Flurbereinigungsgericht Münster, Urteil vom 10.07.1974 - IX G 49/73
Aktenzeichen | IX G 49/73 | Entscheidung | Urteil | Datum | 10.07.1974 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Münster | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Vorschußweise erhobene Leistungen sind Erfüllungsvorleistungen auf die später entstehende endgültige Beitragsschuld. |
2. | Der Beitragsmaßstab ist für alle Teilnehmer einheitlich festzusetzen. Ein differenzierter Beitragsmaßstab ist schlechthin ausgeschlossen. |
3. | Die Teilnehmergemeinschaft hat nicht sofort benötigte Eigenmittel zinsbringend anzulegen. |
4. | Eine Anpassung der Beitragsschuld (z.B. durch Stundung) an die persönlichen Verhältnisse der Schuldner ist dem Flurbereinigungsgesetz fremd. Ein Teilnehmer ist verpflichtet, sich ggf. die zur Erfüllung seiner Beitragspflicht erforderlichen Mittel durch Aufnahme eines Darlehens zu verschaffen. |
5. | Die Teilnehmergemeinschaft ist nicht verpflichtet, der wirtschaftlichen Lage eines einzelnen Teilnehmers durch Senkung der jährlichen Vorschußraten und Einräumung eines längeren Tilgungszeitraumes Rechnung zu tragen. |
Aus den Gründen
1. Die Teilnehmergemeinschaft ist nach § 19 Abs. 1 Satz 1 FlurbG berechtigt, die Teilnehmer zur Deckung von Ausführungskosten i.S.d. § 105 FlurbG, die ihr zur Last fallen, zu Beiträgen heranzuziehen. Solange der nach § 19 Abs. 1 Satz 2 FlurbG im Flurbereinigungsplan (gegebenenfalls auch in einem Plannachtrag) zu bestimmende Maßstab für die Beitragspflicht noch nicht unanfechtbar feststeht, können auf Grund des von der Flurbereinigungsbehörde bestimmten vorläufigen Beitragsmaßstabs von der Teilnehmergemeinschaft Vorschüsse erhoben werden (§ 19 Abs. 1 Satz 3 FlurbG). Insoweit kommt der Heranziehung zu Vorschüssen nämlich im Hinblick auf die endgültige Feststellung der Beitragsschuld keine selbständige und endgültig festsetzende Wirkung zu. Vorschußleistungen sind somit zunächst nur in Form von Gutschriften buchungsmäßig zu erfassen, um sie nach Unanfechtbarkeit des endgültigen Beitragsmaßstabes verrechnen zu können. Demnach sind diese von der Teilnehmergemeinschaft erhobenen Leistungen richtigerweise als Erfüllungsvorleistungen aufzufassen in der Höhe, in der die Beitragsschuld später endgültig entsteht (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 22.9.1967 - IV C 45.65 - Recht der Landwirtschaft (Rdl) 1958, 274; Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 30.11.1972 - 3 C 25/72, Agrarrecht (AgrR) 1973, 126 = Rechtsprechung zur Flurbereinigung (RzF) RzF - 8 - § 19 Abs. 1 FlurbG. Voraussetzung der Beitrags- bzw. Vorschußpflicht eines Teilnehmers nach § 19 Abs. 1 FlurbG ist lediglich, daß er mit den herangezogenen Grundstücken beteiligt und bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Umlage hiervon nicht ausnahmsweise ganz oder teilweise von der Flurbereinigungsbehörde gem. § 19 Abs. 3 FlurbG zu Lasten der übrigen Teilnehmer befreit ist. Alle Teilnehmer sind hinsichtlich der sich nach diesem Maßstab errechnenden und auf sie anfallenden Anteil gegenüber der Teilnehmergemeinschaft zahlungspflichtig. (Vgl. Flurbereinigungsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 31.1.1957 - 5 S 238/56, RdL 1957, 277).
Die einzelnen im Flurbereinigungsgebiet liegenden Grundstücke haften gegenüber der Teilnehmergemeinschaft in Höhe der auf sie entfallenden Anteile der berechneten Beiträge und Vorschüsse (§ 20 Satz 2 FlurbG).
2. Die Heranziehung der Teilnehmer zu Beitragsvorschüssen beruht auf dem - von der Klägerin allerdings nicht ausdrücklich angefochtenen - Beschluß des Vorstands der Teilnehmergemeinschaft vom 5.7.1973. Die Beschlußfassung ist ein Akt der Geschäftsführung des Vorstandes für die Teilnehmergemeinschaft i.S.d. § 25 Abs. 1 FlurbG. Dieser - hier laut Verhandlungsniederschrift mit nur einer Gegenstimme - vom Gesamtvorstand gefaßte Mehrheitsbeschluß (§ 26 Abs. 2 FlurbG) konnte ebenso wie die Festsetzung der dem Flurbereinigungsverfahren unterliegenden Fläche durch die Flurbereinigungsbehörde als vorläufiger Beitragsmaßstab als Verwaltungsakt in zulässiger Weise zusammen mit dem Heranziehungsbescheid nach § 26 Abs. 3 FlurbG vom Vorsitzenden des Vorstands der Teilnehmergemeinschaft den betroffenen Teilnehmern bekanntgegeben werden. (Vgl. Flurbereinigungsgericht Mannheim, Urteil vom 4.3.1971 - VII 1053/69, RzF - 5 - zu § 19 Abs. 1 FlurbG).
Die mit dieser Bekanntmachung - hier sogar durch Zustellung, nicht nur durch öffentliche Bekanntmachung (§ 110, § 111 FlurbG) - verbundene und auf diesen Verwaltungsakten beruhende Vorschußanforderung konkretisierte die nach der Einlagefläche berechneten Jahresbeträge und setzte die Fälligkeitstermine fest. Die Klägerin bestreitet nach Klarstellung der dem Flurbereinigungsverfahren unterliegenden Einlageflächen der von ihr vertretenen Ordnungs-Nr. 78/00 in Größe von insgesamt 28,9464 ha nicht mehr den zutreffend errechneten Jahresbetrag von je 289,45 DM. Soweit sie die schematische und undifferenzierte Heranziehung rügt, ist zwar einzuräumen, daß dies zu Vorleistungen führen kann, die erst später - vielleicht sogar erst bei der Schlußumlage nach Rechtskraft des endgültig im Flurbereinigungsplan (oder in einem Plannachtrag) festgesetzten Beitragsmaßstabes - verrechnet werden. Der Beitragsmaßstab ist nach § 19 Abs. 1 FlurbG aber einheitlich für alle Teilnehmer festzusetzen.
Ein differenzierter Beitragsmaßstab ist schlechthin ausgeschlossen. (Vgl. Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 27.8.1970 - Nr. 144 VII 69, RzF - 4 - zu § 19 Abs. 1 FlurbG).
Die Berücksichtigung unterschiedlicher Vorteile der Teilnehmer ist nur durch die Ausnahmebestimmungen in § 19 Abs. 2 und 3 FlurbG gewährleistet. (Vgl. BVerwG, Urteil vom 15.1.1969 - IV C 244.65, RdL 1969, 299 = RzF - 3 - zu § 19 Abs. 1 FlurbG und Urteil vom 25.11.1970 - IV C 80.66, RdL 1971, 97).
Solange der Vorschuß - mit seiner schuldtilgenden Wirkung - noch weit hinter dem endgültigen Beitrag zurückbleibt, ist die Zugrundelegung der Gesamteinlagefläche im Interesse der Gleichbehandlung aller Teilnehmer und zur Vermeidung eines nicht vertretbaren Verwaltungsaufwandes bis zur Festsetzung des Beitragsmaßstabs nach dem Wertverhältnis der neuen Grundstücke gegebenenfalls zwischenzeitlich nach der Schätzung der Grundstücke zunächst auch nach dem Wertverhältnis der alten Grundstücke - nicht zu beanstanden. Jedenfalls ist eine Herausnahme der von dem Bau der geplanten Autobahn A 14 in Anspruch zu nehmenden Teilflächen aus der Vorschußberechnung im derzeitigen Stand des Verfahrens - noch dazu vor Aufmessung dieser Flächen - überhaupt nicht möglich. Im übrigen hat die Klägerin eine Änderung der Festsetzung des vorläufigen Beitragsmaßstabs nicht beantragt. Dafür wäre auch nur die Flurbereinigungsbehörde - nicht die Teilnehmergemeinschaft zuständig.
3. Die Heranziehung der Teilnehmer mit je 10.-- DM / ha / Jahr, die bei der Gesamtfläche des Flurbereinigungsgebiets von 4.199 ha zu einer Jahresumlage von rund 40.000,-- DM führt, ist der Höhe nach nicht zu beanstanden. Nach dem vom Beklagten-Vertreter nach dem Stande vom 1.1.1974 eingereichten Kosten- und Finanzierungsplan hält sich dieser von den Teilnehmern vorläufig aufzubringende Jahresbetrag in einem im Verhältnis zu den zu erwartenden Gesamtkosten so untergeordneten Umfang, daß diese - auch im Vergleich zu den dem Senat aus anderen Verfahren bekannten - Eigenleistungen nicht noch generell ermäßigt werden können. Zwar sind nach den glaubhaften Angaben des Beklagten-Vertreters die im Jahre 1973 angefallenen Ausführungskosten für Vermessung, Vermarkung, Schätzung, Zwischenerwerb von Land gegen Geldabfindung, Verbindlichkeiten der Teilnehmergemeinschaft und Sonstiges in Höhe von rund 1.389.000,-- DM im wesentlichen durch öffentliche Zuschüsse gedeckt worden. Doch könnten die für diese Zwecke nach der genannten Planung im Jahre 1974 benötigten Finanzierungsmittel von 81.000,-- DM (nach Abzug der abzusetzenden Beträge) mit den erhobenen beiden Eigenleistungsumlagen von zusammen rund 80.000,-- DM und im übrigen - soweit es neben der Bewilligung öffentlicher Zuschüsse noch erforderlich ist - durch das vorgesehene Darlehen aufgebracht werden. Dieses Darlehen sollte allerdings wegen der im Schreiben der Flurbereinigungsbehörde vom 5.11.1973 erläuterten hohen Kreditkosten so spät und niedrig wie möglich in Anspruch genommen werden. Da bereits für das Jahr 1975 weitere 990.000,-- DM für diese Positionen - also immer noch ohne die Wegebau-, Wasserwirtschafts- und Bodenverbesserungsmaßnahmen - veranschlagt sind, wird bei Vorschußerhebung in gleicher Höhe nur ein geringer Teil dieser Kosten durch die Eigenleistungen gedeckt.
Auf jeden Fall werden also die jährlich erhobenen verhältnismäßig geringen Vorschüsse in absehbarer Zeit für die genannten Ausführungskosten von der Teilnehmergemeinschaft benötigt. Insoweit hat die Überprüfung zur Überzeugung des Senats erbracht, daß nicht nur die im genannten Schreiben vom 5.11.1973 als Begründung der Vorschußerhebung angegebene Ansammlung von Mitteln für die Finanzierung der der Teilnehmergemeinschaft zur Last fallenden Ausbaumaßnahmen, sondern auch die für die oben erwähnten Positionen erforderlichen Beträge vorschußweise erhoben werden müssen.
Nach der weiten Fassung des § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3 FlurbG, ist es sachgerecht und nach dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs angemessen, jährlich gleichbleibende Vorschußumlagen, die jeweils innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre - also in durchaus absehbarer Zeit - für die Finanzierung der veranschlagten Kosten benötigt werden, zu erheben, um die Kostenbelastung der Teilnehmer durch Verteilung auf einen längeren Zeitraum zu mildern. Selbstverständlich hat die Teilnehmergemeinschaft etwaige vorübergehende nicht sofort benötigte Eigenmittel zinsbringend anzulegen. Vorschußumlagen in Höhe von 10,-- DM / ha / Jahr sind aber jedenfalls als tragbar anzusehen, ohne daß im einzelnen zu prüfen ist, ob dadurch sonst etwa nötige Darlehen eingespart werden. Im Rahmen dieser verhältnismäßig geringen Vorschußbelastung braucht auch nicht näher untersucht zu werden, ob die vorgelegte Kosten- und Finanzierungsplanung erheblich von den Erfahrungssätzen in anderen Flurbereinigungen abweichen könnte.
4. Auch soweit sich die Klägerin darauf beruft, daß die Aufbringung des Beitrages der Flurbereinigung S. den größtenteils einkommens- und im übrigen vermögenslosen Mitgliedern der Erbengemeinschaft nicht möglich sei, kann dies im vorliegenden Verfahren zu keiner anderen Beurteilung führen.
Die Anpassung der Beitragsschuld (z.B. durch Stundung) an die persönlichen Verhältnisse des Schuldners ist dem Flurbereinigungsgesetz fremd. Ein Flurbereinigungsteilnehmer ist verpflichtet, sich gegebenenfalls durch die Aufnahme eines Kredits die zur Erfüllung seiner Beitragspflicht erforderlichen Mittel zu verschaffen. Die Teilnehmergemeinschaft kann nicht verpflichtet werden, der wirtschaftlichen Lage eines einzelnen Teilnehmers durch Senkung der jährlichen Vorschußraten und Einräumung eines längeren Tilgungszeitraumes Rechnung zu tragen, da die dadurch entstehenden Zahlungsausfälle von den anderen Teilnehmern getragen oder durch zu ihren Lasten aufzunehmende Darlehen ausgeglichen werden müßten.