Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 13.03.2008 - 13 A 07.1817 = BayVBl 2009, 152-153= RdL 2008, 291-293 (Lieferung 2009)
Aktenzeichen | 13 A 07.1817 | Entscheidung | Urteil | Datum | 13.03.2008 |
---|---|---|---|---|---|
Gericht | Flurbereinigungsgericht München | Veröffentlichungen | = BayVBl 2009, 152-153 = RdL 2008, 291-293 | Lieferung | 2009 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Der Klage eines Teilnehmers und Vorstandsmitglieds auf Abberufung eines nach (bayerischem) Landesrecht bestellten beamteten Vorstandsvorsitzenden einer Teilnehmergemeinschaft mangelt es bereits an der für eine Sachentscheidung erforderlichen Klagebefugnis. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 AGFlurbG dient ausschließlich öffentlichen Interessen und nicht (auch) den Interessen der Teilnehmer oder Vorstandsmitglieder. |
Aus den Gründen
19
§ 23 Abs. 3 Satz 1 FlurbG ist für die Abberufung eines beamteten, nach bayerischem Landesrecht (§ 21 Abs. 7, § 26 Abs. 1 FlurbG, Art. 4 Abs. 1 Satz 1 AGFlurbG) vom Beklagten bestellten Vorsitzenden nicht anwendbar (so bereits BVerwG vom 9.10.1973 BVerwGE 44, 96 = RdL 1974, 66 = RzF 4 zu § 23 Abs. 3 <Anm. d. Schriftlt.: Lies RzF - 4 - zu § 23 Abs. 3 FlurbG>). Macht ein Land von der ihm nach § 21 Abs. 7 FlurbG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch, die Bildung und Zusammensetzung des Vorstandes sowie die Berufung des Vorstandsvorsitzenden (Hinweis auf § 21 Abs. 7 FlurbG in § 26 Abs. 1 FlurbG) abweichend von den bundesrechtlichen Bestimmungen zu regeln, so ist auch die Abberufung eines nach landesrechtlichen Vorgaben bestellten Vorstandsmitglieds als entgegen gesetzter Akt ein Vorgang, der notwendigerweise dem Landesrecht zuzuordnen ist, auch wenn dies dort nicht ausdrücklich geregelt ist. Damit scheidet im vorliegenden Fall § 23 Abs. 3 Satz 1 FlurbG bereits aus Rechtsgründen als Grundlage für eine Abberufung des Vorstandsvorsitzenden aus (s. hierzu auch Hegele in Seehusen/ Schwede, FlurbG, 7. Aufl. 1997, RdNr. 4 zu § 23).
20
Hiervon abgesehen kommt eine Anwendung von § 23 Abs. 3 Satz 1 FlurbG aber auch deswegen nicht in Betracht, weil diese Vorschrift voraussetzt, dass der Betroffene sein Amt durch Wahl nach § 21 Abs. 3 Satz 1 FlurbG bzw. § 26 Abs. 1 FlurbG oder durch Bestellung gemäß § 21 Abs. 4 FlurbG erlangt hat. § 23 Abs. 3 Satz 1 FlurbG ist als Ausfluss des der Flurbereinigungsbehörde nach § 17 Abs. 1 FlurbG zustehenden Aufsichtsrechts über die Teilnehmergemeinschaft zu betrachten und soll ihr ermöglichen, Vorstandsmitglieder, die durch ihr Verhalten die Durchführung des Verfahrens erschweren oder die ihrem Amt, aus welchen Gründen auch immer, nicht gewachsen sind, abzuberufen, um – soweit möglich über Neuwahlen – die Bildung eines arbeitsfähigen Vorstandes zu erreichen. Ein solcher regelungsbedürftiger Sachverhalt liegt nicht vor, wo, wie in Bayern, der Vorsitzende des Vorstands nicht gewählt, sondern gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 1 AGFlurbG durch das ALE ohne Mitwirkung der Teilnehmergemeinschaft aus den Reihen der Flurbereinigungsbeamten des gehobenen oder des höheren Dienstes bestimmt wird. Die landesgesetzliche Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass in Bayern der Teilnehmergemeinschaft gemäß § 18 Abs. 2 FlurbG in weitem Umfang Aufgaben und Befugnisse übertragen worden sind, die nach dem Flurbereinigungsgesetz grundsätzlich der Flurbereinigungsbehörde zustehen. Insoweit tritt der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft an die Stelle der Flurbereinigungsbehörde. Es muss deshalb der Flurbereinigungsbehörde, zu deren Geschäftsbereich der zum Vorsitzenden bestellte Beamte auch weiterhin angehört (BayVGH vom 18.3.1971 BayVBl 1971, 430), unbenommen bleiben, den beamteten Vorsitzenden ebenso wie ihre mit sonstigen Aufgaben betrauten Beamten auszuwechseln, wenn ihr dies aus dienstlichen Gründen angebracht erscheint. Anders kann dem Grundgedanken der Flurbereinigung, dass das Verfahren behördlich geleitet wird und die Teilnehmer nach § 2 Abs. 1 FlurbG hieran nur mitwirken, nicht Rechnung getragen werden. Das schließt eine Anwendung des § 23 Abs. 3 Satz 1 FlurbG, der eine Abberufung von Vorstandsmitgliedern im Übrigen (nur) zulässt, wenn sie ungeeignet sind oder ihre Pflichten verletzen, auf behördlich bestellte beamtete Vorsitzende ebenfalls aus (BVerwG vom 9.10.1973 a.a.O.).
21
Soweit sich der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens auf das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Januar 1966 (RdL 1966, 328 = RzF 1 zu § 23 Abs. 1 <Anm. d. Schriftlt.: Lies RzF - 1 - zu § 23 Abs. 1 FlurbG>) beruft, vermag dies eine Klagebefugnis ebenfalls nicht zu begründen. Diese Entscheidung betrifft den Fall der Abberufung eines gewählten Vorstandsvorsitzenden nach § 23 Abs. 3 Satz 1 FlurbG und ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da der Anwendungsbereich dieser Bestimmung – wie oben dargestellt – hier nicht eröffnet ist.
22
Auch aus Art. 4 Abs. 1 Satz 1 AGFlurbG kann der Kläger kein subjektives Recht auf die Abberufung des derzeitigen Vorstandsvorsitzenden ableiten. Diese auf der bundesrechtlichen Ermächtigung des § 21 Abs. 7 FlurbG beruhende landesgesetzliche Regelung räumt dem ALE die Befugnis ein, den Vorstandsvorsitzenden einer Teilnehmergemeinschaft aus dem Kreis der technisch vorgebildeten Beamten des höheren oder gehobenen Dienstes für Ländliche Entwicklung zu bestimmen und wieder abzuberufen (BVerwG vom 9.10.1973 a.a.O.; BayVGH vom 20.1.1972 = RzF 3 zu § 21 Abs. 2 <Anm. d. Schriftlt.: Lies RzF - 3 - zu § 21 Abs. 2 FlurbG>). Die Befugnis, im Klageweg gegenüber dem Beklagten ein Gebrauchmachen von dieser Ermächtigung verlangen zu können, ergäbe sich für den Kläger aus Art. 4 Abs. 1 Satz 1 AGFlurbG aber nur, wenn diese Norm (abstrakt) auch dem Schutz der Interessen Dritter in der Situation des Klägers, hier als Teilnehmer oder als Mitglied des Vorstands der Teilnehmergemeinschaft, zu dienen bestimmt wäre (vgl. BVerwG vom 25.11.1986 BVerwGE 75, 147; Kopp/Schenke, RdNrn. 83 ff. zu § 42). Ob ein Rechtssatz des objektiven Rechts dem Schutz von Individualinteressen dient oder nicht, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. z.B. BayVGH vom 29.5.1991 BayVBl 1991, 567; Happ, a.a.O., RdNr. 87 zu § 42). Wesentliches Kriterium für den drittschützenden Charakter einer Norm ist, inwieweit in der betreffenden Regelung das geschützte Interesse (Rechtsgut), die Art der Verletzung und vor allem der Kreis der geschützten Personen hinreichend klar dargestellt und abgegrenzt wird. Abzustellen ist dabei vor allem auf den Zweck der die Ermächtigung zum behördlichen Handeln enthaltenden Rechtsvorschrift (BVerwG vom 19.9.1986 DVBl 1987, 476 = DÖV 1987, 297). Grundsätzlich nicht ausreichend für die Bejahung eines subjektiven Rechts ist jedoch ein nur tatsächliches Betroffensein in eigenen Angelegenheiten (vgl. z.B. BayVGH vom 26.1.1993 BayVBl 1993, 243).
23
Die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 AGFlurbG entsprechend diesen Vorgaben ergibt, dass diese Bestimmung nicht dazu dienen soll, (auch) die Interessen der Teilnehmer oder der (anderen) Vorstandsmitglieder zu schützen. Die Abberufung des Vorstandsvorsitzenden als actus contrarius zur Bestellung folgt in ihrem rechtlichen Rahmen dem Bestellungsakt. Sie stellt ebenso wie dieser bezogen auf den betroffenen Beamten einerseits einen rein innerbehördlichen Organisationsakt in der Form einer sog. Umsetzung dar, mit dem eine Entbindung von bestimmten Aufgaben und (in der Regel) die Zuweisung neuer Aufgaben verbunden sind und der nur das Amt des Beamten im konkret-funktionellen Sinn berührt (s. hierzu auch BayVGH vom 20.1.1972 a.a.O.; vgl. zur Umsetzung z.B. OVG Hamburg vom 30.7.1996 ZBR 1997, 31). Bei der Entscheidung über die Abberufung eines Vorstandsvorsitzenden hat sich die zuständige Behörde – abgesehen von den im Einzelfall aus Fürsorgeerwägungen (Art. 86 BayBG) zu berücksichtigenden persönlichen Belangen des betroffenen Beamten – nur an dienstlichen Erfordernissen und damit ausschließlich an öffentlichen Interessen zu orientieren. Andererseits ist dabei aber auch das Erfordernis zu berücksichtigen, dass der Teilnehmergemeinschaft ein den Vorgaben des Gesetzes entsprechend qualifizierter Beamter des gehobenen oder höheren Dienstes für Ländliche Entwicklung zur Verfügung steht. Allenfalls insoweit käme der Vorschrift zu Gunsten der Teilnehmergemeinschaft drittschützende Wirkung zu (so BayVGH vom 20.1.1972 a.a.O.). Auf die Interessen der Teilnehmer oder der (anderen) Vorstandsmitglieder ist jedoch nicht abzustellen, da Art. 4 Abs. 1 Satz 1 AGFlurbG deren Berücksichtigung nicht vorsieht. Für deren Einbeziehung in den Schutzbereich der Norm bietet weder der Wortlaut der Vorschrift noch deren Sinn und Zweck einen Anhalt. Aus der Formulierung der Regelung lässt sich nicht ableiten, dass sie auch den Interessen der Teilnehmer oder der anderen Vorstandsmitglieder dienen soll, da dieser Personenkreis im Text keine Erwähnung findet und auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass er mittelbar als Adressat in Betracht kommen könnte.
24
Der Sinn und Zweck der Bestimmung, die behördliche Leitung des Flurbereinigungsverfahrens zu gewährleisten (s. hierzu BVerwG vom 9.10.1973 a.a.O.), lässt ebenfalls keinen Ansatzpunkt dafür erkennen, dass mit ihr auch den Interessen der Teilnehmer oder der (anderen) Vorstandsmitglieder Rechnung getragen werden soll. Dagegen spricht im Übrigen auch, dass bei diesen ein qualifiziertes, über bloße Reflexwirkungen hinaus gehendes Betroffensein (s. hierzu Kopp/Schenke, RdNr. 87 zu § 42) durch die Bestellung oder Abberufung eines Vorstandsvorsitzenden nicht ersichtlich ist. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 AGFlurbG gewährt also dem Kläger weder als Teilnehmer noch als Vorstandsmitglied ein (auf dem Klageweg durchsetzbares) Recht, von der Flurbereinigungsbehörde die Abberufung des Vorstandsvorsitzenden der Teilnehmergemeinschaft G. verlangen zu können. Dies kann bei der Flurbereinigungsbehörde lediglich angeregt werden, ohne dass ein rechtlicher Anspruch auf Entscheidung bestünde.
Da damit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt das Bestehen eines Anspruchs auf Abberufung erkennbar ist, besteht für den Hauptantrag keine Klagebefugnis im Sinn von § 42 Abs. 2 VwGO (analog).
Anmerkung
Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BVerwG Beschluss vom 18.08.2008 Az. BVerwG 9 B 39.08