Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 10.09.1997 - 23 F 764/95

Aktenzeichen 23 F 764/95 Entscheidung Urteil Datum 10.09.1997
Gericht Flurbereinigungsgericht Kassel Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Mitglieder des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft, die Angehörige des öffentlichen Dienstes sind und an den Sitzungen des Vorstandes während der regelmäßigen Dienstzeit teilnehmen, können nach dem Zweck der Ermächtigung des § 24 Satz 2 FlurbG hierfür keine Entschädigung für Zeitversäumnis erhalten.
2. § 24 Satz 2 FlurbG ist eine abschließende Regelung, neben der § 85 VwVfG keine Anwendung findet.

Aus den Gründen

Die Klage ist zulässig. Das Flurbereinigungsgericht ist gemäß § 140 Satz 1 FlurbG zur Entscheidung über die Klage zuständig, denn der Kläger begehrt die Verurteilung des Beklagten zum Erlaß einer nach § 24 Satz 2 FlurbG abgelehnten Entschädigungsfestsetzung für seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied einer Teilnehmergemeinschaft. Die Bestimmung der Entschädigung durch die Flurbereinigungsbehörde sowie die Ablehnung der Festsetzung einer Entschädigung stellen für die Mitglieder des Vorstandes anfechtbare Verwaltungsakte dar (vgl. Quadflieg, Recht der Flurbereinigung, Stand: April 1989, § 24 Erl. 9).

Die Klage ist jedoch unbegründet, denn die Flurbereinigungsbehörde hat es zu Recht abgelehnt, die von dem Kläger begehrte Entschädigung festzusetzen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Entschädigungsanspruch nicht zu. Rechtsgrundlage für die Entschädigung der Mitglieder des Vorstandes und ihrer Stellvertreter für Zeitversäumnis und Aufwand ist § 24 Satz 2 FlurbG, wonach die Flurbereinigungsbehörde bestimmt, ob und in welcher Höhe eine derartige Entschädigung gewährt wird. Es handelt sich hierbei um eine abschließende Regelung, neben der gemäß § 1 Abs. 2 und 3 VwVfG der § 85 HVwVfG, wonach der ehrenamtlich Tätige Anspruch auf Ersatz seiner notwendigen Auslagen und seines Verdienstausfalles hat, keine Anwendung findet. Die Entscheidung der Flurbereinigungsbehörde über eine nach § 24 FlurbG zu gewährende Entschädigung erfolgt nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 40 HVwVfG). Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, daß die Flurbereinigungsbehörde bei der Ausübung ihres Ermessens die Regelungen der Sammelverfügung des Hessischen Landesamtes für Ernährung, Landwirtschaft und Landentwicklung vom 24.11.1988 und die Richtlinien für die Entschädigung von ehrenamtlichen Kommissionsmitgliedern und die Bereitstellung von Prüfungsbetrieben des Hessischen Ministeriums für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz vom 28.10.1994 (StAnz. S. 3533) zugrundegelegt hat. Eine derartige Regelung ist schon deshalb sinnvoll, um die Anwendung einheitlicher Kriterien bei der Gewährung der Entschädigung zu gewährleisten. Voraussetzung für ihre Anwendung ist jedoch, daß sie selbst den Anforderungen der gesetzlichen Ermächtigung gerecht werden. Das ist hier der Fall. Danach erhalten Angehörige des öffentlichen Dienstes eine Entschädigung für Zeitversäumnis und entgangenen Arbeitsverdienst im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit, wenn diese Tätigkeit außerhalb des Hauptamtes (Hauptberufes), außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit und ohne Möglichkeit einer Entlastung ausgeübt wird. Diese Regelung wird dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung des § 24 FlurbG gerecht. Denn nach Satz 1 der vorgenannten Bestimmung wirken die Mitglieder des Vorstandes und ihre Stellvertreter ehrenamtlich. Ehrenamtliche Tätigkeit ist jede unentgeltliche Mitwirkung bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, die aufgrund behördlicher Bestellung außerhalb eines haupt- oder nebenamtlichen Dienstverhältnisses stattfindet. Die Entschädigung ist lediglich dazu bestimmt, die mit der ehrenamtlichen, d.h. grundsätzlich unentgeltlichen Dienstleistungen verbundenen Beschwernisse und finanziellen Einbußen pauschal auszugleichen (BVerwG, Urteil vom 10.03.1994 - 2 C 11.93 - BVerwGE 95, 208 <212>). Durch die ehrenamtliche Tätigkeit soll einerseits kein Vorteil erlangt werden, andererseits aber auch kein Schaden entstehen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger hat als Angehöriger des öffentlichen Dienstes an den Sitzungen des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft während der regelmäßigen Dienstzeit teilgenommen, so daß ihm weder Zeitversäumnis noch Arbeitsverdienst entgangen ist. Zu Unrecht hält der Kläger die Verwaltungsrichtlinien des Beklagten wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG für unwirksam, soweit sie zwischen Selbständigen einerseits und unselbständig Tätigen bzw. Angehörigen des öffentlichen Dienstes differenzierten. Diese Unterscheidung ist sachlich gerechtfertigt, denn Vorstandsmitglieder, die aktiv im öffentlichen Dienst tätig sind, erhalten Dienstbefreiung für ihre Vorstandstätigkeit, wenn diese während der Dienstzeit stattfindet. Sie haben somit keinen Verdienstausfall und keinen Freizeitverlust. Dagegen erhalten die von dem Kläger beispielhaft benannten Vorstandsmitglieder, die als selbständige Winzer tätig sind, keinen Verdienstausfall und stellen für den Fall, daß ihnen tatsächlich kein Verdienstausfall entsteht, ihre Freizeit zur Verfügung. Der hierfür pauschal in Ansatz gebrachte Betrag von 12,-- DM je Stunde ist rechtlich nicht zu beanstanden. Er stellt eine zulässige Differenzierung bei der Gewährung von Entschädigung in Fällen mit und ohne Verdienstausfall dar, wie sie auch in § 2 ZuSG ihren Niederschlag gefunden hat.