaben muß jedoch nach Auffassung des Senats auch die Mitwirkung bei der Durchführung des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der Weinwirtschaft vom 29.08.1961 (Bundesgesetzblatt I S. 1622) gezählt werden, was sich zuletzt auch daraus ergibt, daß der unter dem 16.09.1974 ergangene Bescheid in seiner Kostenentscheidung ausdrücklich auf die Regelung des § 108 Abs. 2 FlurbG verweist.

Die Regelung des § 22 Abs. 1 und 2 FlurbG belegt zudem anschaulich, daß auch die Versammlung der Teilnehmer hinsichtlich bestimmter, wichtiger Angelegenheiten ein aktives Teilhaberecht hat, das der Vorstand bzw. sein für ihn handelnder Vorsitzender beachten und dem er bei seinen Stellungnahmen gegenüber der Flurbereinigungsbehörde Rechnung tragen muß. Es entspricht im übrigen allgemeiner Auffassung (vgl. Seehusen-Schwede, 3. Aufl., Kommentar zum Flurbereinigungsgesetz, § 18 RdNr. 1 mit Hinweis auf Blümel-Ronellenfitsch S. 84, Anm. 362), daß die durch ihren Vorstand vertretene Teilnehmergemeinschaft bei der Wahrung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten auch die Rechte der einzelnen Teilnehmer zu wahren hat.

Aus den vorgenannten Gründen hat es deshalb dem Vertretungsorgan der Beklagten, und zwar dem Vorsitzenden (vgl. § 26 Abs. 3 FlurbG) als Amtspflicht auch gegenüber dem Kläger oblegen, den in Rede stehenden Beschluß der Bezirksregierung unmittelbar nach seinem Erlaß bekanntzumachen. Auch die Einlegung des Widerspruches durfte den Vorstandsvorsitzenden nicht veranlassen, hiervon abzusehen, da durch die Erhebung des Widerspruches lediglich die Bestandskraft des Bescheides hinausgeschoben wurde, nicht jedoch seine Wirksamkeit. Bekanntlich beschränkt sich die Wirkung außergerichtlicher Rechtsbehelfe im Verwaltungsverfahren lediglich auf eine Vollzugshemmung.

Zu Recht hat das Landgericht in seinem angefochtenen Urteil auch darauf hingewiesen, daß die in ihren Eigentumsrechten unmittelbar betroffenen Mitglieder der Teilnehmergemeinschaft zumindest in die Lage hätten versetzt werden müssen, angesichts der veränderten Grundstückssituation ihre eigenen Dispositionen zu treffen. Der aus dem Flurbereinigungsgesetz selbst herzuleitenden Pflicht zur unverzüglichen Bekanntgabe des Bescheides entspricht es, daß auch die Bezirksregierung den Vorstandsvorsitzenden der Teilnehmergemeinschaft ausdrücklich auf seine bestehende Pflicht, entsprechend zu handeln, aufmerksam gemacht hat.

Schließlich läßt sich die Pflicht zur sofortigen Bekanntgabe des Genehmigungsbescheides an die unmittelbar Betroffenen auch daraus herleiten, daß grundsätzlich eine Pflicht zur rechtmäßigen Amtsausübung besteht und es insbesondere Amtspflicht eines jeden Amtsträgers ist, im Rahmen seiner Tätigkeit keine Handlungen oder Unterlassungen gegenüber anderen Personen vorzunehmen, durch die diese - wie es hier im Fall des Klägers geschehen ist - Schaden nehmen.

Geht man - wie der Senat - von der offenkundigen Tatsache aus, daß Weinbergsgelände im Grundstücksverkehr zu einem höheren Quadratmeterpreis als Ackergelände gehandelt wird, so hat der Kläger infolge der Amtspflichtverletzung der beklagten Körperschaft einen Schaden erlitten. Fest steht jedenfalls, daß der Kläger zumindest einen Schaden in der geltend gemachten Höhe dadurch erlitten hat, daß er infolge seiner, von der Beklagten schuldhaft verursachten, Unkenntnis der Grundstückssituation seinen Grundbesitz nicht als Weinbergsgelände offerieren und verkaufen konnte, sondern nur als im Verkehrswert niedrigeres Ackergelände. Seine wirtschaftliche Güterlage ist infolge der Amtspflichtverletzung herabgesetzt worden.

Entgegen der Behauptung der Beklagten ist der Amtshaftungsanspruch, der durch die am 15.06.1983 bei Gericht eingegangene Klage geltend gemacht wurde, nicht gem. § 852 Abs. 1 BGB verjährt. Der Nachweis, daß der Kläger bereits anläßlich des am 10.03.1980 stattfindenden, sogenannten Planwunschtermines die Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen i. S. v. § 852 Abs. 1 ZPO erlangt hat, mit der Folge, daß dann der Amtshaftungsanspruch bereits bei der Klageeinreichung am 15.07.1983 verjährt gewesen wäre, ist in der in der Berufungsinstanz durchgeführten Beweisaufnahme nicht erbracht worden.

Zum Beginn der 3jährigen Verjährungsfrist für Amtshaftungsansprüche gehört die Kenntnis des Verletzten, daß das Verhalten der verantwortlichen Amtspersonen widerrechtlich, schuldhaft und schadensverursachend war. Der Verletzte muß so gewichtige Anhaltspunkte für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen haben, daß ihm eine Klage zuzumuten ist (vgl. u. a. BGH VersR 82, 898 ff.). Daß zum Zeitpunkt des Planwunschtermines oder sogar schon vorher beim Kläger eine derartige Kenntnis von den Dingen vorhanden war, haben die hierzu vernommenen Zeugen nicht bekunden können. Auch der vom Senat eingeholten amtlichen Auskunft des Kulturamtes läßt sich Entsprechendes nicht entnehmen. Die Beweisaufnahme hat i. V. m. den vorgelegten behördlichen Unterlagen aus dem Flurbereinigungsverfahren, insbesondere des Protokolles über die Planwunschverhandlung allenfalls ergeben, daß dem Kläger in der Planwunschverhandlung bewußt gewesen sein muß, daß über sein Grundstücksgelände von 2,4 ha als Rebland verhandelt wurde. Anderenfalls ließe sich der von ihm auch unterschriebene Abfindungswunsch "die Bewirtschaftung erfolgt zukünftig in Ost-West-Richtung" nicht erklären. Allein der Umstand, daß somit am 10.03.1980 Weinbergsgelände Gegenstand der Verhandlungen war, reicht aber für die nach § 852 Abs. 1 BGB notwendige Kenntnis nicht aus. Keiner der Zeugen vermochte Angaben dazu zu machen, ob im Planwunschtermin auch der Beschluß der Bezirksregierung vom 16.09.1974 zur Sprache gekommen ist. Zumindest dies wäre aber erforderlich gewesen, wollte man zu der Auffassung gelangen, der Kläger habe nunmehr gewichtige Anhaltspunkte für das Vorliegen einer schuldhaften Amtspflichtverletzung und eines daraus resultierenden Schadens gehabt. Ohne eine genaue Unterrichtung von der Existenz des Beschlusses aus dem Jahre 1974 und seines Bekanntmachungsschicksals konnte der Kläger nicht zu der Erkenntnis gelangen, zu seinen Lasten sei von einem bestimmten Amtsträger eine rechtswidrige und schuldhafte Amtspflichtverletzung begangen worden. Im März 1980 war ihm eine Klageerhebung noch nicht zuzumuten.

Anmerkung

Vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.05.1986 - III ZR 241/84 = RdL 1986 S. 262