Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.06.1972 - V C 2.72 = BVerwGE 40, 190= Buchholz BVerwG 424.01 § 19 FlurbG Nr. 7= AgrarR 1972 S. 422= DVBl. 1973 S. 454

Aktenzeichen V C 2.72 Entscheidung Urteil Datum 28.06.1972
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen BVerwGE 40, 190 = Buchholz BVerwG 424.01 § 19 FlurbG Nr. 7 = AgrarR 1972 S. 422 = DVBl. 1973 S. 454  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Anpassung der Beitragsschuld (z.B. durch Stundung) an die persönlichen Verhältnisse des Schuldners ist dem Flurbereinigungsgesetz fremd; insbesondere § 1 und § 19 Abs. 3 FlurbG nicht geeignet.
2. Ein Flurbereinigungsteilnehmer ist verpflichtet, sich gegebenenfalls durch die Aufnahme eines Kredites die zur Erfüllung seiner Beitragspflicht erforderlichen Mittel zu verschaffen.
3. Zur Frage der entsprechenden Anwendung von § 127 AO im Flurbereinigungsverfahren.

Aus den Gründen

Gegenstand des Verfahrens ist allein die ablehnende Entscheidung des Vorstandes der Beklagten über den Antrag des Klägers, ihn mit geringeren jährlichen Beiträgen als in den Hebebescheiden für die Jahre 1966 und 1967 festgesetzt, zu belasten und ihm zu gestatten, die Beitragsschuld über einen längeren Zeitraum als 12 Jahre abzutragen. Dagegen wendet sich der Kläger, wovon auch das Flurbereinigungsgericht zutreffend ausgegangen ist, nicht gegen die ihn betreffenden Festsetzungen in dem Flurbereinigungsplan und die Gesamthöhe der sich für ihn ergebenden Beitragsschuld. Ebensowenig macht er etwa geltend, die Erhöhung der jährlichen Hebesätze von 12 DM auf 40 DM je ha sei nicht durch "erforderliche" Aufwendungen im Sinne des § 105 FlurbG bedingt gewesen. Das Begehren des Klägers erweist sich vielmehr als Antrag auf Stundung seiner von ihm dem Umfang nach nicht bestrittenen Beitragsschuld. Ein Anspruch auf Einräumung einer solchen Vergünstigung besteht entgegen der Meinung des Flurbereinigungsgerichts nicht.

Das Flurbereinigungsgesetz enthält keine ausdrückliche Vorschrift darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen die von den Teilnehmern nach § 19 Abs. 1 FlurbG zu leistenden Geldbeiträge mit der Folge gestundet werden können, daß anstelle der festgesetzten Hebesätze, denen ein für alle Teilnehmer einheitlich geltender Beitragsmaßstab zugrunde zu legen ist (BVerwG, Urteil vom 15. Januar 1969 - BVerwG IV C 244.65 - RdL 1969, 299); Urteil vom 25. November 1970 - BVerwG IV C 80.66 - (RdL 1971, 97)), ein den individuellen Verhältnissen des einzelnen Beitragsschuldners angepaßter Tilgungssatz tritt. In § 19 Abs. 3 FlurbG ist lediglich vorgesehen, daß die Flurbereinigungsbehörde zur Vermeidung offensichtlicher und unbilliger Härten einzelne Teilnehmer ausnahmsweise von der Aufbringung der Beiträge ganz oder teilweise zu Lasten der übrigen Teilnehmer befreit. Um einen solchen Anspruch, der auch in § 11 Abs. 5 des Flurbereinigungsplans der Flurbereinigung D.-D. vom 15. August 1961 aufgenommen ist, handelt es sich hier aber schon deswegen nicht, weil der Kläger nicht, wie es dem Grundgedanken des § 19 Abs. 3 FlurbG entspricht, geltend macht, er habe im Gegensatz zu den übrigen Teilnehmern keinen Anteil an der sich aus der Umlegung im allgemeinen ergebenden Wertsteigerung seines Besitzstandes. Sein Antrag geht vielmehr dahin, ohne Mehrbelastung der übrigen Teilnehmer wegen seiner angespannten wirtschaftlichen Verhältnisse zu einem geringeren jährlichen Kostenbeitrag herangezogen zu werden und ihm dafür eine längere Laufzeit der Beiträge zuzubilligen. Das Entstehen eines allgemeinen Umlegungsvorteils für seinen Grundbesitz stellt er dagegen nicht in Abrede. Damit entfällt eine Entscheidung nach § 19 Abs. 3 FlurbG, mit der ein Ausgleich dafür geschaffen werden soll, daß ein Teilnehmer nicht oder nur in bescheidenem Umfang an den Maßnahmen der Flurbereinigung und somit an der allgemeinen Wertsteigerung der Besitzstände teilnimmt. Es bedarf deswegen keiner Erörterung, ob diese Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus statt einer völligen oder teilweisen Befreiung von der Beitragspflicht auch eine Senkung der Beitragsraten und damit eine Tilgungsstreckung ermöglicht.

Das Flurbereinigungsgericht hat geglaubt, einen Abwehranspruch des einzelnen Teilnehmers gegen Beitragsforderungen, die wegen seiner besonderen wirtschaftlichen Verhältnisse die Belastbarkeit seines Betriebes übersteigen, unmittelbar aus § 1 FlurbG herleiten zu können. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Im Rahmen des in § 1 FlurbG normierten Zieles der Flurbereinigung sind die am Verfahren beteiligten Stellen frei in der Wahl der im Flurbereinigungsgesetz zur Verwirklichung des Gesetzeszweckes vorgesehenen Maßnahmen. Soweit die Herstellung gemeinschaftlicher und öffentlicher Anlagen in Frage steht, trifft hierüber gemäß § 58 Abs. 1, § 41 Abs. 3 FlurbG der Flurbereinigungsplan eine endgültige Regelung. Der Kläger bezweifelt selbst nicht, daß die von der Beklagten zur Ausführung des Plans getroffene Maßnahmen, insbesondere die mit hohen Kosten verbundene Herstellung wasserbaulicher Anlagen, plangerecht sind und mit dem Zweck des Gesetzes in Einklang stehen. Er hat dementsprechend auch keine Einwendungen gegen den Flurbereinigungsplan oder die Ausführungsmaßnahmen erhoben. Daraus folgt, daß er sich wie jeder andere Teilnehmer gemäß § 19 Abs. 1 FlurbG an der Aufbringung der Beiträge beteiligen muß.

Sind seine finanziellen und sonstigen persönlichen Verhältnisse so gelagert, daß sich bei ihm aus diesem Grund der Erfolg der Flurbereinigung nicht auswirken kann, so liegt es an ihm, sich gegebenenfalls durch die Aufnahme von Krediten die zur Erfüllung seiner Beitragspflicht erforderlichen Mittel zu verschaffen. Die Teilnehmergemeinschaft kann nicht verpflichtet werden, der bedrängten wirtschaftlichen Lage eines einzelnen Teilnehmers durch eine Senkung der jährlichen Beitragsraten und die Einräumung eines längeren Tilgungszeitraumes Rechnung zu tragen. Der Teilnehmergemeinschaft stehen zur Deckung ihres Anteils an den Ausführungskosten andere Mittel als die von den Teilnehmern nach § 19 Abs. 1 FlurbG zu erbringenden Leistungen nicht zur Verfügung. Die Einräumung von Zahlungserleichterungen der hier in Frage stehenden Art hätte deshalb zur Folge, daß der Beitragsausfall von den übrigen Teilnehmern getragen oder daß zu ihren Lasten neue Darlehen aufgenommen werden müßten. Für eine solche Sonderbelastung bietet aber das Flurbereinigungsgesetz keine Handhabe.

Der Kläger kann schließlich den geltend gemachten Anspruch auf Stundung auch nicht aus § 127 der Reichsabgabenordnung herleiten. Dabei kann offenbleiben, inwieweit diese Vorschrift, die die Stundung in das Ermessen der hebeberechtigten Behörde stellt, auch für die Erhebung von Beiträgen nach § 19 Abs. 1 FlurbG gilt. Die Versagung der von dem Kläger begehrten Vergünstigung ist jedenfalls nicht aus ermessensfehlerhaften Erwägungen erfolgt. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte ihrem Interesse an einem pünktlichen Eingang der Beiträge den Vorzug gegenüber dem Interesse des Klägers gegeben hat, zu einem geringeren jährlichen Beitrag als die übrigen Teilnehmer herangezogen zu werden. Dies um so mehr, als nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils die im allgemeinen nicht übliche Zusammendrängung der Beitragsleistung auf nur 12 Jahre auch von den übrigen Teilnehmern erhebliche finanzielle Opfer erfordert.

Ob dem Kläger aus dem Rechtsgrund der Zusage ein Anspruch auf Senkung seines Beitrags auf 12 DM je ha zusteht, kann offenbleiben. Ein solcher Anspruch müßte sich gegen die in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht beteiligte Flurbereinigungsbehörde richten. Soweit, wie der Kläger vorträgt, der verantwortliche Beamte des Flurbereinigungsamtes M. in der Aufklärungsversammlung zugesichert haben sollte, die jährlichen Beitragskosten für die einzelnen Teilnehmer würden 12 DM je ha nicht übersteigen, kann der Kläger jedenfalls gegen die Beklagte hieraus keinerlei Ansprüche herleiten. Das gleiche trifft für die Frage zu, ob etwa die Flurbereinigungsbehörde die ihr gegenüber der Teilnehmergemeinschaft obliegende Kooperations- und Betreuungspflicht verletzt hat, indem sie bei Planung und Ausführung der einzelnen Flurbereinigungsmaßnahmen deren finanzielle Auswirkungen auf die Teilnehmer nicht hinreichend berücksichtigte. Ob sich in einem solchen Fall eine Verpflichtung der Flurbereinigungsbehörde ergibt, bei einer während des Flurbereinigungsverfahrens zutage tretenden Überbelastung der Teilnehmergemeinschaft mit Ausführungskosten dem einzelnen in wirtschaftliche Bedrängnis geratenen Teilnehmer die zur Erfüllung seiner Beitragspflicht benötigten Mittel zur Verfügung zu stellen, kann hier offenbleiben. Eine solche Unterstützungspflicht kann nur die für die Durchführung des Flurbereinigungsverfahrens verantwortliche Behörde, nicht aber die Teilnehmergemeinschaft treffen.