Flurbereinigungsgericht Mannheim, Urteil vom 19.01.1987 - 7 S 2103/86
Aktenzeichen | 7 S 2103/86 | Entscheidung | Urteil | Datum | 19.01.1987 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Mannheim | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Unwirksamkeit einer Vorstandswahl kann von den Teilnehmern nicht bei Anfechtung von Verwaltungsakten der Flurbereinigungsbehörde, sondern nur mit einer gegen die Teilnehmergemeinschaft gerichteten Feststellungsklage geltend gemacht werden. |
2. | Die Anhörung des Vorstands der Teilnehmergemeinschaft ist nicht bei der vorläufigen Besitzeinweisung, sondern nur bei Erlaß der Überleitungsbestimmungen vorgeschrieben. |
3. | Die Voraussetzung von § 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG ist dadurch erfüllt, daß die Nachweise der Flurbereinigungsbehörde vorgelegen haben. |
Aus den Gründen
Mit der Rüge, der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft sei nicht ordnungsgemäß besetzt, können nur die "Überleitungsbestimmungen", nicht jedoch die vorläufige Besitzeinweisung angefochten werden. Denn das Flurbereinigungsgesetz sieht für die vorläufige Besitzeinweisung nach Maßgabe von § 65 FlurbG eine "Anhörung" des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft nicht vor, sondern beschränkt diese auf die Überleitungsbestimmungen. Das ergibt sich aus Folgendem: Nach § 65 Abs. 2 Satz 1 FlurbG "ordnet die Flurbereinigungsbehörde die vorläufige Besitzeinweisung an". Dazu schreibt § 65 Abs. 2 Satz 4 FlurbG vor, daß "die Vorschriften des § 62 Abs. 2 und 3 FlurbG sinngemäß gelten". § 62 Abs. 2 und 3 FlurbG sehen die Anordnung von Überleitungsbestimmungen für die Ausführungsanordnung nach Maßgabe von § 62 Abs. 1 FlurbG vor. § 62 Abs. 2 FlurbG regelt in diesem Zusammenhang nur, daß der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft zu den Überleitungsbestimmungen zu hören ist. Nichts anderes kann dann bei der entsprechenden Anwendung von § 62 Abs. 2 FlurbG auf die vorläufige Besitzeinweisung nach Maßgabe von § 65 Abs. 2 Satz 4 FlurbG gelten. Eine Pflicht zur Anhörung des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft zur vorläufigen Besitzeinweisung als solcher ergibt sich auch nicht aus § 25 Abs. 2 FlurbG. Denn die vorläufige Besitzeinweisung ist keine "gemeinschaftliche Angelegenheit" i. S. v. § 25 Abs. 2, § 18 Abs. 1 FlurbG. Gerade deshalb sehen § 62 Abs. 2, § 65 Abs. 2 Satz 4 FlurbG die Anhörung des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft nur zu den Überleitungsbestimmungen ausdrücklich vor.
Die Rüge wegen der Besetzung des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft greift auch insoweit nicht durch, als sie sich gegen dessen - notwendige - Anhörung zu den Überleitungsbestimmungen richtet. Eine fehlerhafte Besetzung des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft ist kein Mangel, der Verwaltungsakte der Flurbereinigungsbehörde unmittelbar berührt. Denn die hier in Frage stehende Anhörung des Vorstandes vor Erlaß von Überleitungsbestimmungen durch die Flurbereinigungsbehörde ist kein "Tätigwerden einer kraft Gesetzes ausgeschlossenen Person für diese Behörde" i. S. v. § 20 LVwVfG. Bei Regelung der Folgen fehlerhafter Verwaltungsakte unterscheidet das LVwVfG in § 44 Abs. 3 Nr. 2 und § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG ausdrücklich zwischen der "Mitwirkung einer ausgeschlossenen Person" und der "Anhörung eines Beteiligten". Es ist deshalb davon auszugehen, daß die Mitglieder des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft für die Teilnehmergemeinschaft und nicht für die Behörde, die den Verwaltungsakt erläßt, tätig werden.
Die Überleitungsbestimmungen sind nicht deshalb rechtswidrig, weil das Flurbereinigungsamt vor ihrem Erlaß einen möglicherweise fehlerhaft besetzten Vorstand der Teilnehmergemeinschaft angehört hat.
Der Umstand, daß dem Vorstand der Teilnehmergemeinschaft entgegen § 2 AGFlurbG kein Nichtbeteiligter angehört, ist kein Verfahrensmangel, der zur Aufhebung der Überleitungsbestimmungen führen muß. Aus § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG ergibt sich, daß das Verwaltungsverfahren mangelhaft ist, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten unterblieben ist. Dem ist es nicht gleichzusetzen, daß dem tatsächlich angehörten Vorstand der Teilnehmergemeinschaft ein Mitglied angehört, das die Voraussetzungen von § 2 AGFlurbG nicht erfüllt.
Die Wahl der Vorstandsmitglieder der Teilnehmergemeinschaft ist kein anfechtbarer Verwaltungsakt, sondern ein innerer Organisationsakt der Teilnehmergemeinschaft. Sie kann von den Teilnehmern nur mit einer Feststellungsklage auf Unwirksamkeit der Wahl angegriffen werden. Die Gewählten sind unmittelbar durch die Wahl in ihr Amt berufen und üben dieses so lange rechtmäßig aus, als sie nicht - was nur unmittelbar nach der Wahl geschehen kann - von der Flurbereinigungsbehörde nach Maßgabe von § 23 Abs. 3 FlurbG abgelehnt oder später von der Versammlung der Mitglieder durch Neuwahl gemäß § 23 Abs. 1 FlurbG oder von der Flurbereinigungsbehörde aus den in § 23 Abs. 3 FlurbG genannten Gründen abberufen werden. Dabei ist dem Gewählten bei Ablehnung oder Abberufung durch die Flurbereinigungsbehörde der Rechtsweg mit zunächst aufschiebender Wirkung eröffnet.
Diese Rechtslage besteht auch für die durch § 2 AGFlurbG vorgeschriebene Wahl eines Nichtbeteiligten. Die Regelung von § 2 Satz 2 AGFlurbG
"Hat die Teilnehmergemeinschaft nur Beteiligte gewählt und verspricht ein neuer Wahltermin keinen Erfolg, so gilt derjenige Gewählte, der die geringste Stimmenzahl erhalten hat, als nicht gewählt."
meint ersichtlich den Fall, daß zur Wahl vorgeschlagene Nichtbeteiligte keine für die Wahl ausreichende Stimmenzahl erhalten haben. Sie kann aber nicht eingreifen, wenn ein als Nichtbeteiligter vorgeschlagener Bewerber diese Wahlvoraussetzung nicht erfüllt, aber gleichwohl gewählt wird. Vielmehr ist der Betreffende dann zwar fehlerhaft, aber zunächst wirksam gewählt.
Alle diese Regelungen sollen im übergeordneten Gesamtinteresse der Teilnehmergemeinschaft sicherstellen, daß die Teilnehmergemeinschaft sobald als möglich handlungsfähig wird und handlungsfähig bleibt. Sie machen es unabdingbar, daß Rechtsmängel des Wahlverfahrens der Wahl auf den dafür eröffneten rechtlichen Wegen geltend gemacht werden müssen, nämlich von der Flurbereinigungsbehörde durch Ablehnung oder Abberufung nach Maßgabe von § 23 Abs. 3 FlurbG und von den Teilnehmern, die eine Unwirksamkeit der Wahl geltend machen und daraus Rechte herleiten wollen, durch Feststellungsklage. Ein solches Handeln kann von den Teilnehmern aufgrund ihrer Mitwirkungspflicht auch verlangt werden. Könnte die Unwirksamkeit einer - hier 10 Jahre zurückliegenden - Vorstandswahl in jedem Stadium des Verfahrens formlos geltend gemacht werden, könnte jeder Teilnehmer das ganze Flurbereinigungsverfahren erfolgreich verzögern, sobald er daran ein persönliches Interesse hat.
Da die Unwirksamkeit der Wahl von Herrn X bisher nicht gerichtlich festgestellt worden ist, können sich die Kläger darauf hier nicht berufen. Vielmehr muß die Flurbereinigungsbehörde mit dem aus der Wahl hervorgegangenen Vorstand zusammenarbeiten und diesen auch im Rahmen von § 65 Abs. 2, § 62 Abs. 2 FlurbG anhören. Die vorgesehene Anhörung (siehe die Niederschrift über eine Vorstandssitzung am 14.10.1985 AS. 121) ist dadurch wirksam erfolgt.
Die gesetzliche Voraussetzung von § 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG, daß bei Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung unter anderem endgültige Nachweise für Fläche und Wert der neuen Grundstücke "vorliegen" müssen, ist entgegen dem Vorbringen der Kläger bereits dadurch erfüllt, daß diese Nachweise der Flurbereinigungsbehörde vorgelegen haben. Daß Akten, schriftliche Unterlagen, Gutachten etc. einer Behörde oder einem Gericht "vorliegen", ist eine gängige Redeweise der Rechtssprache und ist ersichtlich auch in § 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG so gemeint (ebenso Seehusen-Schwede, FlurbG, 4. Aufl. § 65 RdNr. 9). Wenn das Gesetz die Anforderung aufstellt, daß die Beteiligten informiert sein müssen, spricht es von "Bekanntgabe", so unmittelbar im Anschluß an § 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG in Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift hinsichtlich der neuen Feldeinteilung und in Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift hinsichtlich der angeordneten vorläufigen Besitzeinweisung. Eine Bekanntgabe der endgültigen Nachweise für Fläche und Wert der neuen Grundstücke vor der vorläufigen Besitzeinweisung wäre für die Beteiligten auch nicht von großem praktischem Interesse. Denn erst wenn die Beteiligten individuell in den Besitz der neuen Grundstücke eingewiesen sind, können sie sich mit deren Fläche und Wert konkret befassen. Ebensowenig ist es erforderlich, daß die neue Feldeinteilung (§ 65 Abs. 1 Satz 2 FlurbG) durch Karten vor Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung bekanntgegeben wird. Damit würde lediglich die Information über die neue Feldeinteilung etwas vorverlegt, nicht aber bekanntgemacht, wo und wie der einzelne Teilnehmer davon betroffen ist.Anmerkung
Bestätigt durch Beschluß des BVerwG vom 18.03.1988 - 5 B 45.87; siehe auch Flurbereinigungsgericht Mannheim, Urteil vom 03.09.1987 - 7 S 547/87.