Sozialgericht Würzburg, Urteil vom 22.09.1966 - S 7/Kr 29/65
Aktenzeichen | S 7/Kr 29/65 | Entscheidung | Urteil | Datum | 22.09.1966 |
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Gericht | Sozialgericht Würzburg | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Tätigkeit eines Vorstandsmitgliedes (Wegebaumeisters) ist nicht sozialversicherungspflichtig. |
Aus den Gründen
Streitig war, ob der Beigeladene F. in der fraglichen Zeit zur Klägerin in einem der Sozialversicherungspflicht unterliegenden Beschäftigungsverhältnis stand, ggf. ob die von der Klägerin entrichteten Sozialversicherungsbeiträge von der Beklagten an diese zurückzuzahlen sind.
Nach feststehender Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. SozR RVO § 165 Aa 3 Nr. 6 Aa 6 Nr. 8, Aa 33 Nr. 30) setzt das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne der RVO vor allem persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten voraus. Dies beurteilt sich in erster Linie danach, ob und inwieweit der Beschäftigte in einem fremden Betrieb als Arbeitnehmer eingegliedert und den Weisungen des Arbeitgebers über die Ausführung der Arbeit zu folgen verpflichtet ist. Ungeachtet dieser und aller weiteren Einzelmerkmale bleibt jedoch nach dieser Rechtsprechung für die Beurteilung der Versicherungspflicht immer das Gesamtbild und das Gepräge der in Betracht kommenden Tätigkeit unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung maßgeblich entscheidend und ausschlaggebend.
Bei der Überlegung all dieser Gesichtspunkte kam die Kammer zu der Ansicht, daß das ganze Gefüge eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses für die von F. ausgeübte Tätigkeit schlechthin nicht passend ist. Es ist vielmehr - wohl auch im Sinne einer entsprechenden Verkehrsanschauung - zusammenfassend davon auszugehen, daß F. als Vorstandsmitglied der TG ehrenamtlich tätig ist und daß er diese Tätigkeit im Rahmen und als persönliches Mitglied der sogenannten Teilnehmergemeinschaft ausübt, also einer Institution, deren Charakter vielleicht mehr als bei allen anderen juristischen Personen von der Gemeinschaft der Mitglieder her bestimmt wird. Grundsätzlich ist deshalb davon auszugehen, daß das, was das einzelne Mitglied der Gemeinschaft auch als Vorstandsmitglied tut, dies als Ausfluß seiner Mitgliedschaft tut, nicht etwa wie ein Dritter, der der Gemeinschaft gegenüber von außen her gegenübersteht. Das muß zumindest für alle die Leistungen gelten, die jedes Mitglied zu erbringen verpflichtet ist. Insoweit kann den Ausführungen der Beklagten und auch der Beigeladenen LVA Ufr. beigepflichtet werden. Aber auch dann, wenn ein Mitglied mehr leistet, als wozu es an sich verpflichtet wäre, ist dieser Grundsatz nicht ohne weiteres aufgehoben. Zumal die Praxis und die Erfahrung bei der Durchführung von Flurbereinigungsverfahren zeigen, daß es Mitglieder geben muß, die im persönlichen Einsatz ein Mehr leisten, um den Mindereinsatz anderer Mitglieder auszugleichen. Anders wären die Leistungen etwa solcher Personen zu beurteilen, die der TG überhaupt nicht angehören. Es ist zwar nicht zu übersehen, daß F. über das von ihm zu erbringende Ausmaß an Leistungen hinaus wesentlich mehr erbringt. Er wurde aber - nach den Ausführungen des Vorsitzenden der Klägerin - gerade deshalb vom Vorstand mit diesem Amt des Wegbaumeisters betraut, weil man wußte, daß er auf Grund seiner früheren beruflichen Tätigkeit und seines gegenwärtigen Rentnerstandes auch zeitlich dazu in der Lage sei, ein Mehr für die Gemeinschaft zu erbringen. Sicherlich wäre es durchaus denkbar, daß etwa ein anderer Teilnehmer, der bis zum Beginn des Flurbereinigungsverfahrens als Maurer bei einer Baufirma beschäftigt gewesen ist, dieses Arbeitsverhältnis aufgegeben und dafür die hier von F. geleisteten Dienst verrichtet hätte. Aber gerade beim Vergleich eines solchen bisherigen Arbeitnehmers zeigt sich der große Unterschied zur Stellung des F.; denn ersterer wäre zweifellos - sofern er auch bisher zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes auf Lohnarbeit angewiesen gewesen wäre - gezwungen gewesen, mit der TG bzw. ihrem Vorstand die Bedingungen eines echten Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisses auszuhandeln; er müßte wissen, wie hoch sein Lohn wäre, daß er diesen regelmäßig und in bestimmter Höhe bekäme, daß ihm nicht ohne Einhaltung einer entsprechenden Kündigungsfrist gekündigt werden könnte, daß er Anspruch auf Urlaub hätte usw.. Gerade deshalb, weil die Stellung des F. unter Würdigung der hier vorliegenden Besonderheiten eine im Sinne der Sozialversicherung nicht alltägliche sein mag, müssen nach Ansicht der Kammer zwingend gerade diese Elemente eines Arbeitsvertrages hinzukommen, um ihn als Arbeitnehmer und damit als versicherungspflichtig Beschäftigten ansehen zu können. Die Stellung des F. unterscheidet sich von der Stellung der übrigen Teilnehmer der TG nicht qualitativ, sondern nur quantitativ. Was also F. als Teilnehmer bzw. Vorstandsmitglied an Leistungen erbringt, ist deshalb nicht als Ausfluß eines Beschäftigungsverhältnisses anzusehen, weil die oben angeführten Sachverhalte eines Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisses hier eindeutig nicht vorhanden sind.