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RzF - 15 - zu § 19 Abs. 3 FlurbG

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.04.1986 - 5 B 161.83

Aktenzeichen 5 B 161.83 Entscheidung Beschluss Datum 09.04.1986
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Ermessensbetätigung der Flurbereinigungsbehörde im Rahmen des § 19 Abs. 3 FlurbG bleibt auf die vom Ermächtigungszweck her abzugrenzenden Ausnahmefälle beschränkt.
2. Die Frage, ob im Falle von Verbesserungen diese auch wirtschaftlich notwendig sind und von einem verantwortungsvollen Landwirt befürwortet werden könnten, ist für die Entscheidung über eine Beitragsbefreiung nach § 19 Abs. 3 FlurbG unerheblich.
3. Die gesetzlich festgelegte Befreiungsspanne gewährleistet die Berücksichtigung der unterschiedlichen Vorteile bei der Heranziehung der Teilnehmer zu Beiträgen.
4. Die rechtmäßige Heranziehung zu Beitragsvorschüssen beinhaltet keinen Vorstoß gegen Art. 14 GG.

Aus den Gründen

Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, daß § 19 Abs. 3 FlurbG auch auf die Befreiung von Vorschüssen Anwendung findet (Beschluß vom 15.11.1974 - BVerwG 5 B 54.72 <RdL 1975, 69, 70 = AgrarR 1975, 100>). Die Frage, die der Kritik der Klägerin an der Ermessensbetätigung entnommen werden kann, wonach die in § 19 Abs. 3 FlurbG eingeräumte Ermächtigung der Flurbereinigungsbehörde für eine gänzliche oder teilweise Befreiung der Beiträge (Vorschüsse) zu einer pauschalen und wenig differenzierten Interpretation und Anwendung verleite, was zu einer automatischen Ablehnung führe, wenn mit den Veränderungen des Wegenetzes und der Gewässer (irgendwelche) Verbesserungen nachgewiesen werden könnten, ist vom Bundesverwaltungsgericht bereits dahin entschieden worden, daß der Flurbereinigungsbehörde darüber, ob eine offensichtliche und unbillige Härte vorliegt, kein Ermessen zusteht (Urteil vom 15.01.1969 - BVerwG 4 C 244.65 <RdL 1969, 299, 300 = Buchholz 424.01 § 19 FlurbG Nr. 4>). Die danach der Flurbereinigungsbehörde verbleibende Ermessensbetätigung bleibt auf die vom Ermächtigungszweck her abzugrenzenden Ausnahmefälle beschränkt (Beschluß vom 15.11.1974, a.a.O.; ebenso Hegele in Seehusen-Schwede, FlurbG, 4. Auflage, RdNr. 21 zu § 19).

Die dem Beschwerdevorbringen weiter zu entnehmende Frage, ob im Falle von Verbesserungen diese auch wirtschaftlich notwendig seien und von einem verantwortungsvollen Landwirt befürwortet werden könnten, ist für die Entscheidung über eine Beitragsbefreiung nach § 19 Abs. 3 FlurbG unerheblich. Denn die Neuordnung ländlichen Grundbesitzes setzt - von anderen Förderungszwecken abgesehen - eine Verbesserungsbedürftigkeit der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft voraus (§ 1 FlurbG). Für diesen Anordnungszweck ist das feststellbare objektive Interesse der Beteiligten ausreichend (§ 4 FlurbG); die Befürwortung der Verfahrensanordnung und einzelner Gestaltungsmaßnahmen seitens des einzelnen Teilnehmers ist nicht erforderlich. Die Beurteilung der Beitragsbefreiung ist allein danach auszurichten, ob ein Teilnehmer entweder keinen oder nur einen verhältnismäßig geringen Vorteil von der Flurbereinigung hat und auch nicht an der allgemeinen Wertsteigerung teilnimmt (vgl. die vorangeführten Entscheidungen des BVerwG, Urteil vom 15.01.1969, a.a.O., und Beschluß vom 15.11.1974, a.a.O.), wobei es auf den objektiv feststellbaren sachbezogenen betriebswirtschaftlichen Vorteil an den Abfindungsgrundstücken ankommt, und nicht darauf, ob die damit verbundene wirtschaftliche Verbesserung vom einzelnen Teilnehmer auch befürwortet worden wäre.

Eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung ergibt sich auch nicht aus der nach Auffassung der Klägerin fehlenden Differenzierung der Voraussetzungen für die völlige Befreiung von den Geldbeiträgen einerseits und die teilweise Freistellung andererseits. Denn die gesetzlich festgelegte Befreiungsspanne gewährleistet gerade die Berücksichtigung der unterschiedlichen Vorteile bei der Heranziehung der Teilnehmer zu den Beiträgen (Vorschüssen) im konkreten Fall (BVerwG, Urteil vom 25.11.1970 - BVerwG 4 C 80.66 <RdL 1971, 97, 99 = Buchholz 424.01 § 19 FlurbG Nr. 6>; st. Rspr.). Da die gänzliche oder teilweise Befreiung stets zu (erhöhten) Lasten der übrigen Teilnehmer geht, ist das Vorliegen offensichtlicher und unbilliger Härten bei einzelnen Teilnehmern nicht nur absolut, sondern auch im Verhältnis zu den übrigen Teilnehmern zu sehen. Entgegen der Auffassung der Klägerin zeigt gerade diese Relation die Tragweite der Solidargemeinschaft der Verfahrensbeteiligten, weil die Beitragsbefreiung einzelner Teilnehmer, die zu einer erhöhten Belastung der übrigen Teilnehmer führt, sich als Wohltat auf Kosten anderer darstellt.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts, gegen die Verfahrensrügen nicht erhoben wurden, so daß sie nach § 137 Abs. 2 VwGO für das Bundesverwaltungsgericht bindend sind, hat die Klägerin nicht nur Vorteile aus der Flurbereinigung erhalten, sondern hinsichtlich ihres Besitzstandes noch weitere Vorteile zu erwarten. Die Klägerin kann danach nicht mehr in Abrede stellen, daß mit der Wertsteigerung ihres Besitzstandes durch die Flurbereinigung ein allgemeiner Vorteil verbunden ist, der den Ausgleich für die Beitragspflicht bildet. Die Heranziehung zu Beitragsleistungen, der hier als Gegenleistung die Gewährung eines angemessenen Vorteilsausgleichs gegenübersteht, kann deshalb keine (entschädigungslose) Enteignung sein (siehe das vorangeführte Urteil des BVerwG vom 25.11.1970, a.a.O.; in diesem Sinne auch Hegele, a.a.O., RdNr. 3 zu § 19). Kann in der (rechtmäßigen) Heranziehung zu Beitragsvorschüssen kein Verstoß gegen Art. 14 GG erblickt werden, dann kann die Ablehnung der Beitragsbefreiung eine Beeinträchtigung des Eigentums, die bei bestehender Leistungspflicht zu verneinen ist, um so weniger beinhalten.