Flurbereinigungsgericht Bautzen, Urteil vom 14.06.2013 - F 7 C 7/11 (Lieferung 2015)

Aktenzeichen F 7 C 7/11 Entscheidung Urteil Datum 14.06.2013
Gericht Flurbereinigungsgericht Bautzen Veröffentlichungen Lieferung 2015

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Eine zunächst nur beschränkte Widerspruchseinlegung ist im Hinblick auf eine spätere Erweiterung der Einwände unschädlich, wenn sich die Widerspruchsbehörde sachlich auf diese erweiterten Einwände eingelassen hat.
2. Fehler bei der Wahl eines Vorstandes einer Teilnehmergemeinschaft können nur im Rahmen einer Wahlanfechtung geltend gemacht werden. Die Wirksamkeit der Bestellung des Vorstandes und bereits getroffener Beschlüsse können nicht rückwirkend beseitigt werden.
3. Bei einem Waldgrundstück ab 10 ha kann man wohl von einem "größeren" Waldgrundstück ausgehen.

Aus den Gründen

6. Der Vorauszahlungsbescheid ist auch materiell nicht zu beanstanden.


Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu einem Kostenvorschuss ist § 19 Abs. 1 FlurbG i. V. m. § 2 Abs. 3 AGFlurbG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Beitragspflicht nach § 19 Abs. 1 FlurbG als Ausgleich dafür anzusehen, dass die Teilnehmer im Allgemeinen durch die Flurneuordnung einen betriebswirtschaftlichen Vorteil erlangen, der zu einer Wertsteigerung ihrer Grundstücke führt. Sie erfasst die Vorteile, die der Gesamtheit der Teilnehmer aus der Flurbereinigung erwachsen. Es ist deshalb in einer auf die Gesamtheit der Teilnehmer abstellenden Betrachtung zu prüfen, ob die geplanten Maßnahmen der Flurbereinigung i. S. v. § 19 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs FlurbG dem Interesse der Teilnehmer dienen (BVerwG, Beschl. v. 1. Dezember 2005 - 10 B 44/05 -, NVwZ-RR 2006, 754, juris Rn. 3).


Diese Regelung ist auch auf die Erhebung von Vorschüssen auf die Beitragspflicht anzuwenden (SächsOVG, Urt. v. 18. Dezember 2009 - F 7 D 4/07 -, juris Rn. 14 m. w. N.; OVG Lüneburg, Urt. v. 6. März 2013 - 15 KF 14/11 -, juris Rn. 17 m. w. N.).


6.1 Hiervon ausgehend ist die Erhebung eines einheitlichen Beitrages von 40,- €/ha verfahrensbeteiligter Fläche nicht zu beanstanden. Im Zusammenhang mit § 19 Abs. 1 Satz 1 FlurbG ist geklärt, dass - vorbehaltlich der hier nicht in Rede stehenden Ausnahmevorschriften des § 19 Abs. 2 FlurbG - die Erhebung von Beträgen nach einem auf die Vorteile des Einzelnen abzielenden Prinzips schlechthin ausgeschlossen ist (BVerwG, Beschl. v. 1. Dezember 2005 - 10 B 44/05 -, NVwZ-RR 2006, 754, juris Rn. 3). Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 FlurbG darf der Beitragsmaßstab nur einheitlich für alle Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens festgesetzt werden (VGH BW, Urt. v. 10. Mai 2012 - 7 S 1750/10 - juris Rn. 61). Demgegenüber ist die Frage, ob und in welchem Umfang die Flurbereinigung dem einzelnen Teilnehmer einen Vorteil vermittelt, allein im Rahmen einer - ausnahmsweisen - Beitragsbefreiung gemäß § 19 Abs. 3 FlurbG zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v. 1. Dezember 2005, a. a. O.).


6.2. Der Einwand der Klägerin, die vorläufige Beitragsfläche sei mit 80,9016 ha zu hoch angesetzt worden, greift nicht durch. Sie macht geltend, ihr hierbei berücksichtigtes Flurstück F1... mit Vertrag vom 1. September 2000 veräußert zu haben. Sie räumt jedoch selber ein, diese Veräußerung grundbuchlich noch nicht vollzogen zu haben. Es ist nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte auch insoweit auf die Eintragungen im Grundbuch stützt (vgl. § 12 FlurbG). Soweit die Klägerin im Übrigen die Berücksichtigung ihrer Waldflächen rügt, ist dies im Rahmen von § 85 FlurbG zu berücksichtigen.


6.3 Gemäß § 19 Abs. 3 FlurbG kann die Flurbereinigungsbehörde zur Vermeidung offensichtlicher und unbilliger Härten einzelne Teilnehmer ausnahmsweise von der Aufbringung der Beiträge ganz oder teilweise zu Lasten der übrigen Teilnehmer befreien. Von einer derartigen Härte kann ausgegangen werden, wenn ein Teilnehmer nicht oder nur in einem verhältnismäßig geringen Umfang an den Maßnahmen der Flurbereinigung und der damit verbundenen allgemeinen Wertsteigerung der Grundstücke teilnimmt (BVerwG, Beschl. v. 22. Juli 1992 - 5 B 114.92 -, juris Rn. 11).


Hinsichtlich einer vollständigen oder teilweisen Befreiung nach § 19 Abs. 3 FlurbG ist zu berücksichtigen, dass im Zeitpunkt der Vorschusserhebung in aller Regel noch nicht konkret absehbar ist, wie sich die Maßnahmen der Flurbereinigung auf die einzelnen Teilnehmer auswirken. Ein Befreiungsanspruch zu diesem Zeitpunkt kommt deshalb nur in Betracht, wenn der Eintritt des Vorteils durch die Flurbereinigung bereits zu diesem Zeitpunkt offensichtlich ausgeschlossen ist (SächsOVG, Urt. v. 18. Dezember 2009, a. a. O., juris Rn. 16; VGH BW, Urt. v. 10. Mai 2012, a. a. O., Rn. 61).


Die Entscheidung, ob bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (offensichtliche und unbillige Härten) eine vollständige oder teilweise Befreiung einzelner Teilnehmer von der Zahlung der Beiträge zu Lasten der übrigen Teilnehmer zu gewähren ist, liegt grundsätzlich im Ermessen der Flurbereinigungsbehörde (VGH BW, Urt. v. 10. Mai 2012, a. a. O.).


Im Hinblick auf ihre landwirtschaftlichen Flächen behauptet die Klägerin schon nicht, dass sie offensichtlich überhaupt keinen Vorteil aus der Flurbereinigung erfahren würden. Sie macht in diesem Zusammenhang lediglich geltend, das für ihre Flurstücke F3... und F4... mit Beschluss vom 27. Oktober 1997 ein freiwilliger Landtausch nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz durchgeführt worden sei. Folglich könnten diese Flurstücke keinen Vorteil durch die Flurbereinigung erfahren. Diese Auffassung hält der Senat für nicht zutreffend. Ein Flurbereinigungsverfahren hat eine gegenüber dem freiwilligen Landtausch deutlich weitergehende Zielstellung. Dies zeigt schon ein Vergleich von § 1 FlurbG mit § 54 LwAnpG. Bei dem freiwilligen Landtausch geht es lediglich um die Zusammenführung von Grundstücks- und Gebäudeeigentum. Demgegenüber hat das Flurbereinigungsverfahren die Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft zum Gegenstand. Es liegt auf der Hand, dass auch ein dem freiwilligen Landtausch unterlegenes Flurstück im Flurbereinigungsverfahren einen Vorteil etwa in Gestalt einer verbesserten Erschließung erfahren kann.


7. Die Klage kann auch keinen Erfolg haben, soweit in der vorläufigen Beitragsfläche von 80,9016 ha Waldgrundstücke mit einer Größe von insgesamt 11,6105 ha enthalten sind.


Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch die Einbeziehung größerer Waldflächen in ein Flurbereinigungsverfahren gerechtfertigt, weil hierdurch die technischen Arbeiten erleichtert und durch Vereinfachung der Vermessungsarbeiten die Kosten verringert werden können (Beschl. v. 3. Juni 1961 - 1 B 19.61 -, DVBl. 1961, 551). Dies ist hier unter Einholung der Zustimmung der Forstbehörde vom 7. Mai und 4. Dezember 1997 gemäß § 85 Nr. 2 FlurbG geschehen. Der Einholung einer Zustimmung nach § 85 Nr. 7 FlurbG bedurfte es nicht, da keine wesentliche Änderung geschlossener Waldflächen beabsichtigt ist.


Gemäß § 85 Nr. 3 FlurbG sind für größere Waldgrundstücke, die einer Zusammenlegung nicht bedürfen und von der Flurbereinigung keinen wesentlichen Vorteil haben, Beiträge nicht zu erheben. Der Senat lässt offen, ob die Klägerin über ein "größeres" Waldgrundstück im vorgenannten Sinne verfügt. Zwar wird man bei einem Waldgrundstück ab 10 ha wohl von einem "größeren" Waldgrundstück ausgehen können. Nach dem in der mündlichen Verhandlung gemeinsam erörterten Lageplan im Maßstab 1:5000 besteht der klägerische Wald jedoch aus mehreren voneinander getrennten Gebieten, welche demnach keine geschlossene Waldfläche darstellen. Ob auch räumlich getrennte Waldflächen summierend unter § 85 Nr. 3 FlurbG gefasst werden können (vgl. Schwantag/Wingerter, a. a. O., § 85 Rn. 4) bleibt offen. Entscheidend ist jedenfalls, ob der Wald keinen Vorteil erfährt, unabhängig davon, ob die übrigen Grundstücke des Teilnehmers ihrerseits Vorteile erfahren. Da § 85 Nr. 3 FlurbG den Fall der vorläufigen Beitragserhebung nicht regelt, ist insoweit ergänzend auf § 19 Abs. 3 FlurbG und die hierzu ergangene Rechtsprechung zurückzugreifen (vgl. Schwantag/Wingerter, a. a. O., § 85 Rn. 6). Nach den vorstehenden Ausführungen zu § 19 Abs. 3 FlurbG folgt daraus, dass es für eine Beitragsbefreiung gegenüber einer vorläufigen Beitragserhebung offensichtlich sein muss, dass die Waldgrundstücke von der Flurbereinigung keinen wesentlichen Vorteil erfahren werden.


Diese Feststellung kann nicht getroffen werden. Nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung besteht jedenfalls die berechtigte Erwartung, dass sich die Erschließungssituation für die Waldgrundstücke verbessern wird. Diese Erwartung gründet sich auf die Verbesserung der Ortsausfahrt K..., welche in Richtung auf die Waldgrundstücke führt und auf S. 25 f. des Erläuterungsberichts zum Wege- und Gewässerplan dargestellt ist. Die Erschließungssituation der Waldgrundstücke dürfte sich zudem durch die auf S. 46 f. dieses Planes dargestellte Verbesserung des N... Weges III ebenfalls deutlich verbessern.


Die Verbesserung dieser Wege stellt auch einen Vorteil i. S. v. § 19 FlurbG zugunsten der Klägerin als Mitglied der Teilnehmergemeinschaft dar. Soweit geltend gemacht wurde, es handele sich hier um "öffentliche Wege" hat die Beklagte unwidersprochen in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es beabsichtigt sei, ihre Nutzung auf die Land- und Forstwirtschaft zu beschränken. Es stellt sich deshalb nicht die Frage, ob und inwieweit die Ertüchtigung uneingeschränkt der öffentlichen Nutzung gewidmeter Straßen und Wege beitragsfähige Kosten gegenüber einer Teilnehmergemeinschaft entstehen lassen können (vgl. hierzu: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24. Juli 2009 - OVG 70 S 2.08 - zitiert nach juris).


Ob zudem auch durch die von der Beklagten angeführte Vermessung der Umringungsgrenzen ein - wesentlicher - Vorteil entstehen kann, bleibt offen.


Auch im Übrigen ist nicht erkennbar, dass die Erhebung eines Kostenvorschusses in Bezug auf die Waldflächen für die Klägerin eine offensichtliche und unbillige Härte darstellen könnte. Ihre für den Kostenvorschuss berücksichtigten Waldflächen beziffert die Klägerin auf 11,6105 ha. Bei einem Vorschuss von 40,- €/ha verfahrensbeteiligter Beitragsfläche entfällt auf ihre Waldflächen einen Beitrag von 464,42 €. Insoweit ist nicht erkennbar, dass die Klägerin diesen Betrag mittelfristig nicht aus den gut 11 ha Waldfläche erwirtschaften könnte. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der von ihr auf 210 €/Jahr bezifferte Ertrag dieser Waldfläche bei Kosten von über 330,- € im Jahr auf einer fehlenden wirtschaftlichen Ertragsfähigkeit ihrer Waldflächen beruht. Allein durch Brennholzverkauf dürfte ein wesentlich höherer Ertrag zu erwirtschaften sein. Auch absolut ist der Kostenvorschuss als eher niedrig anzusehen.


8. Sonstige, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in Frage stellenden Umstände sind nicht ersichtlich. Die Beschlussfassung zur Beitragserhebung sieht keine Beschränkung auf bestimmte Teilnehmer vor, so dass alle Teilnehmer herangezogen werden. Dies bestätigt die in den Verwaltungsvorgängen befindliche Verteilerliste für die Heranziehung zu dem Kostenvorschuss. Welche Teilnehmer dann tatsächlich gezahlt haben, ist für die Rechtmäßigkeit der Vorschusserhebung ohne Belang.